Wo andere Urlaub machen: Warnstreik in Konstanz

10.06.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Anne Czichos / shutterstock.com

An diesem Wochenende rief in Baden-Württemberg ver.di zum Warnstreik gegen den Einzel- und Großhandel auf. Besonders in Konstanz steht Galeria Kaufhof im Zentrum, an dem Beschäftigte für den Erhalt der Arbeitsplätze und eine Gehaltserhöhung auf die Straße gingen.

An diesem Wochenende ruft die Gewerkschaft ver.di zu einem landesweiten Warnstreik in Baden-Württemberg und NRW im Einzel-  und Großhandel auf. Neben H & M, Kaufland und Primark ist ein Hauptadressat  die Kaufhauskette Galeria Kaufhof, die bis zum Juni 21 Standorte schließt. Bis zum Ende des Jahres sollen 36 Standorte geschlossen werden, darunter in Teilen in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München. Auch in Baden-Württemberg droht der Verlust von Arbeitsplätzen. Der Warnstreik von ver.di betrifft dabei nicht nur Galeria Kaufhof, sondern auch Primark, Kaufland und H & M. Im Mittelpunkt steht jedoch die Kaufhauskette, die zum milliardenschweren Signa-Holding gehört. Eigentümer ist René Benko, der vor zwei Jahren Karstadt und Galeria Kaufhof zusammenführte und dadurch bereits 5.000 Arbeitsplätze vernichtete. Nun soll erneut ein Kahlschlag drohen.

Benko als Arbeitsplatzvernichter

Begründet wird die Schließung mit der Corona-Krise und der steigenden Inflation seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Obwohl Benkos Konzern Staatshilfen bekam, litt Galeria Kaufhof dennoch, vor allem durch Benkos Politik den Aktionär:innen – und damit auch sich selbst – über 100 Millionen auszuzahlen. Auch boomte der Online-Handel durch die Pandemie, wodurch Galeria Kaufhof weiter verdrängt wurde. Die Umstrukturierung durch Benko betrifft jedoch die Beschäftigten, während er selbst weiter in seinen Milliarden schwimmt. Einer der noch erhalten gebliebenen Standorte befindet sich in Konstanz, wobei die Zukunft alles andere als sicher ist. Während der Kundgebung am 1. Mai betonte die Gewerkschaft bereits, dass der Konzern die Gehälter weiter kürzen will.  Aufgrund dessen ruft verdi. zu diesem Warnstreik auf, der neben Konstanz auch Freiburg, die Großstädte Mannheim und Karlsruhe betrifft.

In Freiburg und der Bodenseestadt Konstanz legten 120 Beschäftigte nieder. Nach zwei Verhandlungsrunden, die aufgrund des unzureichenden Angebots seitens der Kapitalseite abgebrochen wurden, forderte die stellvertrende ver.di-Bezirksgeschäftsführerin Südbaden-Schwarzwald Patricia Marcolini einen „fairen Lohnausgleich”. Der Warnstreik verfolgt dabei zwei Ziele: einerseits sollen die Gehälter an die Forderungen der Verhandlungen im Einzel- und Versandhandels in separaten Forderungen angepasst werden; andererseits wurde die Inflation in den vergangenen Jahren auf die Beschäftigte abgewälzt, wodurch die meisten faktisch über Monate auf ihr Gehalt verzichteten. In den Tarifrunden im Einzel- und Versandhandel wird eine Tariferhöhung von 15 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten gefordert. Daran wollen die Streikenden bei Galeria Kaufhof anknüpfen.

Klassenkampf statt Treue!

Ob der Warnstreik Früchte tragen wird, wird spätestens am 23. Juni deutlich, wenn die dritte Verhandlung mit der Kapitalseite ansteht. Bei einem landesweiten Warnstreik legten insgesamt 1600 Beschäftigte ihre Arbeit nieder, die durch die Krise des Kapitalismus besonders stark bluten. Die westlichen Wirtschaftssanktionen, der Krieg in der Ukraine sowie die hohe Inflation wird von der Arbeiter:innenklasse nicht unbeantwortet bleiben, die in den vergangenen Wochen immer selbstbewusster und kämpferische auf die Straße gehen, um der Kapitalseite die Stirn zu bieten. Da sich das mittlerweile auch im eher konservativen Baden-Württemberg niederschlägt, in dem das Mantra „schaffe, schaffe, Häusle baue” über Generationen hinweg verankert ist, ist jede Kundgebung, jeder Streik, jeder Arbeitskampf nicht zu unterschätzender Beitrag für den internationalen Kampf der Arbeiter:innenklasse. Dass auch im Süden die Gewerkschaftsführung sich der „Sozialpartnerschaft” mit der Kapitalseite verpflichtet fühlt, ist keine Verwunderung. Marcolini selbst betont, dass die Beschäftigen des Benko-Konzerns immer „die Treue bewiesen”, und daher eine Lohnerhöhung ein Teil der „Wertschätzung” sei. Doch es geht bei diesem Arbeitskampf nicht um eine Wertschätzung durch die Kapitalseite noch um ein Treueversprechen, sondern eine Lohnerhöhung, die durch die Inflation nicht aufgefressen wird und auch um einen Erhalt von Arbeitsplätzen, bei denen die große Gefahr läuft, dass sie vernichtet werden: Nicht Treue, sondern Klassenkampf ist die Aufgabe! Dafür brauchen wir kämpferische Gewerkschaften, in denen die Beschäftigten selbst über den Verlauf der Streiks bestimmen und keine Sekretär:innen, die davon leben, zu den Arbeitgeber:innen zu vermitteln und die Streiks zu dämpfen.

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