Wir haben die Kita-Krise

28.05.2018, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Was im Angesicht der Großdemos gegen die AfD am Sonntag untergeht und dennoch Erwähnung finden sollte, ist die Demo gegen die Kita-Krise am Vortag. Tausende Eltern, Erzieher, Gewerkschafter und Kinder gingen wegen der schlechten Betreuungssituation auf die Straße. Ein Gastbeitrag einer Betroffenen.

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Angemeldet waren 1800, doch es wurden wesentlich mehr. Auch dies zeigt, wie akut die ganze Situation ist: Allein in Berlin fehlen derzeit fast 3000 Kitaplätze. In vielen Regionen Deutschlands sieht es noch schlimmer aus. Soviel zu den nüchternen Fakten. Die Realität für mich als Mama bedeutet einfach nur Stress und Jobverlustängste.

Es war also so, dass ich schon während der Schwangerschaft zu den Kitas gegangen bin und versucht habe, mein Kind auf die verschiedenen Wartelisten (ja, genau – es gibt keine Zentrale Warteliste! Das ist auch Teil des Problems!) zu setzen. Schon dort habe ich überall vernehmen müssen, wie schlecht es aussehe. Und auch nach der Geburt wurde es nicht besser. Da man ja als Neu-Mama nicht schon genug damit zu tun hat, mit der völlig neuen Situation zurechtzukommen, dass man nun für ein vollkommen hilfloses, von einem selbst total abhängiges Wesen verantwortlich ist, bin ich also weiterhin zu noch mehr Einrichtungen gelaufen und habe akribisch eine immer länger werdende Excel-Liste geführt, in welcher ich festgehalten habe, wann ich welche Einrichtung besucht habe und wie deren weiterer Wunsch-Ablauf ist. Denn auch das ist von Einrichtung zu Einrichtung verschieden. Und bei gut über sechzig Einrichtungen verliert man schon mal den Überblick. Und was hat es genutzt? Nichts. Keine dieser Einrichtungen will mein Kind ab dem Sommer betreuen.

Ich kenne mittlerweile viele Mütter, die zwangsweise ihre Elternzeit verlängern mussten und nicht wissen, wie es weitergehen soll. Die typischen „Frauenprobleme“ wie: zu lange Hausfrau sein – finanzielle Abhängigkeit vom Vater des Kindes – nur (wenn überhaupt) Teilzeitjob – und am Ende kaum Rente, werden so mal eben wunderschön vom Senat festgeschrieben.

Und auch die Kita-Krise ist vom Senat hausgemacht. Noch in den 2000ern konnte man nicht schnell genug viele Kitas und Schulen schließen und deren Grundstücke veräußern. Schließlich waren die Geburtenraten ja rückläufig. Und weil wir nun mal im anarchisch funktionierenden Kapitalismus leben, hielt keiner der Verantwortlichen es für nötig, diese einmal getroffene Entscheidung zu hinterfragen und deren weitere Gültigkeit zu überprüfen. Dass steigende Geburtenraten und sinkende Kitaplätze sehr wohl miteinander zu tun haben, fällt also erst jetzt auf.

Das es immer weniger Kitaplätze gibt, liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Arbeit der Erzieher*innen ein Knochenjob ist, welcher mies bezahlt und null wertgeschätzt wird. Das sieht man nun auch daran, dass die „Lösung“ des Senats aktuell so aussieht, einfach den Betreuungsschlüssel zu erhöhen. Das kennt man ja auch aus der Pflege. Dass das dazu führen wird, dass noch mehr Erzieher*innen ausbrennen und das Handtuch werfen, oder eben erst gar nicht diese Ausbildung anfangen wollen, kann man sich dabei an einer Hand ausrechnen.

Umso wichtiger fand ich das Signal der Demo, dass Eltern gemeinsam mit den Erzieher*innen an einem Strang ziehen müssen. Nicht selten war es in der Vergangenheit ja gerne auch mal so, dass Eltern die verschiedenen Schwierigkeiten den jeweiligen Trägern oder Erzieher*innen zuschrieben und sich massiv beschwerten, wenn die Erzieher*innen während der Tarifauseinandersetzungen in den Streik gingen. Doch dass der Fehler im System liegt, war bei den Teilnehmer*innen der Demo weitverbreiteter Konsens. Nicht umsonst hatte neben dem Landeselternausschuss auch die GEW zur Demo aufgerufen. Ein richtiger Wegweiser, wie ich finde. Denn um das Problem lösen zu können, brauchen wir mehr gesamtgesellschaftlichen und ökonomischen Druck. Und den erreichen wir am besten mit gemeinsamen Streiks der Erzieher*innen und Eltern. Ich bin dabei!

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