Von Black Lives Matter bis Gorillas: Rassismus, Kapitalismus und Befreiung III

14.11.2021, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Simon Zinnstein

Warum sollten wir als Studierende die Arbeitskämpfe von migrantisch geprägten Belegschaften unterstützen?

In Teil I dieser Artikelreihe ging es darum, inwiefern Rassismus und Ausbeutung miteinander zusammenhängen. Teil II beantwortete die Frage, in welche historischen Verhältnisse er verwurzelt bleibt: Die des auf Kolonialismus angewiesenen Kapitalismus. Für unseren Antirassismus bedeutet diese Verstrickung zwischen unserer Unterdrückung und der Ausbeutung des absoluten Großteils der Menschheit, dass wir uns gemeinsam mit all jenen organisieren müssen, die dem Ganzen seine Grundlage entziehen können und wollen: den Arbeiter:innen.

Ein gutes Beispiel für eine solche Organisierung ist der Arbeitskampf der bei Gorillas beschäftigten Rider:innen. Mit der App des milliardenschweren Berliner Start-Ups können Lebensmittel, Getränke, Hygieneartikel, Tierfutter und sogar Corona-Selbsttests bestellt werden. Das Unternehmen verspricht, innerhalb von zehn Minuten zu liefern.

Mal abgesehen davon, dass es nicht in jedem Kiez ein sogenanntes „Warehouse“ gibt und diese Zeit deshalb in vielen Fällen überhaupt nicht eingehalten werden kann, steht CEO Kağan Sümer seit Beginn des Jahres in der Kritik, weil er systematisch deutsches Arbeitsrecht ignoriert. Ruhezeiten scheinen ihm egal zu sein, rechtzeitige und vollständige Lohnzahlungen ebenso. Als ob das nicht schon genug wäre, gesellen sich zu diesen Problemen weitere: Kettenbefristungen, unzureichende Schutzausrüstung, unsichere Fahrräder, mangelnde Hygiene und fehlender Brandschutz in den Warenhäusern.

Die Belegschaft fing an, sich zu organisieren, als einem Kollegen unbegründet gekündigt wurde. Auf Proteste folgten wilde Streiks und die Forderung nach seiner Wiedereinstellung. Seitdem haben sie gegen falsche Abmahnungen, gegen die Kündigungen von Hunderten Beschäftigten, sowie den Versuch, die Betriebsratswahl juristisch zu unterbinden, gekämpft.

Während Gorillas mit Diversity wirbt, basiert das Geschäftsmodell des Investor:innenlieblings auf der gezielten Ausbeutung von Migrant:innen mit teilweise sehr unsicheren Aufenthaltstiteln. Eine Ausbeutung, die durch Start-Up-Gesetze noch verstärkt wird: Statt „nur“ zwei dürfen Start-Ups ihren Beschäftigten vier Jahre lang sachgrundlos befristete Verträge geben.

Weniger in Schach gehalten

Als Klasse gegen Klasse Campus unterstützen wir die Rider:innen, wo wir nur können. Einerseits, weil wir selbst auch prekär beschäftigt sind: Viele Studierende arbeiten in der Gastronomie, im Einzelhandel, in der Sozialen Arbeit und/oder machen Babysitting. Und andersherum: Viele Gorillas-Rider:innen sind unsere Kommiliton:innen.

Andererseits supporten wir ihren Arbeitskampf, da er ein Beispiel dafür ist, dass prekäre Sektoren von großen Gewerkschaften – in diesem Land dem DGB – systematisch außen vor gelassen werden. Das heißt, dass die etablierten Führungen der Arbeiter:innenklasse an den Arbeitsplätzen der Prekären so schwach sind, dass sie ihre Streiks nicht kontrollieren können.

Sie beklagen entweder, wie schwer es sei, in einem Sektor Beschäftigte zu organisieren, in welchem die Fluktuation aufgrund der Befristungen so hoch ist, oder reden sich damit raus, dass die Arbeiter:innen gerade in diesen Bereichen zu viele unterschiedliche Sprachen sprächen, was den Aufbau von Betriebsgruppen für große Gewerkschaften wie ver.di, denen ein riesiger Etat zur Verfügung steht, um so etwas wie Dolmetscher:innen zu organisieren, natürlich völlig unmöglich macht. Für die Beschäftigten hat das viele Nachteile. Doch hat es auch einen Vorteil: Sie werden weniger in Schach gehalten.

So war es die prekarisierte Jugend, die in den letzten Jahren Rebellionen herbeigeführt haben: 2019 in Chile, letztes Jahr in den USA und dieses Jahr in Kolumbien. Dabei hat sich gezeigt, dass sie ihren Kampf mit denen Anderer verbinden müssen, weil er sonst – so wie die Kämpfe der Anderen auch – nicht die nötige Kraft entwickeln können und zum Scheitern verurteilt sind.

Während die Losung Black Lives Matter wieder Massen auf die Straßen brachte, gab es auch Streiks in Häfen und Aktionen in Gewerkschaften, um Cops aus diesen hinauszuwerfen. Das waren nur kleine Ansätze. Doch haben sie der Bewegung viel mehr symbolische und tatsächliche Kraft gegeben. Denn allein ein Tag Streik in einem solchen Sektor tut den Herrschenden sehr weh.

Das Problem war, dass keine alternative, politische Organisierung daraus entstanden ist. Letzten Endes wurde das Bedürfnis nach Veränderung in den allermeisten Fällen in den Wahlkampf der Demokraten kanalisiert, obwohl diese zum Beispiel lateinamerikanische Kinder in Lagern internieren.

Wir müssen ein Bündnis von Unterdrückten und Arbeiter:innen herstellen und von der Defensive zur Offensive zu übergehen. Nur so werden wir perspektivisch die Kraft aufbauen können, die dieses System stürzen kann und will. Nur so wird dem Kapitalismus ein Ende gesetzt und damit die Grundlage für unsere vollkommene Befreiung geschaffen werden können.

In dieser Perspektive beteiligen wir uns auch konkret am Kampf der Rider:innen von Gorillas hier in Berlin, die mit ihren Aktionen eine enorme Bekanntschaft erreicht haben, jetzt aber noch mehr Druck aufbauen müssen, um ihre Forderungen gegenüber dem Konzern durchzusetzen. Dieser Druck wird allerdings nur in einer Verbindung mit anderen Sektoren der Produktion entstehen, auf die der Kampf bei Gorillas wiederum einen Einfluss haben kann. Wie wir an anderer Stelle geschrieben haben, ist es jetzt so zentral für die Ausdehnung dieses und vieler weiterer Kämpfe voranzutreiben, „weil prekäre Sektoren wie beispielsweise bei Gorillas zwar eine große Radikalität entfalten können, ihnen aber die materielle Kraft fehlt, die zentralen Sektoren der imperialistischen Wirtschaft lahmzulegen. Dazu braucht es den Schulterschluss mit den Arbeiter:innen dieser Bereiche – wie Metall- und Elektroindustrie, Logistik, aber auch im Gesundheitssektor –, in denen die Gewerkschaftsbürokratie einen großen Einfluss hat. Umgekehrt können die explosiveren Kämpfe und Methoden der prekären Sektoren genau diese Bereiche in Bewegung setzen.“

Um das Feuer, welches die Arbeiter:innen von Gorillas mitten ins Herz des en voguen Start-Up-Kapitalismus gelegt haben zu einem Großbrand zu machen, welches sowohl den Gorillas CEO als auch klassische Sektoren des Kapitals erfasst, braucht es gemeinsame Aktionen, von Rider:innen, Arbeiter:innen der Krankenhäuser, Supermärkte, Fabriken, etc. und auch von Studierenden, die an der Universität nicht außerhalb der Gesellschaft stehen, sondern mitten in einem Brennpunkt von Outsourcing und Prekarisierung.

Eine solche Aktion soll die große Demo der Gorillas-Beschäftigten am Dienstag, den 16.11 um 17 Uhr an der Muskauerstraße 48 sein, zu der ein breites Bündnis von Initiativen und Gruppen aus den unterschiedlichsten Sektoren aufgerufen hat. Wir beteiligen uns als Klasse Gegen Klasse an diesem Kampf gegen Union-Busting, Befristung und Prekarisierung, rassistische Arbeits- und Aufenthaltsgesetze und rufen alle solidarischen Gruppen, Aktivist:innen und Einzelpersonen dazu auf sich anzuschließen!

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