Viertelmillion bei #unteilbar: gestern auf der Straße, morgen in Betrieb und Gewerkschaft!

14.10.2018, Lesezeit 9 Min.
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Gestern gingen in Berlin fast 250.000 Menschen gegen den Rechtsruck auf die Straße. Mit dabei waren auch die Gewerkschaften und Arbeiter*innen aus unterschiedlichen Sektoren – Vorboten kommender Kämpfe.

Niemand hatte gestern so viele Leute erwartet. Nach 50.000 Menschen bei der #ausgehetzt-Demo in München und 35.000 bei „We’ll come United“ in Hamburg, kamen fast eine Viertelmillion Menschen in Berlin zusammen.

Die beeindruckende Menge, aufgerufen von unterschiedlichsten politischen, sozialen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, setzte ein enormes Zeichen der Solidarität und des Kampfes gegen den Rechtsruck. Als die Demospitze nach sechs Kilometern Strecke an der Siegessäule ankam, waren immer noch nicht alle Menschen vom Startpunkt am Alexanderplatz losgelaufen.

Damit war die Demonstration die größte soziale Mobilisierung seit mehreren Jahren. Beeindruckend war die Demonstration aber nicht nur wegen der Vielzahl der Menschen und Organisationen, sondern auch, weil sie den Protest gegen Rassismus und den Aufstieg der AfD vielfach mit sozialen Forderungen verband. Neben Protest gegen Rassismus und Sexismus waren viele Schilder und Losungen gegen Wohnungsnot, Privatisierung, Outsourcing und andere soziale Fragen sichtbar. Somit zeigte die Demo eine breite Antwort der Bevölkerung nicht nur gegen die extreme Rechte, sondern gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck insgesamt.

Obwohl fast alle Parlamentsparteien mit zur Demo aufgerufen hatten und selbst Regierungsmitglieder wie Außenminister Heiko Maas (SPD) die Demonstration vereinnahmen wollten, waren die etablierten Parteien in der Demonstration unterrepräsentiert. Gerade die starke Präsenz sozialer Forderungen zeigte, dass die Menschen nicht nur die AfD, sondern auch die Regierung für den Rechtsruck verantwortlich machten.

Eine Herausforderung bleibt: diese Mobilisierung in eine organisierte soziale Kraft umzuwandeln, die tatsächlich sowohl die AfD als auch die Regierung konfrontieren kann. Ein erster Anfang dafür war, dass auch ein starker Block von kämpferischen Belegschaften in einem Gewerkschaftsblock zusammengekommen waren.

Gewerkschafter*innen: Unsere Belegschaften sind #unteilbar!

Für die Arbeiter*innen bedeutete #unteilbar die Unteilbarkeit ihrer Belegschaften, ihrer Streiks und ihrer Solidarität. Die Unternehmen und die Regierungen spalten die Belegschaften durch Outsourcing, Tarifflucht und Leiharbeit. Immer mehr Menschen müssen in sehr prekären Arbeitsbedingungen arbeiten. Dagegen finden aber auch immer wieder Streiks und Aktionen statt.

Unsere Belegschaften werden nicht nur durch Vollzeit-/Teilzeitbeschäftigung, Auslagerung oder unterschiedliche Tarifverträge gespalten. Die Spaltung erfolgt auch durch den staatlichen Rassismus und rechte Hetze. Durch Abschiebungen schieben die Regierungsparteien unsere Kolleg*innen ab, mit denen wir teilweise jahrelang zusammenarbeiteten. Deshalb stellten sich viele Kolleg*innen die Frage, warum Menschen, die hier leben und arbeiten, nicht dieselben Rechte haben, wie alle anderen. Was für einen Unterschied macht denn ihre Hautfarbe, Muttersprache oder Herkunft? Gegen diese Politik der Herrschenden setzten die Gewerkschafter*innen gestern ihre kämpferische Solidarität.

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Eine weitere Spaltung unserer Belegschaften passiert durch den Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. In Deutschland verdienen Frauen ca. 21% weniger als ihre männliche Kolleg*innen. Das betrifft besonders die Sektoren, in denen mehrheitlich Frauen arbeiten, so wie in der Pflege. Oftmals kommt dieser Lohnunterschied auch dadurch zustande, sodass Frauen neben der privaten Kinder-, Kranken- und Altersbetreuung in Teilzeitjobs gedrängt werden, die einen geringeren Stundenlohn als eine Vollzeitstelle haben.

Letztlich bedeutet der Kampf gegen diese Spaltung für die Arbeiter*innen einen Kampf um Tod und Leben. Denn eine gespaltete Belegschaft hat keine Kraft, um ihre Interessen gegen die Boss*innen zu setzen. Und das gleiche gilt für die gesamte Arbeiter*innenklasse in Deutschland. Nur wenn wir uns gegen jegliche Spaltung in unserer Reihen zur Wehr setzen, sei es rassistische, sexistische oder vertragliche, werden wir dazu kommen, uns für unsere eigenen Interessen einzusetzen.

Deswegen war die Beteiligung der Gewerkschaften und Arbeiter*innen an dieser Demonstration sehr wichtig. Den Kampf gegen die Prekarisierung und die Politik der „Schwarzen Null“ müssen wir mit dem Kampf gegen den Rechtsruck verbinden und eine #unteilbare Einheit der Ausgebeuteten und Unterdrückten herstellen.

Hier ist ein Überblick zum Gewerkschaftsblock bei der #unteilbar-Demonstration:

No Rights – No Flights! Ryan-Air must change!

Bemerkenswert war vor allem der Ryanair-Block, der von streikenden Flugbegleiter*innen und Pilot*innen gebildet wurde. Die Kolleg*innen kämpften seit Monaten für einen Tarifvertrag, mehr Lohn, so wie ein Recht auf Betriebsratsgründung.

Die Kolleg*innen forderten auf der #unteilbar-Demonstration mit ihren Schildern „Worker’s Council Now! – Betriebsrat jetzt!“ und liefen mit studentischen Beschäftigten zusammen.

„No Rights, no flights. Ryan-Air must change!“

Jahrelang weigerte sich Ryanair, sich auf Tarifverhandlungen einzulassen. Durch einen europaweiten Streik haben die Kolleg*innen es aber geschafft, Ryanair zu Verhandlungen zu zwingen. Zuletzt fanden europaweite Streiks am 28. September statt: Das Unternehmen musste insgesamt 190 Flüge streichen, die insgesamt 30.000 Passagiere betroffen haben.

Ihr Kampf zeigt es deutlich, dass die Arbeiter*innen sich international zusammenschließen und für ihre Interessen kämpfen können. Egal auf welche Nationalgrenzen sie treffen, sind ihre Interessen gemeinsam, #unteilbar.

Nachdem die Verhandlungen in den vergangenen Wochen scheiterten, bereiten sich die Kolleg*innen auf neue Streiks vor.

Students and Workers – unite and fight!

Auch die studentischen Beschäftigten (TVStud) waren auf der #unteilbar-Demonstration. Ihre Losung „TVStud erkämpfen, Rechtsruck bekämpfen“, die sie in zahlreichen Streikdemonstrationen wiederholt gerufen haben, zeigte sich in Realität immer wieder durch ihre Beteiligung an den Demonstrationen gegen den Rechtsruck.

Sie sind gemeinsam mit ihren Kolleg*innen aus der Vivantes Service Gesellschaft (VSG), BVG, dem Botanischen Garten und Ryan-Air gelaufen. An ihrem Block beteiligte sich auch die neue Hochschulgruppe organize:strike, die ein Teil der TVStud-Aktiven gegründet hat, um die ökonomischen Kämpfe der Arbeiter*innen mit Kämpfen gegen Rechtsruck zu verbinden, und eine Kampfeinheit der Studierenden und Arbeiter*innen herzustellen.

In ihrem Block riefen sie mehrmals die Parole: „Streik in der Schule, Uni und Betrieb! – Das ist unsere Antwort auf ihre Politik!“ und machten die Regierung für den Rechtsruck verantwortlich.

Der neue Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten ist bereits unterschrieben. Aber ihr Kampf geht weiter, denn die Spaltung der Belegschaft an der Universität besteht weiterhin fort. Sie wollen eine direkte Eingliederung in den Tarifvertrag der Länder (TV-L), in dem sich fast alle andere Beschäftigten befinden. Im neuen Jahr wird es zu Streiks der TV-L beschäftigten kommen, an dem die studentischen Beschäftigten sich mit einem Solidaritätsstreik beteiligen wollen, damit ein weiterer Schritt für das Ende der Spaltung der Belegschaften der Universitäten getan wird.

Nachdem die studentischen Beschäftigten einen neuen Tarifvertrag erkämpft und einige sich erfolgreich durch Klagen vor dem Arbeitsgericht sogar entfristet haben, verlängern die Hochschulleitungen einen Teil der aktuellen Arbeitsverträge nicht mehr, und stellen Studierende stattdessen mit einem Werkvertrag in ausgelagerten Töchterunternehmen ein.

Die Spaltung an der Universität beschränkt sich aber nicht nur für die studentischen Beschäftigten; Reinigungskräfte, Studierendenwerks-Beschäftigte und Lehrbeauftragte werden auch nicht nach TV-L bezahlt. Deswegen besitzen die TV-L Streiks in 2019 das Potenzial, zu einem Unistreik zu werden und zu zeigen, dass die Solidarität und Kampf der Universitätsbeschäftigten #unteilbar ist.

Mehr von uns ist besser für alle!

Auch die Krankenhausbeschäftigten, die aktuell in Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus für einen Personalschlüssel in den Tarifverträgen kämpfen, waren im Gewerkschaftsblock mit ihren Transparenten vertreten. Die Folgen der Sparpolitik der Großen Koalition sind im Gesundheitssektor drastisch. Nicht nur gefährden die Kürzungen und profitorientierte Maßnahmen die Gesundheit der Patient*innen, sondern auch die Gesundheit der Beschäftigten. Unterbesetzung und Personalmangel sind in Krankenhäuser eine Normalität geworden.

Dagegen haben die Kolleg*innen im Rahmen des Berliner Bündnis für mehr Personal in Krankenhäuser einen Volksentscheid gestartet. In Bayern hat ein ähnliches Bündnis erst kürzlich über 100.000 Unterschiften gesammelt.

Das Problem in den Krankenhäusern begrenzt sich aber nicht nur für die Pflegekräfte. Die outgesourcten Krankenhaustöchter Vivantes Service GmbH (VSG) oder Charitè Facility Management (CFM), in das ein Teil des nicht-medizinischen Personal ausgelagert wurde, zahlen viel niedrigere Löhne, als die Kolleg*innen bekommen, die im Mutterkonzern angestellt sind, obwohl sie die gleiche Arbeit machen.

Neben den genannten Belegschaften haben sich viele Metaller*innen, Kolleg*innen aus der BVG und viele weitere an dem Gewerkschaftsblock beteiligt.

Wie weiter?

Damit es nicht mir einer großen Demonstration bleibt, sollten wir unsere Erfahrungen und Diskussionen in die Betriebe hineintragen. Nur wenn wir es schaffen, die Basis unserer Belegschaften sowohl für den Kampf gegen Prekarisierung, Outsourcing und Entlassungen, als auch gegen die Spaltungsversuche der Regierung, AfD und co. gewinnen, können wir dem Rechtsruck etwas entgegensetzen.

Schon jetzt zeigt die massive Demonstration, dass es den Willen und die Kraft gibt, sich dem Rechtsruck entgegenzustellen. Die Arbeiter*innenklasse mit ihrer multiethnischen Zusammensetzung darf sich nicht einschüchtern oder vom Rechtspopulismus verführen lassen. Im Gegenteil haben die Gewerkschaften die Kraft, sich dem Aufstieg rechtsextremer Gruppen genauso wie der Komplizenschaft der Regierung entgegenzusetzen. Gestern mobilisierten sich Hunderte im Gewerkschaftsblock mit antirassistischen und sozialen Forderungen. Ihre Herausforderung ist, eine starke Basiskraft aufzubauen, um die Millionen Beschäftigten, die heute in den Gewerkschaften organisiert sind, zu erreichen.

Um den Rechtsruck zu bekämpfen, kann diese Demo nur der erste Schritt sein. Es ist nötig, die reformistischen Parteien und die Gewerkschaften durch kämpferische Basisorganisierung dazu zu zwingen, sich die Forderungen der Arbeiter*innen genauso wie die Forderungen aller Unterdrückten zu eigen zu machen. Dafür muss der Frieden der „Sozialpartnerschaft“ gebrochen werden, von dem die Bosse, die Regierung und die extreme Rechte profitieren. Stattdessen brauchen wir Streiks und Mobilisierungen zur Verteidigung der Migrant*innen, der Frauen und der Jugend, die am meisten vom Rechtsruck betroffen sind.

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