Neue Kurzarbeitsregeln: Unternehmen werden entlastet, Arbeiter*innen verarscht
„Die Koalition will Kurzarbeitergeld erhöhen“, so die Schlagzeilen vom Mittwochabend. Doch statt einem vollen Ausgleich für den ausfallenden Lohn gibt es nur eine leichte Anhebung auf Raten und das nur für eine kleinen Teil der Beschäftigten.

Mit dem Beginn der Corona-Krise in Deutschland hatte die Bundesregierung bereits die Möglichkeiten für Unternehmen massiv erweitert, Kurzarbeit anzumelden.
Mittels Kurzarbeit können bis zu 100 Prozent der Lohnkosten für Beschäftigte über Monate eingespart werden. Wenn die Arbeitsstunden auf Null gesenkt werden (in der Regel mit der Begründung, dass das Geschäft wegen Corona nicht läuft), muss die Firma nichts mehr Zahlen und der Staat übernimmt 60 Prozent der Lohneinbußen für den*die Arbeiter*in, beziehungsweise 67 Prozent für Arbeiter*innen mit Kindern. Die Arbeitszeit kann vom Unternehmen aber auch nur um die Hälfte reduziert werden oder um einen beliebigen anderen Anteil. Auch dann wird der wegfallende Lohn zu 60 oder 67 Prozent durch Steuergeld ausgeglichen.
In den vergangenen Wochen haben bereits über 600 000 Unternehmen von diesem Werkzeug Gebrauch gemacht. Offizielle Zahlen gibt es noch nicht aber Millionen Arbeiter*innen müssen damit auf einen Teil ihres Einkommens verzichten – und viele von ihnen auf 33 bis 40 Prozent.
Die nun verkündete Anhebung auf 80 bis 87 Prozent klingt zunächst wie ein deutlicher Fortschritt. Aber in Wahrheit ist die Regelung komplizierter: Nur wer bereits vier Monate auf einen großen Teil seines Einkommens verzichten musste, bekommt ab dem fünften Monat etwas mehr. Dann werden 70 beziehungsweise 77 Prozent gezahlt. Erst ab dem siebten Monat gibt es die versprochenen 80/87 Prozent. Dazu kommt, dass die Erhöhung nur für diejenigen gilt, deren Arbeitszeit auf die Hälfte oder noch weniger gesenkt wird.
Wer also seit April in Kurzarbeit ist, bekommt erst im August mehr als bisher und erst ab Oktober den neuen Höchstsatz. Auch wer erst später auf Kurzarbeit gesetzt wird, bekommt vier Monate lang nur 60/67 Prozent ausgeglichen. Bis dahin heißt es: Vom Ersparten Leben (das viele Haushalte kaum haben) oder sich Verschulden.
Unklar ist auch, was passiert, wenn die Kurzarbeit kurzzeitig – zum Beispiel im Sommer – ausgesetzt wird und dann im Herbst von neuem beginnt, weil wieder umfassende Maßnahmen gegen die Pandemie nötig sind. Stehen dann wieder vier Monate mit besonders großen Einschnitten an?
Als Teil des gleichen Pakets wird die Mehrwertsteuer für Speisen in Hotels und Gaststätten gesenkt – während Millionen Arbeiter*innen auf einen Teil ihres Gehalts verzichten sollen, werden also der Hotel- und Gastronomiebranche rund 4 Milliarden Euro geschenkt.
Dabei ist das Kurzarbeitergeld bereits in erster Linie eine Förderung der Wirtschaft: Unternehmen können so massenhaft Gehaltszahlungen sparen, ohne dass sie Arbeitskräfte verlieren. So kann die Produktion leichter wieder hochgefahren werden, wenn sich die Auftragssituation wieder verbessert. Dass dadurch auch weniger Menschen arbeitslos werden ist dabei eher ein Nebeneffekt, der in der Krise für mehr politische Stabilität sorgt, und nicht etwa das Resultat fürsorglicher Regierungspolitik.
Statt Maßnahmen, die Unternehmen retten und uns Beschäftigte belasten, brauchen wir eine Fortzahlung der vollen Löhne für alle Kolleg*innen ab dem ersten Tag – und zwar durch die Unternehmen. Wenn diese dazu nicht in der Lage sind und Steuergeld für die Lohnfortzahlung benötigt wird, sollten die jeweiligen Betriebe auch unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht werden. Alles andere bedeutet nur eine Rettung der privaten Profite zu Lasten aller Arbeiter*innen.
Die SPD will die neue Regelung gerne als Erfolg verkaufen. Gegen Kritik heißt es dann, dass diejenigen Schuld wären, die ihr Kreuz nicht bei der Sozialdemokratie gemacht haben. Das ist auf zwei Ebenen falsch. Einmal weil Zugeständnisse nicht allein durch Verhandlungen in den Parlamenten erreicht werden und auf der anderen Seite, weil die schlechten Wahlergebnisse gerade das Produkt halbgarer Kompromisse sind. Statt dass die SPD mit Hilfe der Gewerkschaften eine wirkliche Neuregelung zum Kurzarbeitergeld im Interesse der Beschäftigten durchsetzt, zum Beispiel durch die Einführung einer Reichensteuer zu deren Finanzierung, versucht sie, einen weiteren halbgaren Kompromiss als Sieg zu verkaufen.
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Ich finde es spannend das man sich mal wieder an der SPD abarbeitet. Neue Ideen braucht das Land…
Dieser Kommentar ist wie die Reaktion eines Sommerreifenfahrers der auf den unerwarteten Schneefall im Dezember nicht vorbereitet ist. Verantwortlich machen will er jetzt den bösen Reifenhändler. Zu viele Arbeitnehmer haben 2017 Sommerreifen gekauft. Also kein Kreuzchen oder das falsche Kreuzchen gemacht. Die SPD ist nun mal Juniorpartner in auch dieser eigentlich ungewollten GroKo. Und in dieser Rolle kann man ohne Kompromisse nichts ausrichten. Die Leistungen der SPD in dieser Rolle können sich sehr wohl sehen lassen. Wäre Christian Lindner in 2017 zum regieren nicht zu feige gewesen, hätten die meisten Arbeitnehmer heute deutlich weniger aufs Konto und mehr Unsicherheit im Leben. Statt euch zu freuen wird weitergemeckert. Ziemlich absurd ist der Schlusssatz: „durch die Einführung einer Reichensteuer…“ Dass man auch dafür eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat braucht, ist euch entgangen?
Man brauchte vor vielen Jahren (die sogenannte Schröder/Fischer-Regierung) auch in beiden Parlamenten eine große Mehrheit für die Absenkung des damaligen Spitzensteuersatzes von über 60% auf nunmehr 42%. Natürlich in Schritten. Davon ist jedoch in den Tascghen der lohnabhängigen Beschäftigten nichts gelandet, weil, Da wo nichts ist, kommt auch nichts dazu!
Jedoch fehlen dem Land so viele Millionen und Milliarden! Darüber sollte Robert …. mal nachdenken!!