Unser Leben ist mehr wert als ihre Kriege!

23.09.2021, Lesezeit 15 Min.
1
Foto: Ryanzo W. Perez/Shutterstock.com

Während sich die Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten weiter zuspitzen, wird auch der deutsche Imperialismus immer aggressiver. Wie sollten sich Linke dazu verhalten? Ein programmatischer Vorschlag.

Die vorherrschende Weltmacht USA verliert immer mehr an wirtschaftlichem und auch militärischem Einfluss. Zuletzt zog sie ihre Truppen nach 20 Jahren aus Afghanistan ab. Von der angeblichen „Demokratie“, die sie dort mit Panzern und Raketen einführen wollte, ist nicht viel übrig geblieben. Die reaktionären Taliban konnten die Macht übernehmen und das Land versinkt im Chaos. Angesichts der wachsenden Spannungen unter den imperialistischen Großmächten versucht ein neuer Player, seinen Einfluss zu erweitern: China.Während die USA sich bestürzt über die Situation geben, verhandelt das „Reich der Mitte“ mit den Taliban. Afghanistan ist für die Großmächte aus doppelter Hinsicht spannend. Zum einen ist dort eines der größten Lithiumvorkommen unseres Planeten, welches elementar für Batterien von Elektroautos ist. Zum anderen ist es geopolitisch interessant, da es Teil der Landroute nach Pakistan ist und damit Zugang zu wichtigen, eigens von China errichteten Häfen bietet. China und sein Projekt der neuen Seidenstraße – mit dem es den Handel auf dem gesamten eurasischen Kontinent dominieren will – würde massiv von Standorten in Afghanistan profitieren.

Auch in Taiwan, einem kleinen Staat an der Küste Chinas, der nach Unabhängigkeit von seinem großen Nachbarn strebt, gibt es Konflikte. Während China das Land für sich beansprucht, versuchen die USA die Differenzen auszunutzen um an Taiwans technologischen Ressourcen zu kommen. Das kleine Land produziert nämlich enorm viele Halbleiterchips, die für alle möglichen elektronischen Geräte von der Mikrowelle bis zum Computer benötigt werden und weltweit Mangelware sind. Die USA verschieben also ihre Streitkräfte vermehrt in den Pazifik, um China die Stirn zu bieten.

Einen Platz an der Sonne für den deutschen Imperialismus?

Halbleiterchips interessieren den deutschen Imperialismus und seine starke Autoindustrie aber nicht so sehr, wie das Lithium für ihre E-Autos. Diese Schlüsselindustrie befindet sich gerade in einem enormen Umbruch und ist stark auf bestimmte Rohstoffe angewiesen, um eine grün angestrichene Erneuerung des kapitalistischen Systems zu vollziehen. Nicht erst seit gestern ist deshalb von der CDU bis zu den Grünen ein allgemeines Säbelrasseln zu vernehmen. Sie sind alle bereit, für diese Wirtschaftsinteressen Krieg zu führen.

Der deutsche Militarismus, der zwei Weltkriege geführt und etliche Kriegsverbrechen, bis zu Völkermorden an den Herero und Nama, an Jüd:innen, sowie Sinti und Roma begangen hat, und der sich auch an der Organisierung des armenischen Genozids beteiligte, beginnt wieder damit, seine Kriegsmaschinerie zu stärken. Schon 1999 fand unter UN-Mandat im Kosovo der erste Kampfeinsatz von deutschen Soldat:innen nach dem zweiten Weltkrieg statt – unter einer Rot-Grünen Regierung. Danach folgten Interventionen in Afghanistan und Syrien. Zudem forderten Teile der Grünen 2014, mit der Bundeswehr in Libyen zu intervenieren. Die kommende Regierung, egal wie sie aussieht, steht unter enormen Druck die notwendigen Rohstoffe für die „grüne Erneuerung“ zu sichern und muss bereit sein, dafür Krieg zu führen. Die Bundesregierung und die Grünen haben ganz in diesem Sinne im November 2019 den Militärputsch in Bolivien unterstützt. Schließlich befinden sich dort neben Afghanistan die größten Lithiumvorkommen weltweit.

Seit der Finanzkrise 2008/09 gibt es immer größere Interessenkonflikte zwischen imperialistischen Mächten wie den USA, Deutschland und Frankreich, sowie der aufsteigenden Macht China. Die USA fordern daher seit langem Deutschland dazu auf, ihre Rüstungsausgaben auf mehr als 2 Prozent zu erhöhen, um strategisch eine militärische Allianz gegen China zu bilden.

Deutschland hat dementsprechend 2020 seine Verteidigungsausgaben um 8,4 Prozent erhöht. Olaf Scholz erklärte beim ersten Triell, dass es ein Erfolg der Sozialdemokratie sei, dass man über 50 Milliarden Euro in die Bundeswehr investiert hat. Währenddessen wollen die Grünen mit ihrem grünen Imperialismus die große Koalition in Sachen Krieg überholen. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt erklärte Ende letzten Jahres, dass sie die Erfahrung gemacht habe, “dass ein Mandat der Vereinten Nationen blockiert werden kann und dann wichtige Hilfe in Kriegsregionen mitunter nicht möglich wäre“ und forderte auch Auslandseinsätze ohne UN Mandat. Konkret fordert sie damit, dass Deutschland seine militärischen Ansprüche durchsetzen soll, auch wenn es China, Russland oder den imperialistischen Partner:innen nicht passt.

Unser Programm gegen Krieg: Raus mit dem Imperialismus aus allen Ländern!

Gegen deutsche Kriege treten wir als Antiimperialist:innen für den sofortigen und bedingungslosen Rückzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen ein. Wir sind für die Streichung jeglicher Auslandsschulden, die halbkoloniale Länder wirtschaftlich knebeln und die Massen in Armut stürzen. Wir treten auch für die Zerschlagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) ein, der diese Politik umsetzt. Die NATO und alle imperialistischen Bündnisse müssen sofort aufgelöst werden. Waffenexporte, an denen die deutsche Rüstungsindustrie Milliarden verdient, müssen beendet werden. Sämtliche Kriegsgewinne müssen beschlagnahmt werden. Alle für den Krieg arbeitenden Betriebe müssen unter Kontrolle der Arbeiter:innen verstaatlicht werden.

Sowohl in der Corona-Krise, als Verstärkung der Gesundheitsämter, als auch bei der jüngsten Hochwasserkatastrophe wurden Soldat:innen und schweres Gerät im Inland eingesetzt. Anstatt die Bundeswehr weiter auszubauen, fordern wir ihre Umwandlung in einen zivilen Katastrophenschutz unter Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung. Kein Mensch, kein Cent für ihre Kriege, dafür gegen den Klimawandel!

Besonders in Deutschland ist die Verteidigung antiimperialistischer Forderungen zentral, denn unser Kampf gegen den Hauptfeind im eigenen Land – den deutschen Imperialismus, die deutsche Rüstungsindustrie und die deutsche Bourgeoisie – ist essentiell für die Befreiung auf der ganzen Welt. Wir werden nicht über die Interessen, die hinter diesen Kriegen stehen, schweigen. Denn jeder Schritt weg von unserem antiimperialistischen Programm bedeutet mehr Krieg und Elend für die Massen in unterdrückten Ländern.

Um diese Forderungen umzusetzen, braucht die Antikriegsbewegung in Deutschland nicht nur klare Forderung, sondern auch die politische Kraft, um diese durchzusetzen. Dass diese antimilitaristische Forderungen Massen ansprechen können, haben wir bereits mit den Mobilisierungen gegen den Irak-Krieg 2003 gesehen. Das ist auch heute möglich – und notwendiger denn je. Deshalb wollen wir schon jetzt damit beginnen, eine Organisation aufzubauen, die diese Forderungen nicht nur vertritt, sondern wollen mit unserer Zeitung auch einen Kampf dafür führen, diese wieder unter den Massen populär zu machen.

LINKE-Führung für Krieg, ihre Basis dagegen?

Auch in der LINKEN gibt es große Debatten um die Frage des Imperialismus. Seit einigen Monaten diskutiert die LINKE nun bereits, ob sie ihre antimilitaristischen Positionen, etwa bei der Frage der NATO oder bei Auslandseinsätzen, entschärfen sollte. Der Hintergrund ist, dass es der Linkspartei nicht gelingen wird, in die Bundesregierung zu kommen und in der Regierung dem deutschen Großkapital zu dienen, ohne dass sie diese Positionen aufgibt. Denn für das Kapital ist die Ausbeutung der Rohstoffe der Halbkolonien und die Schaffung neuer Absatzmärkte essentiell.

Der sicherheitspolitische Sprecher der Linksfraktion Matthias Höhn brachte einen Antrag auf dem diesjährigen Parteitag ein, der für einen Verbleib in der NATO, einen Ausbau der Bundeswehr, sowie eine Zustimmung zu Auslandseinsätzen plädierte. Damals wurde der Antrag von der großen Mehrheit der Mitglieder abgelehnt. Heute relativieren die Parteispitze und die Bundestagsfraktion selbst die damalige Entscheidung, indem sie sich bei der Abstimmung über den bewaffneten Auslandseinsatz in Afghanistan enthielten.

Erst kürzlich sagte Katja Kipping bei Markus Lanz, dass ein Austritt aus der NATO nie eine Koalitionsbedingung für die LINKE gewesen sei. Im Wahlprogramm hieß es zuerst, dass man die Auslandseinsätze beenden wolle, dies jedoch nicht als Bedingung für eine Regierungskoalition stelle.

Mit dem neuesten “Sofortprogramm” hat die Linksparteiführung jetzt offiziell auch ihren Willen, den deutschen Militarismus zu unterstützen, offengelegt und damit ihre Basis verraten. Anstatt die Auflösung von NATO und den Stopp aller Rüstungsexporte zu fordern, fordert die Partei jetzt nur einen Stopp der Lieferungen in Krisengebiete. Sie wollen die Auslandseinsätze nicht direkt beenden, sondern sie lediglich “auf den Prüfstand stellen”.

Die Kriegseinsätze werden vom bürgerlichen Lager als eine gewisse Notwendigkeit des “Humanitarismus” dargestellt. “Wer sich dort humanistischen Werten verschrieb, dem geht es an den Kragen” schrieb die FAZ zu Afghanistan. Doch worin besteht der Humanitarismus des deutschen Imperialismus? Etwa im Einsatz in Afghanistan, als am 4. September 2009, deutsche Offiziere über 100 afghanischen Zivilist:innen massakriert haben, indem sie das US-Bombardement eines Tanklasters anordneten? Oder darin, dass die Grünen den Putsch in Bolivien unterstützt haben, um Rohstoffe zu sichern? In den militärischen Interventionen Deutschlands geht es eindeutig darum, die Interessen der Konzerne und der Kapitalist:innen durchzusetzen. Keiner der deutschen Kriegseinsätze hat die versprochene Demokratie gebracht. Sie haben nur Tod, Hunger und Elend für die unterdrückte Bevölkerung gebracht und reaktionäre politische Gruppen, wie die Taliban oder auch den Islamischen Staat (IS) gestärkt.

Die LINKE und Palästina

Wie weit die Führung der LINKEN sich mit dem deutschen Imperialismus arrangieren kann, ist bereits in der Frage des Anti-Zionismus zu erkennen. Das Statement von Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler von DIE LINKE steht exemplarisch für ihre Vermeidung von politischen Kämpfen: Für die Gründung Israels seien die Politik und Folgen des Faschimus verantwortlich, daher gebe es an der deutschen Staatsräson der Solidarität mit Israel nichts grundlegendes zu rütteln. Damit betreibt die Parteiführung einen Geschichtsrevisionismus und verharmlost den Siedlungskolonialismus.

Wie wir bereits in “Nakba-Tag: 73 Jahre Besatzung und Ethnische Säuberung durch Israel” dargestellt haben, war der Holocaust zwar ein Grund für neue Einwanderungswellen nach Palästina aber nicht der Grund für die Konzeption des israelischen Siedlungsprojekts der bürgerlich-zionistischen Kräfte in der Region. Die Bestrebungen zur Staatsgründung Israels bestanden bereits vor dem Genozid und erhielten die Unterstützung des britischen Imperialismus.
Darüber hinaus werden in der Erklärung die Verteidigungsmaßnahmen der palästinensischen Widerstandsbewegung mit Israels militärischen Angriffen gleichgesetzt. Das Narrativ, Israel müsse einen Überlebenskampf führen, wird wortwörtlich aufgenommen und verbreitet. Dabei handelt es sich hierbei um den militärisch stärksten Staat in der Region, ausgerüstet mit einem hochmodernen Raketenabwehrsystem, der Palästinenser:innen in einem Freiluftgefängnis einsperrt und jegliche Unterstützung unterbindet. Wer den Krieg einer hochgerüsteten Besatzungsmacht mit der Verteidigung eines unterdrückten Volkes gleichsetzt, will keinen Frieden, sondern die Fortsetzung der Besatzung unter “humanitären” Bedingungen.

Die Anpassung an den Imperialismus und die Solidarität mit dem Siedler:innenstaat Israel lehnen wir ab. Kein Volk kann frei sein, während es ein anderes unterdrückt. Dem entgegen stellen wir die Perspektive der permanenten Revolution in der gesamten Region: „Es braucht eine Einheit der palästinensischen, jüdischen sowie der internationalen Arbeiter:innenklasse, um den Rauswurf aller imperialistischen Kräfte aus der Region und eine sozialistische Föderation Westasiens als Perspektive aufzustellen. Die Befreiung ist nur möglich, wenn die Arbeiter:innen in imperialistischen Zentren sich mit dem Kampf der unterdrückten Völker zusammenschließen. Es braucht eine internationale revolutionäre Organisation, die das Programm der Befreiung von Ausbeutung und nationaler Unterdrückung vorantreibt.“

Gegen Krieg zu sein, heißt gegen Rot-Rot-Grün zu sein!

Die inneren Widersprüche des deutschen Imperialismus, das Projekt der Grünen Erneuerung des Kapitalismus und die Suche nach neuen Absatzmärkten wollen die bürgerlichen Parteien von CDU bis zu den Grünen durch imperialistische Interventionen lösen. Auch die SPD steht ohne Frage auf der Seite des Krieges. Während die Führung der LINKEN ihre antimilitaristischen Positionen aufweicht und sich der herrschenden Politik unterordnet, gibt es an ihrer Basis viele ehrliche Genoss:innen, die diesn Anpassung ganz und gar nicht gut finden und sich klar gegen Krieg und Militarismus positionieren. Wir bieten deshalb all denjenigen Genoss:innen einen gemeinsamen, politischen Kampf gegen den Kriegskurs ihrer verräterischen Spitzenkandidat:innen an, die linke Positionen über Bord werfen, um sich selbst Minister:innenposten zu sichern.

Die Anpassung an die militaristische Politik der Bourgeoisie, wie sie bei den Grünen und der SPD zu finden ist, darf keine Option sein. Deshalb rufen wir alle Genoss:innen in der LINKEN auf, sich gegen eine rot-rot-grüne Regierung und die Anpassung der Spitzenkandidat:innen in solchen Frage zu stellen.

All jenen, die ehrlich für den sofortigen und bedingungslosen Rückzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen und für die sofortige Auflösung der NATO kämpfen wollen, bieten wir an, sich mit uns zu organisieren. Lasst uns zusammen notwendige Kämpfe, wie den für eine freies, multi-ethnisches Palästina führen. Wir wollen schon heute eine Kraft aufbauen, die diese Forderungen auf die Straße und in die verschiedenen Kämpfe – von der Umweltbewegung bis zu Streiks in den Schlüsselindustrien – trägt. Wir nehmen uns vor, gemeinsam mit all jenen, die eine solche Perspektive erkämpfen wollen, Schritte in Richtung einer Einheit der revolutionären Linken zu gehen, die mit der reformistischen Linken bricht. Auch um für die nächsten Wahlen eine Organisation zu schaffen, die das Parlament als Bühne nutzt um diese Forderungen populär zu machen.

Mehr zum Thema