Kundus: Europäischer Persilschein für blutigsten deutschen Angriff seit 1945

16.02.2021, Lesezeit 3 Min.
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Quelle: Wikimedia Commons

Heute entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass der deutsche Luftangriff im afghanischen Kundus 2009 hinreichend aufgeklärt wurde. Mehr als 100 Menschen wurden in diesem blutigsten deutschen Einsatz seit dem Zweiten Weltkrieg getötet. Alles, was die Hinterbliebenen bekommen haben, sind Einmalzahlungen von 5000 Dollar als Ausgleich für den Mord an ihren Freund:innen und Familienmitgliedern.

Im September 2009 ordnete Bundeswehr-Oberst Georg Klein einen Luftangriff durch US-amerikanische Kampfflugzeuge auf zwei von den Taliban entführten Tanklastern an – trotz gerade erlassenen Einsatzregeln der Afghanistan-Angriffstruppe ISAF, Luftangriffe möglichst zu unterlassen. Es wird vermutet, er hätte sich gern damit rühmen wollen, möglichst viele Taliban ermordet zu haben. Zu einem drastischen Preis:

Mehr als 100 Menschen verloren bei diesem Anschlag ihr Leben, darunter unzählige Zivilist:innen, die sich an den Tanklastern mit Treibstoff eindecken wollten. Wie viele Menschen genau ermordet wurden, ist bis heute unklar. Der Angriff gilt als der blutigste deutsche Einsatz seit dem Zweiten Weltkrieg.

Abdul Hanan, dessen zwei Söhne bei diesem Luftangriff ermordet wurden, klagte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – er konnte nicht gegen den Angriff an sich klagen, sondern nur wegen der Aufklärungspflicht Deutschlands zu diesem. Hanan warf Deutschland Menschenrechtsverletzungen vor: Er ist der Meinung, der Fall wäre nicht ausreichend juristisch aufgearbeitet worden. Entschädigungsklagen von ihm und anderen Hinterbliebenen scheiterten bereits vor deutschen Gerichten. Die Bundesregierung war der Meinung, eine Auszahlung von je 5000 Dollar, die lächerlicherweise als “humanitäre Hilfeleistung” bezeichnet wird, wäre genug, um den Mord an ihren Familienmitgliedern auszugleichen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beschloss heute, dass die deutsche Justiz in diesem schweren Fall genug ermittelt hätte. Die Entscheidung ist endgültig, es gibt keine Möglichkeit zur Beschwerde.

Gewollter Krieg

Dass durch Auslandseinsätze der deutschen Bundeswehr Zivilist:innen ermordet werden, ist nicht selten – solche Einsätze bleiben nun mal Krieg. Ein durch alle regierenden Parteien gewollter Krieg. Bundesaußenminister Heiko Maaß (SPD) forderte erst am Wochenende ein neues Mandat für den Einsatz Afghanistan, der eigentlich am 30. April dieses Jahres enden soll. Auch die Grünen befürworten Krieg, drücken dies aber so aus, dass es leichter von der Zunge geht und die Wähler:innen für die kommende Bundestagswahl nicht abschreckt: Unter der auf den ersten Blick so progressiv klingenden Bezeichnung “feministische Außenpolitik” versteckt sich nichts anderes als andere Länder in wirtschaftliche Abhängigkeit zu bringen und zu zerbomben, alles für mehr Profite.

Auch bei der Linkspartei sieht es nicht anders aus: Susanne Hennig-Wellsow, die für den Parteivorsitz kandidiert, versichert in einem Interview mit der taz, dass sie nicht gegen UN-mandatierte Auslandseinsätze ist. Eine Partei, die sich nicht gegen Imperialismus stellt und in den Bundesländern, in denen sie Teil der Regierung ist – Berlin, Thüringen, Bremen – die antisoziale, arbeiter:innenfeindliche Politik fleißig mitverantwortet, bietet keine Hoffnung für den Kampf gegen Krieg und Kapitalismus.

Imperialistische Kriege können nicht durch kapitalistische Parteien gestoppt werden – was wir brauchen ist eine vereinte, revolutionäre Partei der Arbeiter:innenklasse.

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