Nakba-Tag: Besatzung und ethnische Säuberung durch Israel

15.05.2021, Lesezeit 10 Min.
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shutterstock.com / Ryan Rodrick Beiler

Der 14. Mai markiert den Jahrestag der Gründung des israelischen Staates. Seit Montag bombardiert die israelische Luftwaffe den Gazastreifen: mit unzähligen Sachschäden und mehr als 40 Toten. Währenddessen versucht der Kolonialstaat Israel wieder einmal, sich der Welt als Opfer zu präsentieren und seine wahre Rolle als Unterdrücker des palästinensischen Volkes zu verbergen. Hintergründe zur Staatsgründung von Israel und zum Tag der "Nakba".

Israel führt einen brutalen Angriff auf den Gazastreifen durch, mit der Folge der Ermordung von etwa fünfzig Menschen, darunter 11 Kinder, unter dem Vorwand, auf den Abschuss von Raketen durch die Hamas im Gazastreifen in Richtung israelischer Grenzstädte zu reagieren, die später Jerusalem und Tel Aviv erreichten. Diese haben jedoch unendlich geringere Kapazität, Schaden anzurichten, im Vergleich zu den vom zionistischen Staat abgeworfenen Bomben.

Was Israel und alle seine Verteidiger in der Welt verschweigen, ist, dass die Reaktion der Hamas in diesen Tagen ihren Ursprung in der brutalen Repression hat, die die israelische Polizei in der Nähe der Al-Aqsa-Moschee ausübt und die sich vor allem gegen junge Palästinenser:innen richtet. Die Ausrede war „Gesundheitsschutz“, während die „westliche und christliche“ Welt propagiert, dass Israel die Pandemie beendet hat. Die andere Tatsache, die hinzukam, ist die versuchte Vertreibung palästinensischer Familien aus dem Viertel Sheikh Jarrah in Ost-Jerusalem als Teil eines mittel- und langfristigen Plans, diesen Teil der Stadt zu judaisieren und die dort lebenden palästinensischen Bewohner:innen zu vertreiben. Die Absicht ist, dass sich in wenigen Jahren das Verhältnis von jüdischen zu arabischen Einwohnern umkehren wird.

Das geschah in den Städten, die heute den Staat Israel ausmachen, zum Beispiel in Tel Aviv, wo vor 1948 der Anteil der dort lebenden Juden bei 30 Prozent lag. Heute stellen die Palästinenser:innen in dieser Stadt nur noch 25 Prozent der Bevölkerung dar.

Dies ist der Rahmen für die ununterbrochenen Angriffe auf den Gazastreifen, während in den Städten die Palästinenser:innen von jüdischen Siedler:innen belagert werden und es täglich zu Zusammenstößen kommt. Vor 73 Jahren erklärte David Ben Gurion im Jahre 1948 mit der Zustimmung der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs einseitig die Verfassung des Staates Israel. Für die Palästinenser:innen begann am nächsten Tag die Nakba (Katastrophe).

Die Ursprünge

Die Schaffung des Staates Israel erfolgte künstlich, weil es eine jüdische Minderheit war, die dieses Land bewohnte, sogar seit der britischen Besatzung, die das Gebiet seit vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs beherrschte und die während dieser Jahre die Bevölkerung jüdischer Herkunft „einpflanzte“. England wurde als Besatzungsmacht vom Völkerbund (imperialistische Institution, Vorgänger der Vereinten Nationen -UN-) „gebilligt“, der dieser Kolonie 1922 den Status eines „Protektorats“ verlieh und ihr eine „legale“ Verwaltung gewährte. Damals, am Ende des Ersten Weltkriegs, ging es um die Verteilung der Kolonien und der „Einflusssphären“ der Märkte. Bei dieser Verteilung der Beute blieb England das Gebiet, das es bereits seit 1915 beherrschte, Palästina.

Britische Herrschaft in Palästina

Aber um die arabischen nationalistischen Bewegungen, die sich gegen die Unterdrückung durch das Osmanische Reich erhoben hatten, zu neutralisieren, förderte England 1917 die Erklärung von Lord Balfour (britischer Außenminister), in der er sich für die „Schaffung einer jüdischen nationalen Heimstätte“ im „britischen Mandatsgebiet Palästina“ aussprach. Diese Erklärung wurde an Lionel Walter Rothschild, ein zionistisches Mitglied der boomenden britischen Finanzbourgeoisie, adressiert, um sie der Zionistischen Föderation bekannt zu machen. Die unmittelbare Folge davon war der Zustrom von Tausenden jüdischen Siedler:innen nach Palästina. Die Zionist:innen kauften den palästinensischen Bäuer:innen für wenig Geld Land ab, und wenn diese sich wehrten, zögerten sie nicht, zur Gewalt zu greifen.

Arabische Führer treten Palästina ab

Diese Politik der Besetzung von Land, das ihnen ursprünglich nicht gehörte, war die große Übereinkunft zwischen dem Zionismus und den imperialistischen Mächten, speziell in diesem Fall England hatte aber die Komplizenschaft von Mitgliedern der „königlichen“ arabischen Familien, wie im Fall von Faisal Husain, einem Mitglied der Familie der Haschemiten. Husain war ein nationalistischer Anführer der arabischen Rebellion (1916/1920) gegen das Osmanische Reich gewesen. Sein Projekt war ein arabischer Staat, gegründet auf der Basis einer konstitutionellen Monarchie in den damals als Syrien bekannten Gebieten, die das heutige Syrien, den Libanon, Jordanien, den Staat Israel und die besetzten Gebiete umfassten. Da dieses Projekt mit den Bestrebungen der imperialistischen Mächte zur Aufteilung der Märkte kollidierte, wurde Faisal mit Frankreich konfrontiert, das durch diese imperialistische Aufteilung Nordsyrien (Libanon und Syrien) besaß. Er wurde von den französischen Besatzern aus Syrien vertrieben, die in diesem Gebiet ein Blutbad anrichteten, was ihn zu Abkommen mit England und mit dem Zionismus veranlasste, da er das sichtbare Gesicht der arabischen Monarchie war, die auch das Land Palästina für sich beanspruchte.

1919 unterzeichnete Faisal ein Abkommen mit dem Zionismus, vertreten durch seinen Führer Jaim Weizmann (der später der erste Präsident des Staates Israel wurde), in dem er ihr Recht auf Masseneinwanderung in palästinensisches Land anerkannte, einfach im Austausch für religiöse Gleichheit und muslimische Kontrolle über die heiligen Stätten des Islams und zur Förderung der Errichtung eines arabischen Staates der Palästina ausschloss. Wenige Monate nach der Unterzeichnung des Abkommens nutzt der Zionismus die Pariser Konferenz (das Treffen, bei dem die Siegermächte die Bedingungen besprachen, die den besiegten Ländern des Ersten Weltkriegs auferlegt werden sollten), um ein rein jüdisches Palästina zu fordern.

Die Situation der Juden:Jüdinnen in Europa, aus der der Zionismus hervorging

Diese Politik des „Ergreifens“ von Territorium setzte sich fort und in der ersten Hälfte der 30er-Jahre erließ England ein Dekret, das anordnete, jedem Land zu geben, der einen Turm und eine Palisade besaß. Zionist:innen errichteten daher in wenigen Monaten Türme und Palisaden und wurden damit zu „Besitzer:innen“ von riesigen Hektarflächen. Zur gleichen Zeit errichteten die sogenannten „linken“ Zionist:innen „sozialistische“ Kolonien (die so genannten Kibbuzim), die in Wirklichkeit Militärlager waren, die die Kommunikation zwischen den palästinensischen Dörfern behinderten. Das heißt: Die imperialistischen Mächte, damals mit England an der Spitze und der Zionismus, bedienten sich eines verfolgten Volkes wie dem Judentum, das schon im späten 19. Jahrhundert gezwungen war, vor den Pogromen zu fliehen, die sie zu Tausenden töteten, vor allem in Mittel- und Osteuropa, wo die bürgerliche Entwicklung rückständiger war, im Gegensatz zu Westeuropa, dessen bürgerliche Revolutionen in England, Frankreich und den Niederlanden die Integration und allmähliche Assimilation der Jüd:innen ermöglichten.

Diese Rückständigkeit der osteuropäischen Bourgeoisie als gesellschaftliche Kraft trieb die Juden und Jüdinnen in die Proletarisierung ins Elend und zwang sie, in Gettos zu leben. Sie waren praktisch die letzte Sprosse ihrer Gesellschaft geworden, und das diente der Bourgeoisie dazu, sie zu Sündenböcken für die Leiden der Massen zu machen. Die Pogrome hatten als ihr Geburtszeichen diese perfide und mörderische Politik der Bourgeoisien. Und der Zionismus, der sich zu dieser Zeit (1897) auch als politische Bewegung eines kleinen Sektors der jüdischen Bourgeoisie zu entwickeln begann, um sein Projekt eines jüdischen Staates zu verwirklichen, hatte keine Skrupel, sich mit der zaristischen Autokratie, die diese Pogrome und antisemitischen Kampagnen durchführte, zu treffen und Vereinbarungen festzulegen.

Der Zarismus wollte, dass die zionistischen Anführer:innen viele Jüd:innen davon überzeugen, ihre Militanz in den Arbeiter:innenparteien aufzugeben. Erinnern wir uns daran, dass es diese schrecklichen Lebensbedingungen waren, unter denen sich Tausende und Abertausende von Jüd:innen befanden, die die revolutionäre Militanz hervorbrachten, wobei marxistische Anführer:innen wie Leo Trotzki, Rosa Luxemburg, David Rjasanow, Lew Kamenew und eine lange Reihe anderer hervorstachen. Dann, im Laufe der Jahrzehnte, kam der Nationalsozialismus und die Vernichtung von über 6 Millionen Juden und Jüdinnen in Konzentrationslagern. Dies wurde von den Siegermächten wie England und vor allem den Vereinigten Staaten, die aus dem Krieg als Hegemonialmacht hervorgingen, genutzt, um den Grundstein für eine reaktionäre Politik zu legen, die in der Gründung des Staates Israel ihren Ausdruck fand. Und wir sprechen von denselben Mächten, die ihre Grenzen für die Abertausende von Juden und Jüdinnen geschlossen hatten, die vor dem Nationalsozialismus flohen.

1948: das Jahr der Nakba

Der Zionismus und der britische Imperialismus mussten schließlich den palästinensisch-arabischen Aufstand, der zwischen 1936 und 1939 stattfand, in Blut und Feuer niederschlagen, um 9 Jahre später ihren rassistischen Staat endgültig auszurufen. Ein Staat, der immer absolut funktional für die Interessen des Imperialismus war, mit dem Ziel, die unterdrückten arabischen Völker des Nahen Ostens zu unterjochen, und der auch heute, mit den geopolitischen Veränderungen der letzten Jahre, weiterhin dasselbe strategische Ziel erfüllt.

Ein Jahr zuvor, 1947, legten die Vereinten Nationen die Teilung Palästinas fest und traten 52 Prozent des Territoriums an den Zionismus ab. Die zionistischen Milizen griffen ein und verübten ein Massaker. Diesmal löschten sie 500 Dörfer von der Landkarte und zwangen etwa eine Million Menschen ins Exil. Ein Exil, das sich im Laufe der Jahre auf mehr als sieben Millionen Geflüchtete ausweiten würde, denen nicht einmal das Recht auf Rückkehr in ihr Land gewährt wird.

Es ist bekannt, dass palästinensische Frauen einen Schlüssel mit sich tragen, der von Generation zu Generation weitergegeben wird und der den Schlüssel zu den Türen ihrer Häuser darstellt, aus denen sie 1948 mit ihren Familien vertrieben wurden.

Das ist die Grundlage für die Gründung des “jüdischen” Staates, der die Zustimmung von Stalin im Einvernehmen mit dem US-Imperialismus hatte (jedes Jahr stimmen die USA in ihrem Staatshaushalt über den Prozentsatz ab, der für Israel bestimmt sein wird).

Jener Staat Israel, der bis vor nicht allzu vielen Jahren in seinen Gesetzen einen Artikel hatte, der die Folterung von Gefangenen erlaubte, um „für die nationale Sicherheit zu kämpfen“.

Die große Mehrheit der ursprünglichen Bewohner:innen des Landes, in dem dieser Staat jetzt steht, wurde gezwungen, dort zu leben, was später das größte Freiluftgefängnis im heutigen Gazastreifen werden sollte. Die Palästinenser:innen haben auch das Westjordanland als eigenes Gebiet inne. Sie etablierten eine Politik, die den Bantustans des Südafrikas während der Apartheid sehr ähnlich war. Die beiden Gebiete umfassen etwas mehr als 6.100 Quadratkilometer, in denen etwas mehr als 5 Millionen Palästinenser:innen leben. Aber es sind getrennte Territorien und in der Mitte steht eine der mächtigsten Armeen der Welt, die israelische. Diese Verteilung und geografische Trennung ist es auch, die die Politik der Bildung eines palästinensischen Staates neben dem Staat Israel utopisch macht. Was für ein Staat kann ohne Verbindung zwischen seinen Territorien und ohne Kontrolle über die natürlichen Ressourcen aufgebaut werden?

Wie man einen echten Staat erreicht, der Araber:innen und Jüd:innen beherbergen kann

Dies spricht von einem theokratischen Staat, der diejenigen ausgrenzt, die sich nicht zur jüdischen Religion bekennen – Ausgenommen sie die Überlegungen über die katholische Kirche, die ihre Stimme übrigens weder erhob, als Jüd:innen von Pogromen verfolgt, noch als sie dem Nationalsozialismus zu Opfer fielen, und sich seit Jahren mit dem hebräischen Staat um seine katholischen Gemeinden streitet.

Ein Staat, der sogar seine säkularen Bürger:innen zunehmend „einhegt“, denn jede Woche werden beispielsweise Beschlüsse von Ministerien wie dem Bildungsministerium erlassen, die anordnen, dass in Kindergärten und Grundschulen kein Arabisch mehr unterrichtet und nur noch Hebräisch gesprochen werden soll, oder dass Theaterstücke in den besetzten Gebieten ausgestellt werden müssen, obwohl viele israelische Künstler:innen, die mit der Besatzung nicht einverstanden sind, dies ablehnen.

Deshalb werden wahrer Frieden und ein wahrer Staat, in dem Araber:innen und Jüd:innen in voller Gleichberechtigung zusammenleben können, nicht möglich sein, solange es einen zionistischen Staat gibt, der derzeit die größte Waffen- und Atommacht in der Region ist. Ein Staat, der die arbeitenden Menschen beherbergt, unabhängig davon, ob sie sich zur muslimischen, jüdischen, christlichen oder keiner Religion bekennen, kann durch ein proletarisches und sozialistisches Palästina erreicht werden, das sein gesamtes historisches Territorium umfasst und die Notwendigkeit einer Föderation der Arbeiter:innenrepubliken Westasiens-nahen Ostens verteidigt. Eine Aufgabe, die von der Arbeiter:innenklasse und dem Bauerntum der ganzen Region übernommen werden muss.

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