Schwarz-Gelb will Polizeiwillkür in NRW gesetzlich verankern

26.01.2021, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Alexandros Michailidis / Shutterstock

Die von CDU und FDP geführte Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will am Mittwoch einen Entwurf für ein neues Versammlungsgesetz in den Landtag einbringen. Der vorgelegte Entwurf versucht nicht einmal zu vertuschen was er ist: Ein Angriff auf die Versammlungsfreiheit und ein Weg um der Polizei neue Werkzeuge zur Repression von Demonstrierenden an die Hand zu geben.

Im Düsseldorfer Landtag soll am kommenden Mittwoch über einen von der schwarz-gelben Landesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf für ein Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen diskutiert werden. Auch wenn der Entwurf nach der Landtagssitzung noch etliche parlamentarische Institutionen durchlaufen muss bevor das Gesetz beschlossen werden kann, ist die von CDU und FDP eingeschlagene Richtung klar: Mehr Rechte für die Polizei, mehr Auflagen und Strafen für Demonstrant:innen. Ein Blick auf die Details des Gesetzentwurfs zeigt den enormen Umfang an Einschränkungen, die Protest kriminalisieren und Versammlungsrechte beschneiden sollen.

In dem fast hundert Seiten langen Text finden sich gleich mehrere neue Begrifflichkeiten, die Demonstrationen in Zukunft stark beeinflussen werden. Zunächst will die schwarz-gelbe Landesregierung ein sogenanntes “Militanzverbot” (§18) einführen. Das bedeutet, dass es in Zukunft verboten sein soll eine Veranstaltung “zu veranstalten, zu leiten oder an ihr teilzunehmen, wenn diese infolge des äußeren Erscheinungsbildes”, also durch das Tragen von Uniformen, durch “paramilitärisches Auftreten”, oder “in vergleichbarer Weise, Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt.” Offensichtlich ist besonders die Formulierung der “vergleichbaren Weise” extrem schwammig und kann je nach Auslegung sowohl uniformierte Neonazis treffen, aber auch Gruppierungen, wie Ende Gelände oder schwarz gekleidete Antifaschist:innen. Letztlich soll es in der Hand der Polizei liegen zu entscheiden, ob ein paar Menschen mit schwarzen Pullovern, die nebeneinander laufen “Gewaltbereitschaft vermitteln” und sich somit strafbar machen. Die Formulierung legt die komplette Entscheidungsgewalt in die Hand der Polizei und öffnet die Tür für die willkürliche Kriminalisierung von Protestierenden.

Neben dem Militanzverbot soll außerdem ein “Störungsverbot” (§7) festgeschrieben werden. Damit könnte jede:r der “androht” eine nicht-verbotene Versammlung stören zu wollen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe belangt werden. Auch hier ist die Auslegung komplett offen: Es ist aber davon auszugehen, dass es in Zukunft möglich sein wird sich für Produktion und Verbreitung von Flyern, Plakaten oder ähnlichem Material, was beispielsweise zu “Nazis blockieren!” aufruft, strafbar zu machen. Aber das “Störungsverbot” geht noch weiter. Es sollen sogar die von Antifa-Gruppierungen regelmäßig veranstalteten Blockadetrainings verboten werden. Im Gesetzesentwurf heißt es dazu: “Die Vorbereitung oder Einübung von Störungshandlungen ist auch dann verboten, wenn ein konkretes Versammlungsgeschehen nicht absehbar ist. Zusammenkommen müssen vielmehr lediglich eine subjektive Verhinderungsabsicht und objektiv Handlungen, die die Durchführung der Versammlung behindern können.” Das Gesetz sieht also vor Trainings sogar dann zu verbieten, wenn sie in keiner konkreten Verbindung zu einer stattfindenden Versammlung durchgeführt werden, und das obwohl die Trainings in aller erster Linie dem Selbstschutz der Demonstrierenden dienen, die sich Neonazis in den Weg stellen wollen.

Aber nicht nur den Teilnehmer:innen von Protestaktionen soll das Leben in Zukunft schwerer gemacht werden, auch Anmelder:innen sind von dem neuen Versammlungsgesetz betroffen. Sollte das Gesetz in dieser Fassung in Kraft treten, muss zukünftig der oder die Anmelder:in einer “öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel” in einer nicht näher bestimmten “Einladung” für die Veranstaltung, seinen oder ihren Namen angeben müssen (§4-6). Das Gesetz würde damit diejenigen in Gefahr bringen, die Versammlungen gegen rechte Aufmärsche oder ähnliches organisieren, indem sie genötigt werden ihren Klarnamen öffentlich zu machen und sich damit der Verfolgung durch Neonazis ausliefern.

Der Katalog an Verboten und Einschränkungen für Demonstrierende ist also erkennbar lang und in der Tiefe der Einschränkungen gravierend. Aber während die Rechte von Teilnehmer:innen minimiert werden planen CDU und FDP in NRW gleichzeitig eine massive Ausweitung der polizeilichen Befugnisse im Rahmen von Demonstrationen.

Die Polizei soll, um “Straftaten zu verhüten” die Möglichkeit bekommen, bei jeder Versammlung nach ihrem eigenen Ermessen Kontrollstellen (§15) einzurichten, bei denen es ihr erlaubt ist Sachen und Personen zu kontrollieren, sowie Identitäten festzustellen. Die Praxis ist bereits von anderen Polizeikontrollen bekannt: Wer auch nur ansatzweise szenetypisch gekleidet ist, oder an gelangweilten Polizeibeamt:innen vorbeiläuft, kann kontrolliert werden. Doch nicht nur diese Neuerung soll es der Polizei leichter machen Menschen herauszugreifen, die ihr nicht passen. Wenn die Polizei der Meinung ist, von einer Person würde eine “erhebliche Gefahr” ausgehen, darf sie von dieser gezielt Film und Ton Aufnahmen (§16) machen. Außerdem sollen die sogenannten “Übersichtsaufnahmen” (§16) erlaubt werden, die zur „Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes“ eingesetzt werden sollen, wenn dies „wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich ist“. In der Praxis hätte die Polizei in beiden Fällen aufgrund der schwammigen Formulierungen komplett freie Hand über die aus ihrer Sicht notwendigen Maßnahmen willkürlich zu entscheiden, um gegen eine Demonstration vorzugehen. Mit Sicherheit wird es aus sicht der Einsatzleitung keine zehntausenden Teilnehmer:innen brauchen, damit eine Demonstration “unübersichtlich” wird und Übersichtsaufnahmen angefertigt werden dürfen.

Unter dem Vorwand der “Extremismusbekämpfung” will die nordrhein-westfälische Landesregierung mit diesem Gesetzesentwurf vielfältige Protestformen kriminalisieren und von der Polizei aus dem Weg räumen lassen. Ende Gelände Aktivist:innen in ihren Maleranzügen, Antifa-Gruppen und Blockadenteilnehmer:innen, die sich jedes Jahr gegen etliche Naziaufmärsche zur Wehr setzen, werden von diesem in Gesetzesform gegossenen Hufeisen akut bedroht. Die Vorstellung die Umzüge vom III. Weg und Konsorten besser kontrollieren zu können, indem man genau die Institution stärkt, in deren Reihen fast jeden Tag eine neue rechtsextreme Chat-Gruppe gefunden wird, wirkt zwar absurd, ist aber politisches Kalkül.

Anstatt die eigenen Sicherheitsbehörden aufzuräumen werden ihre Befugnisse erweitert um mit einem Schlag gegen stärker werdende Bewegungen, wie z.B. Ende Gelände, und schon lange bestehende antifaschistische Strukturen vorgehen zu können. Das Gesetz stellt am Ende nichts anderes dar als eine massive Beschränkung des Versammlungsrechts, nicht nur mit dem, was der Text allen Aktivist:innen direkt ins Gesicht ruft, sondern auch mit der unübersehbaren Drohung zwischen den Zeilen: Überleg dir gut, ob du wirklich auf die Straße gehen willst.

Dieser Gesetzesentwurf reiht sich nahtlos ein in das Klima der inneren Aufrüstung innerhalb der Bundesrepublik. Neben verschärften Polizeiaufgabengesetzen, der sich ausweitenden Zensur, wie beispielsweise durch das Verbot von indymedia, oder durch die Prüfung des Verbots von Antifa-Gruppierungen durch den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD), sollen Aktivist:innen eingeschüchtert und Kritik an den herrschenden Verhältnissen mundtot gemacht werden. Mehrere Gruppierungen in NRW kündigten bereits ihren Protest gegen das geplante Gesetzesvorhaben an. Und ein solcher, entschlossener Kampf wird notwendig sein, um die fortschreitende Minimierung der Rechte von Demonstrierenden aufzuhalten. In Zeiten multipler Krisen des Kapitalismus und der sich verschärfenden Klassengegensätze gibt die Gegenseite ganz offen zu, was sie mit diesem Gesetz will: Wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärt, braucht es ein “Gesetz, das zur heutigen Zeit und zu den Menschen passt.“ Ein Gesetz also, dass die Repressivkräfte des bürgerlichen Staates dafür ausrüstet die kommenden Proteste und die sie tragenden Menschen zu unterdrücken.

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