Revolutionärer Bruch: Der Funke will den Marxismus gatekeepen

19.03.2023, Lesezeit 15 Min.
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Fahnen vom Funken beim 1. Mai in München, 2022, Foto: Simon Zinnstein / Klasse Gegen Klasse

In einer Polemik wirft der Funken dem Revolutionären Bruch ein „falsches theoretisches Verständnis des Marxismus und der revolutionären Strategie“ vor. Wir erklären, warum der Funke sich damit gewaltig irrt.

Am 14. Januar fand in Berlin die Konferenz der Fraktion Revolutionärer Bruch statt. Die Fraktion gründete sich aus Mitgliedern der Linksjugend und LINKE Anfang Oktober vergangenen Jahres und zog eine politische Bilanz der Partei. Auf der Konferenz wurden verschiedene Strategien diskutiert, theoretische Workshops angeboten und die Notwendigkeit gezogen, dass die LINKE für die Arbeiter:innenklasse keine politische Heimat mehr sein kann. Neben Mitgliedern der Fraktion haben die Revolutionär Internationalistische Organisation (RIO), die Revolutionär-Sozialistische Organisation (RSO), die Gruppe Arbeiter:innenmacht (GAM), die Jugendorganisation REVOLUTION, Palästina Spricht, Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht (BAGA), internationale Gäste aus Frankreich von Révolution Permanente (RP) und der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) sowie Vertreter:innen von der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands und des Funken teilgenommen. Letztere zog nun nach zwei Monaten eine Bilanz und schlussfolgert, dass ein Bruch mit der LINKEN „fatal“ und „grundlegend falsch sei“.

Reformismus, Zentrismus und Entrismus

In ihrem Artikel argumentiert der Funke richtig, dass reformistische Parteien das System nicht überwinden, sondern verwalten wollen. Auch der sogenannte linke Flügel dieser Organisationen kritisiert den Kapitalismus meist nur in Worten, doch lässt eine revolutionäre Strategie vermissen. Dies zeigt sich im Fall der LINKEN zum Beispiel in der Behauptung großer Teile des linken Flügels, man könne „rebellisch“ regieren und so auf „linke“ Art und Weise den bürgerlichen Staat verwalten. Der Funke zieht daraus den richtigen Schluss, dass der Reformismus auf die Krise keine Antwort bieten kann. Es ist die Aufgabe der Arbeiter:innenklasse das System zu stürzen. Doch anstatt für den Aufbau einer revolutionär-sozialistischen Partei einzutreten, wie es die Fraktion Revolutionärer Bruch in ihrer Abschlusserklärung fordert, halten sie an den Illusionen des Reformismus fest und verteidigen den paternalistischen Ansatz, dass sich die Arbeiter:innenklasse nur in reformistischen Parteien radikalisieren würde.

Anstatt für einen „Aufbau einer gemeinsamen revolutionären Front“ einzutreten, wie es der Revolutionäre Bruch vorschlägt, fokussiert sich der Funke weiterhin auf die LINKE und hält an der Strategie des Dauer-Entrismus fest. Innerhalb der reformistischen Parteien solle für ein sozialistisches Programm gekämpft werden. Das wirkt als Antwort auf ihre Analyse des Reformismus inkonsequent: einerseits soll die Arbeiter:innenklasse die Erfahrung machen, dass der Reformismus für die Überwindung des Kapitalismus keine Rolle spielt; andererseits kämpft der Funke zumindest auf dem Papier für eine Linksentwicklung innerhalb dieser Parteien.

Aus dieser Linksentwicklung soll dann eine revolutionäre Partei aufgebaut werden, die sich als Avantgarde der Arbeiter:innenklasse versteht. Um diese Strategie zu verteidigen, beziehen sie sich auf die Lehre der „ganzen Geschichte der Arbeiter:innenbewegung“. Allerdings standen weder Karl Marx und Friedrich Engels noch Lenin und Leo Trotzki für eine dauerhafte Arbeit innerhalb von reformistischen Parteien. Diese Taktik sollte unter bestimmten Bedingungen, vor allem bei einer Linksentwicklung in reformistischen oder zentristischen Parteien in einer Krise, immer nur kurzfristig sein, um den Kontakt zur Arbeiter:innenklasse nicht zu verlieren. In „Crisis of the French Section“ schrieb Trotzki dazu: „Der Entrismus in einer reformistischen oder zentristischen Partei ist an sich keine langfristige Perspektive. Es ist nur ein Stadium, das unter Umständen sogar auf eine Episode verkürzt sein kann.“ (Übersetzung der Gruppe Arbeiter:innenmacht) Dabei stellte er auch unmissverständlich klar, dass man sich nicht ein Stück politisch anpassen dürfe: „Das oben Gesagte schließt nicht die Aufgabe der ‘Anpassung’ an die Arbeiter in den reformistischen Parteien aus, indem man ihnen neue Ideen in einer für sie verständlichen Sprache vermittelt. Im Gegenteil, diese Kunst muss so schnell wie möglich erlernt werden. Aber man darf nicht unter dem Vorwand, die Basis erreichen zu wollen, den führenden Zentristen bzw. Linkszentristen Zugeständnisse machen.“

Die Bolschewiki hegten keine Illusion in reformistische Parteien, sondern kämpften für eine unabhängige revolutionär-sozialistische Partei. Dass die Arbeiter:innenklasse nicht notwendigerweise erst ein reformistisches Bewusstsein annehmen muss, um sich dann durch die Intervention von Revolutionär:innen in sozialdemokratischen Parteien radikalisieren zu können, sondern dass revolutionäres Bewusstsein schon früher in Klassenkämpfe getragen werden kann, wird vom Funken ignoriert. In einem Debattenbeitrag mit der GAM schreiben wir dazu: „Wir gehen davon aus, dass sich ein bewusster politischer Prozess abspielt, bei dem Reformist:innen die Lohnkämpfe – im Fall der Arbeiter:innenaristrokratie natürlich mit guten ökonomischen Vorbedingungen – dazu nutzen können, Schichten der Klasse in ihre Partei zu integrieren und sie so vom Klassenkampf in das bürgerliche Regime umzuleiten.“

Dies zeigen uns auch viele internationale Beispiele: In Griechenland wurde die Bewegung gegen die Sparmaßnahmen von EU, EZB und IWF nicht von oben herab durch Syriza aufgebaut, sondern sie entstand aus den Klassenkämpfen, die dann von Syriza in den bürgerlichen Staat und damit in den krassen Verrat umgeleitet wurden. Auch über Griechenland hinaus gibt es eine ganze Reihe an Beispielen, wie der Klassenkampf von (neo-)reformistischen und sogar bürgerlichen Parteien in die Wahlurne umgeleitet und in Niederlagen geführt wurde: „Die Black Lives Matter Bewegung in den USA wurde von der demokratischen Partei kooptiert, die die wichtigsten Forderungen wie „Defund the Police“ (Definanzierung der Polizei) über Bord warfen. Auch in Deutschland konnten vor 15 Jahren Teile der alten SPD-Führung und der PDS-Bürokratie die Proteste gegen Hartz IV in ein Wahlprojekt umleiten, das wir heute als die LINKE kennen. Die Klimabewegungen, wie zum Beispiel ‘Fridays for Future’, wurden von den Grünen kooptiert.“ Daher kommen wir auch zu dem Schluss, dass es sich nicht, wie der Funke behauptet, um einen „wichtigen Referenzpunkt in den sich in diesen Phasen zuspitzenden Klassenkämpfen“ handelt, sondern um eine verräterische Umleitung.

Selbstverständlich heißt das nicht, dass wir, auch wenn wir uns außerhalb von reformistischen Parteien befinden, nicht versuchen, die Basis durch konkrete taktische Vorschläge zu gewinnen und die verräterischen Führungen herauszufordern. Dabei ist es sehr wohl möglich auch von außen mit Leuten aus der LINKEN und ihrer Jugendorganisation zu diskutieren und sogar ein gewisser Einfluss auf eventuelle linkere Strömungen genommen werden kann. Mit unserer Zeitung Klasse gegen Klasse gehen wir regelmäßig auf die Debatten im Reformismus ein. Das hat uns viele Diskussionen ermöglicht, unter anderem die, die letztendlich zur Fraktion Revolutionärer Bruch führten. Darüber hinaus muss man auch feststellen, dass es auf gesamtgesellschaftlicher Ebene unterdrückte Sektoren gibt, die von der reformistischen Bürokratie sträflich ignoriert und auch missachtet werden und somit zu einem viel geringeren Anteil dem Reformismus zuwenden.

Wie können sich Marxist:innen in der Klasse verankern?

Der Vorwurf, die Fraktion Revolutionärer Bruch hätte keine Verankerung in der Arbeiter:innenklasse und würde „waghalsige, prinzipienlose Zusammenschlüsse“ favorisieren, überschätzt einerseits die Rolle des Funken und andererseits ignoriert es sowohl die Abschlusserklärung als auch die Diskussionen während der Konferenz. Einer breiten antikapitalistische Front wurde ebenso eine Absage erteilt wie ein sektiererischer Aufbau der revolutionär-sozialistischen Partei. Das zeigen auch die langen und tiefen Diskussionen über die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) und unsere Schwesterorganisation Révolution Permanente (RP), die sich durch die Konferenz zogen. Unsere französischen Genoss:innen von RP haben mit der breiten, antikapitalistischen Partei NPA gebrochen, deren diffuser strategischer Fokus tatsächlich zu einer Anpassung an den Reformismus, ganz besonders an den Sozialchauvinsten Jean-Luc Mélenchon, geführt hat. Ausgerechnet ihn will der Funken, bzw. ihre internationale Strömung IMT, unterstützen. Sie erteilen unabhängigen Kandidaturen von sozialistischen Kräften eine Absage mit der Begründung, dies würde das Wähler:innenpotential von Mélenchon schwächen. Sie ignorieren dabei vollkommen, dass dies eine Unterordnung der Linken unter ein Programm bedeutet, das den französischen Imperialismus mit einer populistischen Rhetorik erneuern will. Stattdessen wollen wir die Unabhängigkeit und Zentralität der Arbeiter:innenklasse in den Mittelpunkt stellen. Unsere französischen Genoss:innen konnten in den letzten Jahren unzählige Arbeiter:innen und Unterdrückte in den Streiks und Kämpfen kennenlernen und haben sich Ende letzten Jahres zu einer Organisation mit hunderten Mitgliedern fusioniert. Nachdem Emmanuel Macron seine Rentenreform per Dekret durchsetzte, öffnet sich eine enorme politische Krise in Frankreich. Unsere unabhängige Position von Mélenchon erlaubt es uns, in den Mobilisierungen eine Alternative aufzuzeigen, die nicht in ein reformistisches Wahlprojekt zur Erneuerung der fünften Republik mündet, sondern die fortschrittlichsten Erfahrungen der französischen Arbeiter:innenbewegung wie die Pariser Kommune wiederbeleben will.

Statt sich an den Reformismus anzupassen, wollen wir in den Universitäten, den Gewerkschaften und den Betrieben eine Strömung aufbauen, die für ein klares antiimperialistisches, feministisches und sozialistisches Programm eintreten soll, um für die Einheit der Arbeiter:innenklasse mit den Student:innen, den Migrant:innen und den LGBTQIA+ zu kämpfen. Der Funke wirft der Fraktion dahingehend vor, sie habe kein „richtiges Standbein in den Belegschaften“ und ignoriert nicht nur die Erfahrungen aus Frankreich, sondern auch die Tatsache, dass viele Teilnehmer:innen der Fraktion selbst Mitglied einer Gewerkschaft sind. Auch die Gäste der Konferenz – die kämpferischen Hebammen aus München, die zahlreichen Sozialarbeiter:innen oder die Kolleg:innen von den Berliner Krankenhäusern –, die bei der Konferenz über ihre Kämpfe und ihre Erfahrungen gesprochen haben, werden vom Funken ignoriert. Man könnte fast den Verdacht schöpfen, der Funke war zwar körperlich, aber nicht mental bei der Konferenz dabei, denn viele Vorwürfe erweisen sich nicht nur als absurd, sie werden auch durch die Abschlusserklärung und die Erfahrungen des internationalen Klassenkampfs widerlegt. Hätte der Funke die Politik seit dem Bruch verfolgt, hätten sie schnell festgestellt, dass es reale Intervention in den Klassenkampf gab. Im TVöD konnten wir über reine Solidarität hinausgehen und aktiv in den Kampf eingreifen: Beispielsweise konnte der Kollege Yunus eine Rede vor dem Vivantes Klinikum in Neukölln gegen Krise, Krieg, Aufrüstung und die profitorientierte Gesundheitsversorgung halten, die auf viel Zuspruch gestoßen ist. All diese Beispiele zeigen, wie wir ernsthaft versuchen, uns in der Klasse zu verankern, auch wenn wir sicherlich noch keinen Masseneinfluss ausüben können.

Um dieses Ziel zu erreichen, schlagen wir den Kampf gegen die reformistischen Führungen und die Selbstorganisation der Arbeiter:innen und Unterdrückten vor. Zunächst müssen wir dafür die materielle Ursache für den Verrat und den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Gewerkschaften verstehen. Dabei müssen Marxist:innen zwischen Basis und Führung unterscheiden. Die meisten Gewerkschaften werden von Bürokrat:innen kontrolliert, die finanziell von der Vermittlung zwischen Arbeiter:innen und Bossen profitieren. Ihre Gehälter sind viel höher als die der Basis, es gibt nur wenige Elemente von Streikdemokratie und keine permanente Wähl- und Abwählbarkeit. Um ihre Funktion als Verhandler:innen mit den Bossen zu sichern, verraten sie ihre Mitglieder.

Wir haben es also mit einer doppelten Krise zu tun: Eine Führung, die kein materielles Interesse am Kampf hat, und eine Basis, die meist passiv bleibt und keine neue Führung bildet. Unserer Meinung nach kann die Bewusstseinskrise nur durch einen Kampf gegen die Führung gelöst werden. Daraus schlussfolgern wir:

Eine wichtige Aufgabe für linke Aktivist:innen ist es, die Gewerkschaft den Händen der Bürokratie zu entreißen und sie für die Arbeiter:innen zurückzugewinnen. Das bedeutet notwendigerweise einen harten Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie, nicht eine schrittweise Eroberung von Positionen im Rahmen einer langfristigen Koexistenz.

Dafür wollen wir die Selbstorganisation der Kolleg:innen vorantreiben, mit ihnen tiefe politische Diskussionen führen und Stellungen in der Arbeiter:innenbewegung aufbauen. Diese Strategie, die wir hier nur kurz anreißen können, nennen wir Sowjetische Strategie. Die besetzten Fabriken Madygraf und Zanon oder die Kämpfe von Eisenbahner:innen in Antofagastas und in Paris, wo es gelang einen über 50-tägigen Streik gegen den Willen der Gewerkschaftsbürokratie anzuführen, sind sehr gute internationale Beispiele unserer internationalen Strömung dafür.

Welche Strategie ist marxistisch?

Doch der Funke belässt es nicht bei einer Ablehnung des Revolutionären Bruches, sondern pachtet das Monopol auf das Verständnis marxistischer Theorie für sich. Dieser arrogante Zug zeigt sich unter anderem darin, dass er den teilnehmenden Organisationen das Adjektiv „marxistisch“ durch Anwendung von Anführungszeichen abspricht. Es ist ironisch, dass sie richtigerweise anmerken, Marxist:innen müssen sich den „konkreten Situationen“ und den objektiven Bedingungen anpassen und hiernach „flexibel“ sein. Denn sie selbst arbeiten seit knapp 50 Jahren alles andere als flexibel, sondern halten dogmatisch an der Strategie fest, innerhalb von reformistischen Parteien zu arbeiten. Der Dauer-Entrismus, der von Ted Grant entwickelt wurde, wird als die einzig korrekte marxistische Strategie angesehen und sie werfen allen anderen Organisationen, die ihre Strategie tatsächlich an den objektiven Bedingungen anpassen und korrigieren, „Sektierertum“ vor. Der Linksradikalismus, den sie in allen anderen marxistischen Organisationen sehen, die nicht dauer-entristisch arbeiten, ist allerdings eine Spiegelung ihrer zentristischen Politik, die es ihr nicht erlaubt, eine unabhängige revolutionär-sozialistische Partei aufzubauen.

Bisher konnte weder der Funke noch ihre internationale Strömung, die International Marxist Tendency (IMT), langfristige Ergebnisse präsentieren, die die Richtigkeit ihrer Strategie zeigen. Selbst dann, als es Militant Tendency in England in den 1980er Jahren gelang, ein Teil der Massenbewegung gegen die Poll-Tax zu sein, konnte sie für ihre Organisation keine Mitglieder gewinnen. Schlimmer noch: als die Massenbewegung ihre Forderungen erweiterte und in direkte Konfrontation zum bürgerlichen Staat überging, wechselte Militant Tendency die Barrikaden und verteidigte das gewalttätige Vorgehen der Polizei gegen Anarchist:innen und denunzierte Demonstrant:innen.

Wie diese Strategie noch aussieht, lässt sich in Mexiko sehen. Ihre mexikanische Schwesterorganisation „La Izquierda Socialista“ unterstützt die Regierungspartei MORENA des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO). MORENA trat mit dem Versprechen an, den Neoliberalismus und die Militarisierung zu beenden. Davon blieb jedoch nichts mehr übrig, als sie an die Macht kamen.Weder AMLO noch MORENA treten für den Sozialismus ein, sondern verteidigen das Privateigentum und den Wettbewerb in der Wirtschaft. Wie unsere US-Schwesterzeitung „Left Voice“ schreibt, war ALMO ein enger Verbündeter von Donald Trump und gründete eine Nationalgarde, die Migrant:innen daran hindern soll, mexikanischen Boden zu betreten.

Dennoch sieht „La Izquierda Socialista“ MORENA als eine „Zwei-Klassen-Partei“ und ruft sie dazu auf, sich in eine „klassenunabhängige, revolutionäre Organisation“ zu transformieren. Das Konzept einer „Zwei-Klassen-Partei“ wurde in den 1920ern von Bucharin und Stalin entwickelt, die sie auf die chinesische Kuomintang anwendeten. Left Voice schreibt, dass die Politik der IMT auf MORENA eine Ähnlichkeit zum Bucharin-Stalin-Konzept aufweist. Doch MORENA ist eine rein bürgerliche Partei, die ihre eigenen Unterstützer:innen unterdrückt, wenn sie an der Macht ist. Stattdessen müssen Marxist:innen für eine sozialistisch-revolutionäre Partei kämpfen, die sowohl von reformistischen als auch bürgerlichen Politiker:innen unabhängig ist.

Mit Seminarmarxismus baut man keine revolutionäre Partei auf

In Deutschland baut sich der Funke allerdings selbst kaum noch in reformistischen Parteien auf, auch wenn sie das theoretisch verteidigen. Ihre Praxis besteht hauptsächlich darin, Theorieseminare über Marxismus an Universitäten zu geben. Diese Praxis haben sie in ihrer Polemik auch theoretisiert: „Eine erfolgreiche revolutionäre Organisation muss sich auf ein tiefes Studium der marxistischen Theorie und der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung gründen.“ Sie gehen davon aus, dass man erst eine marxistische Ausbildung erhalten muss, um in den Klassenkampf einzugreifen. Natürlich ist es wichtig, sich theoretisch und historisch zu schulen, um Lehren für die richtige Strategie im Klassenkampf zu ziehen. Aber selbst wenn man alles von Marx, Engels, Trotzki und Lenin gelesen hat, ist man noch kein:e Arbeiter:innenführer:in. Die Führung im Proletariat bildet sich nicht theoretisch heraus, sondern anhand der subjektiven und objektiven Bedingungen im Klassenkampf. Dazu schreibt Trotzki auch in „Sektierertum, Zentrismus und die Vierte Internationale“:

Es reicht jedoch nicht aus, ein korrektes Programm zu erstellen. Es ist notwendig, dass die Arbeiterklasse es akzeptiert. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass der Sektierer nach der ersten Hälfte der Aufgabe stehen bleibt.

Das Programm ist für revolutionäre Marxist:innen also eine dialektische Vermittlung zwischen den Erfahrungen der Klasse und den Lehren der Wissenschaft. Zu denken, man könne mit reiner theoretischer Vorarbeit zukünftige Arbeiter:innenführer:innen und Volkstribune schaffen und eine revolutionäre Partei aufbauen, der irrt gewaltig. Dadurch schafft man bestenfalls abstrakte Propagandist:innen.

Für Leute, die sich nicht den Aufgaben des Klassenkampfs stellen und nur Seminarmarxismus betreiben, ist die Frage des Bruchs mit dem Reformismus eine taktische Spielerei, weil sie für die eigene Praxis im Klassenkampf keine große Rolle spielt. Wenn man sich als revolutionäre Sozialist:innen ernsthaft in der Klasse verankern will, dann braucht man konkrete Antworten auf den Reformismus und muss eine strategische Trennlinie ziehen, um Kolleg:innen vom revolutionären Marxismus zu überzeugen. Dabei ist der Marxismus auch kein dogmatisches Konzept, was man starr lernen kann, sondern muss ständig in den Widersprüchen und Lehren des Klassenkampfs weiterentwickelt und angewendet werden.

Fazit

Dass der Funke mit dem Programm und der Strategie des Revolutionären Bruchs nicht übereinstimmt, ist nicht verwunderlich. Ihre Bilanz enthält jedoch Unterstellungen und Falschdarstellungen und wirkt letztlich wie eine arrogante Selbstgewissheit, ein Monopol auf den Marxismus zu haben. Wir weisen diese Anschuldigungen jedoch aufs Schärfste zurück. Unserer Meinung nach nutzt der Funke den Marxismus in letzter Konsequenz nicht als Werkzeug, um Kämpfe zu gewinnen, sondern macht ihn zum Selbstzweck. Das zeigen der Seminarmarxismus auf der einen Seite und die opportunistische Unterstützung reformistischer Parteien auf der anderen Seite. Wir wollen strategische und programmatische Diskussionen nicht als Selbstzweck führen, sondern um politisch, ideologisch und praktisch voranzukommen. Anhand von gemeinsamen praktischen Erfahrungen wollen wir die verschiedenen Strategien und Programme konkret auf die Probe stellen und daraus ernsthafte Bilanzen ziehen. Davon ausgehend laden wir alle Genoss:innen vom Funken dazu ein, mit uns gemeinsam in den kommenden Streiks und Kämpfen auf die Straße zu gehen und unsere unterschiedlichen Programme praktisch auf die Probe zu stellen. In diesem Sinne rufen wir den Funken dazu auf, auf der Demo der GlG/Post/TVöD einen gemeinsamen klassenkämpferischen und antiimperialistischen Block zu bilden. Für weitere Aktionsvorschläge sind wir natürlich offen und freuen uns auch über eine Antwort auf diesen Debattenbeitrag.

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