Revolution statt Reform!

26.09.2015, Lesezeit 10 Min.
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Es gibt große Illusionen darin, der Kapitalismus könne schrittweise überwunden werden. Woher kommen diese Illusionen? Welche Auswirkungen hat Reformismus heute? Wie sieht eine revolutionäre Strategie aus?

Es dröhnt durch die sozialen Netzwerke und Medien. Go Syriza! Es ist der 25. Januar 2015 – in Griechenland wird ein neues Parlament gewählt.

Endlich soll der neoliberalen EU das Modell eines sozialen Europas entgegengesetzt werden!
Was schon im Januar klar war, wurde inzwischen auch durch den Lauf der Dinge bewiesen: Die Regierung von Syriza war kein Aufschwung für ein soziales Europa. Sie war nicht einmal das kleinere Übel.

Unter ihrer Fahne gab es im Gegenteil massive Angriffe auf die griechischen Arbeiter*innen und Jugendlichen. Es gab nichts, was sie der Troika und Merkel entgegensetzen konnten.

Am 5. Juli ließ die griechische Regierung eine Volksbefragung ausrichten. Abgestimmt wurde über Spardiktate der „Institutionen“ (Internationaler Währungsfond, Europäische Zentralbank und EU-Kommission – ehemals Troika). 63 Prozent der griechischen Wähler*innen stimmten mit OXI (Nein). Einige Tage später verkündete Tsipras, er wolle den Sparprogrammen dennoch „bis auf den letzten Buchstaben“ folgen – und zehn Tage später wurden die Spardiktate vom griechischen Parlament abgesegnet.

Mitte August wurden vom griechischen Parlament und dem Bundestag das dritte Memorandum verabschiedet – ein „Rettungspaket“, das alles bisher Dagewesene übertrifft. Griechisches Staatseigentum im Wert von 50 Milliarden Euro wird privatisiert – alleine 13 Flughäfen kauft der deutsche Konzern Fraport, Tarifverträge werden abgeschafft usw.

Für die griechische Jugend bedeutet das vor allem eine weitere Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen. Etwa 60 Prozent haben keinen Job, viele können sich nur gerade so mit Niedriglohnjobs über Wasser halten.

Damit hat Syriza bewiesen, dass das reformistische Konzept der linken Regierungen gescheitert ist – also das Konzept von Regierungen in einem kapitalistischen Staat, die aus reformistischen Organisationen gebildet werden.

Die Linke Plattform in SYRIZA und einige Gruppen der griechischen Linken gründeten nun eine neue Partei – die „Volkseinheit“ (LAE). Sie unterscheiden sich dadurch von SYRIZA, dass sie einen Austritt Griechenlands aus dem Euro fordern – aber auch sie wollen das Privateigentum der Kapitalist*innen nicht berühren und wichtige Industrien und Banken unter Arbeiter*innenkontrolle verstaatlichen. Auch sie verfolgen eine reformistische Strategie, die letztendlich genauso zum Scheitern verurteilt ist wie die Politik von Syriza.

Ein Austritt von Griechenland aus dem Euro mit einer neuen Währung unter kapitalistischen Bedingungen würde dazu führen, dass diese massiv abgewertet werden würde. Das heißt, dass die Kaufkraft der ohnehin schon von starker Arbeitslosigkeit betroffenen Jugend geschwächt werden würde. Die Folge wäre eine massive Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen.

Nun wurde Syriza dennoch wieder gewählt – und wurde dabei auch von der Spitze der Linkspartei unterstützt.

Reformismus in Deutschland

Viele in Deutschland haben Illusionen in diese Partei. Laut ihrem Programm kämpft sie für einen demokratischen Sozialismus und die Überwindung des Kapitalismus. Doch Messen wir sie an ihren Taten:

In zehn Jahren gemeinsamer Regierung mit der SPD in Berlin privatisierte sie 150.000 Wohnungen, schloss Schulen und Jugendzentren und senkte Löhne im öffentlichen Dienst – Lehrer*innen und Erzieher*innen waren gezwungen zu streiken. In Brandenburg fördert sie den Kohleabbau. Auf Bundesebene stimmte sie im Bundestag sogar in einem Fall für die Verlängerung der Sparpakete der „Institutionen“. Außerdem verteidigt sie die Syriza-Regierung, die für die Umsetzung des dritten Memorandums verantwortlich ist.

In der aktuellen Asyldebatte fordert die Partei kleine Verbesserungen der Situation der Geflüchteten.Aber sie fordern kein bedingungsloses Bleiberecht für alle Geflüchteten oder die Abschaffung der Residenzpflicht. Immer mehr Abgeordnete der Linkspartei haben kein Problem mit Waffenexporten oder Auslandseinsätzen – also kein Problem mit einer Politik, die Fluchtursachen erst erzeugt.

Die Linkspartei will Regierungsbeteiligung um jeden Preis – die Unterdrückten sind ihr im Grunde egal.

Die „Linksjugend Solid“ …

Wie sieht es bei der Jugendorganisation der Linkspartei aus, der Linksjugend Solid?

Dieser Verband ist unter anderem die Hochburg der sogenannten „Antideutschen“. Diese solidarisieren sich bedingungslos mit Israel und verteidigen die USA – vertreten also eine klar pro-imperialistische Politik.

Auf dem letzten Bundeskongress der Linksjugend setzten sie einen Antrag durch, der richtigerweise Antisemitismus kritisiert, aber auch jede Kritik an Israel für antisemitisch erklärt. Danach wäre es nicht nur antisemitisch, den kapitalistischen Staat Israel mit einer sozialistischen Revolution zu zerschlagen, sondern auch jede Solidarität mit dem Befreiungskampf der Palästinenser*innen (NICHT: mit Hisbollah und Hamas) sei antisemitisch.

Eine Organisation, die sich als sozialistisch versteht, kann kein Raum für Antisemit*innen sein – aber auch nicht für Personen, die sich mit dem Imperialismus solidarisieren.

Die Existenz der „Antideutschen“ zeigt besonders krass, dass Jugendliche das schwammig gehaltene Dokument „Unser Programm“ von Solid nicht allzu ernst nehmen sollten.

Dennoch ist es aufschlussreich – betont werden durchaus viele richtige Dinge: das Parlament sei nur eine Bühne und der Kampf müsse außerhalb der Parlamente stattfinden, die Überwindung des Kapitalismus, Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, Verstaatlichung von Betrieben unter Arbeiter*innenkontrolle usw.

Das größte Problem ist aber der Mangel an Strategie – sie verlieren sie kein Wort darüber, wie das alles erreicht werden soll. Stattdessen beschränken sie sich darauf „Freiräume zu erkämpfen“.

Der Gipfel ist ihr positiver Bezug zu dem sogenannten „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, auf Venezuela (ehemals Chavez, heute Maduro) und Bolivien (Morales). Weder gibt es in diesen Ländern Arbeiter*innendemokratie, noch umfassende Verstaatlichung des Privateigentums an Produktionsmitteln. Die Regierungen beider Länder versuchen die Arbeiter*innenklasse mit den nationalen Kapitalist*innen zu versöhnen – im Interesse der Kapitalist*innen.

Was Solid als Stärke verkaufen will, ist eigentlich ihre größte Schwäche: „Wir wollen keine uniforme Gruppe sein, unsere Vielfalt ist unsere Stärke.“

Jeder kleine Teil von Solid kocht also seine eigene Suppe. Einige Teile verstehen sich zwar als revolutionär – aber am Ende steht nichts anderes als noch mehr Suppe.

Revolutionäre Politik zeichnet gerade aus, dass sie nicht nur unabhängig von jeder Fraktion der Kapitalist*innen ist, sondern auch aktiv in den Klassenkampf eingreifen kann. Dazu braucht es Einigkeit in strategischen und programmatischen Fragen. Wenn Revolutionär*innen mit Reformist*innen einen Kompromiss aushandeln, dann ist das Ergebnis nicht ein bisschen weniger revolutionär, sondern letztendlich einfach nur reformistisch.

Kein Wunder also, dass die Führung von Solid vieles macht, aber keine revolutionäre Politik. Sie ist eng mit der Linkspartei verwoben und wird von ihr bezahlt. Und so betreibt der „sozialistische“ Jugendverband vor allem eines: reformistische Politik.

… und die „Revolutionäre Linke“

Anfang Juli gründete sich der Bundesarbeitskreis Revolutionäre Linke als Antwort auf die reaktionäre Stimmung in der Linksjugend. Wir begrüßen diesen Schritt und wollen uns an dieser Stelle solidarisch, aber kritisch, damit auseinander setzen.

In ihrer Gründungserklärung vertritt die Revolutionäre Linke ein antikapitalistisches und antiimperialistisches Programm.

„Wir […] streiten für eine Partei, die an der Seite der Unterdrückten steht – nicht der Unterdrücker! Dazu muss sich auch in der Partei etwas ändern.“ Sie „kämpfen gemeinsam dafür, dass dieser Jugendverband [Solid] wieder den Namen sozialistisch, links, demokratisch verdient hat.“

Die Revolutionäre Linke möchte innerhalb von Solid also für revolutionäre Positionen kämpfen und Solid in eine revolutionäre Jugendorganisation verwandeln. Das heißt vor allem: Kampf gegen die reformistische Mehrheit. Es ist merkwürdig, dass es in der Gründungserklärung trotzdem keine Auseinandersetzung mit dem Reformismus gibt.

Es ist richtig, innerhalb von Solid für revolutionäre Positionen zu kämpfen und Jugendliche um einen revolutionären Pol herum zu sammeln, wenn man in Solid ist. Aber Solid liegt fest in den Händen der reformistischen Führung und es wird sehr wahrscheinlich nicht gelingen, sie hinaus zu werfen. Es gibt keine echte interne Demokratie bei Solid, sondern einen bürokratischen Apparat.

Früher oder später wird sich deswegen vermutlich die Frage stellen: Ordnet man sich der reformistischen Führung unter oder bricht man mit Solid, um eine revolutionäre Jugendorganisation aufzubauen?

Das Ziel muss ganz klar benannt werden: Sammlung der revolutionären Kräfte in Solid und Bruch – hin zum Aufbau einer echten revolutionären Jugendorganisation.

Der Reformismus im Schafspelz

Die vorherrschende Ideologie der Jugend in Deutschland ist – neben offenem Reformismus wie durch Solid vertreten – der Autonomismus. Der Fokus ihrer Politik liegt vor allem in der Erringung von „Freiräumen“, im Antifaschismus und Antirassismus.

Zwar fordern sie „mehr Staatszerlegung“ und finden Staat, Nation und Kapital „scheiße“.

Aber sie leugnen die Zentralität des Proletariats, das sich mit den anderen Unterdrückten in einer revolutionären Partei organisieren muss, um – gestützt auf Organe der Selbstverwaltung – den bestehenden Staat wirklich zerschlagen zu können.

Außer Demonstrationen und kleinbürgerlichem individuellen „Terror“ haben sie keine Strategie, um die Bourgeoisie tatsächlich herauszufordern. Statt den Kapitalismus also tatsächlich zu konfrontieren, ordnen sie sich ihm unter – während sie versuchen, kleine Verbesserungen zu erringen.

Hinter ihren radikalen Phrasen versteckt sich am Ende auch nur Reformismus.

Es lebe die Revolution!

Wir stehen hingegen für eine Strategie des „aufständischen Generalstreiks“ ein. Nach dem Vorbild der Oktoberrevolution von 1917 braucht es eine Revolution der Arbeiter*innenklasse im Bündnis mit allen anderen Unterdrückten. Der bürgerliche Staat muss in einem bewaffneten Aufstand zerschlagen werden und durch die sozialistische Diktatur des Proletariats ersetzt werden. Dabei muss das Privateigentum an Produktionsmitteln in die Hände der Arbeiter*innenklasse überführt werden. Das ist nur möglich durch Organe der Selbstverwaltung der Massen und eine revolutionäre Partei.

„Selbstverständlich gibt es auch unter den Arbeiter[*innen], die früher in der ersten Reihe standen, heute eine ganze Menge, die müde geworden und enttäuscht sind. Sie werden, zumindest in der nächsten Periode, abseits bleiben. Wenn sich ein Programm oder eine Organisation verbraucht hat, verbraucht sich auch die Generation, die sie auf ihren Schultern trug. Die Erneuerung der Bewegung vollzieht sich durch die Jugend, die frei ist von aller Verantwortung für die Vergangenheit. […] Nur die frische Begeisterung und die Angriffslust der Jugend können die ersten Erfolge im Kampf sichern; nur diese Erfolge können die besten Elemente der alten Generation auf den Weg der Revolution zurückkehren lassen. So war es bisher und so wird es immer sein.“

Das ist der einzige Ausweg für die unterdrückten Massen.

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