Rentenreform: Trotz des Bremsens der Bürokratie mobilisieren am Montag Gewerkschaften in ganz Frankreich

19.03.2023, Lesezeit 8 Min.
Übersetzung:
1
Foto: O Phil des Contrastes (@ophildescontrastes)

Die erzwungene Verabschiedung der Rentenreform in Frankreich hat zwar zu sozialer Empörung geführt, aber die Gewerkschaftsführungen rufen erst für Donnerstag, den 23. März, zu einem neuen Streiktag auf. Angesichts der lauwarmen Haltung der Gewerkschaftsdachverbände übernehmen mehrere lokale Gewerkschaften die Führung und rufen ab Montag, dem 20. März, zu einem härteren Streik auf.

Nach der Verabschiedung der Rentenreform per Dekret seitens der französischen Regierung haben die Führungen der französischen Gewerkschaftsdachverbände beschlossen, am Donnerstag, den 23. März, einen neuen Streiktag auszurufen. Ein Datum, das in keiner Weise der Wut und den Radikalisierungstendenzen entspricht, die seit der antidemokratischen Entscheidung der Regierung in ganz Frankreich durch spontane Demonstrationen und Blockaden zum Ausdruck gekommen sind. Aus diesem Grund haben mehrere lokale Gewerkschaften beschlossen, nicht bis zum 23. März zu warten, sondern ab Montag, dem 20. März, zum Streik aufzurufen.

Der Raffineriestreik verschärft sich, werden andere folgen?

Kaum war das Dekret zur Rentenreform verkündet, stimmten die Streikenden der Total-Raffinerie in der Normandie, die sich seit dem 7. März im Streik befinden, für die vollständige Lahmlegung des Standorts. Ein „point of no return“ für die größte Raffinerie Frankreichs: Sämtliche Raffinerieaktivitäten müssen eingestellt werden.

In Donges kündigte die Gewerkschaftssektion der CGT die Verlängerung des Streiks bis zum 24. März an, während das benachbarte Tanklager bereits seit dem 16. März bestreikt wird.

In der Raffinerie Petroineos de Lavera in der Nähe von Marseille kündigte Sébastien Varagnol, ein CGT-Delegierter, an, dass „die Kraftstofflieferungen gestoppt sind und wir an diesem Wochenende die vollständige Stilllegung der Anlagen vorbereiten“, die „spätestens am Montagabend“ ihren Betrieb vollständig einstellen sollen.

Nach dem Streik bei der Compagnie Industrielle Maritime in Le Havre steht auch die ExxonMobil-Raffinerie in Gravenchon kurz vor der Abschaltung, da es an Rohöl zum Raffinieren fehlt.

Im Energiesektor werden die verlängerbaren Streiks nächste Woche fortgesetzt

Im Gassektor bleiben die drei Elengy-Terminals von Fos Tonkin, Fos Cavaou und Montoir blockiert, und der Streik wurde am Freitag bis zum 21. März verlängert. Nach Angaben der Tageszeitung Le Parisien wird die Blockade seit dem 7. März in den elf unterirdischen Gasspeichern des Unternehmens Storengy aufrechterhalten. Die Leitung der größten Anlage in Chémery (Loir-et-Cher) sah sich am Freitag gezwungen, die Ventile abdrehen zu lassen.

Bei den Kernkraftwerken erklärt die CGT, dass seit Freitag „die Streikposten nicht aufgehoben, sondern der Streik im Gegenteil verlängert wurde“, wobei die Produktion in der letzten Woche zwischen 15.000 und 20.000 MW zurückgegangen ist. Im Kraftwerk Chinon trafen sich am Donnerstag zwischen 100 und 200 Streikende zu einer Streikvollversammlung und beschlossen fast einstimmig, den Streik bis Montag, den 20. März fortzusetzen. Das Kernkraftwerk Golfech (Tarn-et-Garonne) ist ebenfalls betroffen, während die Wasserkraftwerke in Pied de Borne (Lozère) und La Bathie (Savoie) ebenfalls bestreikt werden.

Im Bereich der Stromversorgung werden mehrere Standorte des Enedis-Konzerns bestreikt, insbesondere in der Region Paris. Im Departement Oise haben einige Beschäftigte des Unternehmens beschlossen, noch härter durchzugreifen, indem sie ihren Standort unmittelbar nach der Bekanntgabe des Dekrets blockierten. In Toulouse blockieren die Beschäftigten von Enedis, die seit dem 6. März Streikposten aufgestellt haben, weiterhin einen der Standorte des Unternehmens und haben am Freitag beschlossen, den Streik zu verlängern.

Die CGT an den Häfen ruft zu Beginn der Woche zu einer Arbeitsniederlegung auf

Die CGT Ports et Docks (Häfen und Docks) ruft für Dienstag, den 21. März, zu einem neuen 72-stündigen Streik auf, der am Mittwoch, den 22. März, mit einer Aktion verschärft werden soll, welche die CGT „toter Hafen“ nennt, bei der alle Bereiche des Hafens mit Streiks und Blockaden stillgelegt werden. In der vergangenen Woche war der Verkehr in den wichtigsten französischen Häfen bereits durch den Streik beeinträchtigt worden, wobei die Häfen von Nantes-Saint-Nazaire, Brest, Le Havre, Marseille-Fos und Calais am Donnerstag, dem 16. März, im Rahmen der von der CGT Ports et Docks ausgerufenen Streiktage unter dem Motto „Toter Hafen“ bereits vollständig lahmgelegt wurden. In Le Havre streiken seit Freitag auch die Schlepper, die das Auslaufen und Einlaufen der Schiffe sicherstellen.

Im Verkehrswesen geht der Streik bei der SNCF weiter, und an den Flughäfen wurden Flüge gestrichen

Bei der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF haben vier Gewerkschaften (CFDT, CGT, UNSA und Sud-Rail) am Freitag, den 17. März, dazu aufgerufen, „den Streik aufrechtzuerhalten“. In Paris, Lyon und Toulouse stimmten die Eisenbahner:innen in ihren Streikvollversammlungen am Freitag, den 17. März, für die Fortsetzung des Streiks.

An den Flughäfen forderte die Generaldirektion für Zivilluftfahrt (DGAC) die Fluggesellschaften auf, aufgrund des Fluglots:innenstreiks 30 Prozent ihrer für Montag, den 20. März, geplanten Flüge in Paris-Orly und 20 Prozent in Marseille-Provence zu streichen. Dies ist eine höhere Annullierungsrate als in dieser Woche, was auf eine Verhärtung der Bewegung nach der Verabschiedung der Rentenreform hinweist.

Der Streik der Müllabfuhr geht in Paris und anderen Regionen weiter

In Paris wurde der Streik der Müllwerker:innen trotz der Zwangsverpflichtung von Arbeiter:innen am vergangenen Dienstag bis Montag fortgesetzt; an diesem Tag werden die Streikenden über die Fortsetzung der Bewegung entscheiden. Die Zwangsverpflichtung ist eine Methode nach französischem Recht, die es dem Staat erlaubt, Bußgelder zu verhängen und Arbeiter:innen sogar zu inhaftieren, die sich weigern, ihre Arbeit zu machen. Ein legales, aber vollständig autoritäres Mittel, um einen Streik zu brechen. In Nantes hätten sie am Freitag die Arbeit wieder aufnehmen sollen, aber die Ankündigung des Dekrets zur Rentenreform war „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“. Die Arbeiter:innen haben schließlich beschlossen, die Arbeit nicht wieder aufzunehmen, und der Streik wird nächste Woche fortgesetzt. In Saint-Brieuc (Côtes-d’Armor) stimmten sie fast einstimmig dafür, den Streik nach den Ankündigungen vom Donnerstag bis Freitag, den 24. März, zu verlängern, während sie in der Stadt Auch dafür stimmten, den Streik bis Mittwochabend fortzusetzen. In Orléans war es ebenfalls die Ankündigung des Dekrets, die die Müllwerker:innen der Stadt dazu veranlasste, ab Montag in den Streik zu treten.

Im Bildungswesen rufen mehrere Gewerkschaften ab Montag zum Streik auf

Während sich die nationalen Führungen der gewerkschaftsübergreifenden Koordination im Bildungssektor in ihrem gemeinsamen Kommuniqué damit begnügten, zu einer „fortgesetzten Mobilisierung während der Fachprüfungen“ aufzurufen und nur „wenn möglich“ zu streiken, beschlossen mehrere Lehrer:innengewerkschaften, ab Montag zum Streik aufzurufen.

Diese Entscheidung wurde unter dem Druck der Lehrer:innen getroffen, die sich stark gegen die Rentenreform mobilisiert haben, aber auch aufgrund der spezifischen Probleme des Sektors. Am 20., 21. und 22. März finden nämlich die durch die Reform von 2017 vorgeschriebenen vorgezogenen Abiturprüfungen statt. Diese Reform wurde von den Lehrkräften wegen ihres zutiefst ungleichen Charakters und ihres unmöglichen Zeitplans massiv abgelehnt. Auf nationaler Ebene rufen die CGT Educ’Action und Sud Education die Lehrkräfte ab Montag zum Streik auf, sowohl gegen die Rentenreform als auch für die Verschiebung der Spezialisierungsprüfungen. Auf lokaler Ebene hat die bretonische Bildungsgewerkschaftskoordination (SNES-FSU, CGT Educ’action, SNFOLC und SUD Education) ebenfalls zu einem Streik ab den Abiturvorprüfungen aufgerufen.

Diese Aufrufe zeigen den Willen der Streikenden, den Streik zu verschärfen, und bilden die Grundlage für eine echte Offensive

Diese Streikaufrufe, die mehrere Tage vor dem von der nationalen Koordinierung der Gewerkschaftsführungen, der Intersyndicale, festgesetzten Datum liegen, sind eine Antwort der Streikenden, die Bewegung zu verhärten und zu radikalisieren, und zeugen von der Weigerung vieler Arbeiter:innen, eine Woche zu warten, bevor sie erneut in den Streik treten.

Die Entscheidung Macrons, den Verfassungsartikel 49.3 zu nutzen, um seine Rentenreform zu verabschieden, hat in der Tat eine echte politische Krise ausgelöst, angesichts derer die landesweite Intersyndicale immer noch versucht, eine angeblich „verantwortungsvolle“ Haltung einzunehmen, um „Exzesse“ zu vermeiden. Damit weigert sie sich, auf die Dynamik der Radikalisierung und der spontanen Demonstrationen zu setzen, die im Gange sind, mit denen ein Kräfteverhältnis aufgebaut werden könnte, um sich der Regierung frontal entgegenzustellen.

Die Aufrufe, den Streik ab Montag zu verlängern, sind somit ein echter Dreh- und Angelpunkt, um eine andere Strategie gegen Präsident Macron, Premierministerin Borne und ihre Regierung durchzusetzen, den verlängerbaren Streik zu verallgemeinern und zu verhärten, dessen Slogans über die Rücknahme der Reform hinausgehen, sondern auch die Frage der Löhne und der Arbeitsbedingungen aufwerfen. Ein Streik, der auch politische Forderungen erhebt, um den Verfassungsartikel 49.3 und den antidemokratischen Institutionen der Fünften Republik ein Ende zu setzen.

Diese Aufrufe dienen dazu, wirklich in die Offensive zu gehen, unsere Aktionsmittel und unsere Forderungen durchzusetzen und Macron, Borne und ihre Reformen loszuwerden!

Dieser Artikel erschien zuerst auf Spanisch bei La Izquierda Diario.

Mehr zum Thema