Neues Hochschulgesetz für politische Exmatrikulationen: Widerstand organisieren!

21.03.2024, Lesezeit 6 Min.
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Der Berliner Senat bereitet mit der geplanten Einführung der Exmatrikulation aus politischen Gründen einen massiven Angriff auf die Rechte von Studierenden und die studentische Palästinasolidarität vor. Werdet aktiv und beteiligt euch an der Kampagne, um diesen zu besiegen.

Der Berliner Senat aus CDU und SPD hat im Eilverfahren eine Änderung des Berliner Hochschulgesetzes auf den Weg gebracht. Damit soll das Ordnungsrecht der Hochschulen wieder eingeführt werden, das in ähnlicher Form schon bis 2021 bestand, als es aufgrund von massiven Protesten und seiner Ineffizienz im Unikontext abgeschafft wurde.

Jetzt, im Kontext massiver studentischer Proteste gegen den Genozid an der palästinensischen Bevölkerung, soll das Ordnungsrecht in neuer Form wieder eingeführt werden. Dieses neue Gesetz verschärft viele der alten Bestandteile und soll der Unileitung mehr Handlungsspielraum bei Reaktionen auf Proteste an der Uni geben.

Politische Exmatrikulation wieder möglich

Der Hauptbestandteil ist die Wiedereinführung der Exmatrikulation von Studierenden aus unterschiedlichen Gründen. Es sieht fünf Schritte der Behandlung studentischer Dissident:innen vor: Das Aussprechen einer Rüge, die Androhung der Exmatrikulation, der Ausschluss von der Benutzung von Hochschulräumen, der Ausschluss von Lehrveranstaltungen der Uni sowie final die Zwangsexmatrikulation der Studierenden.

So soll das Begehen einer Straftat gegenüber anderen Studierenden, welche diese in ihrem Studium behindert, durch die direkte Exmatrikulation der studierenden Person geahndet werden können. Hier muss auch eine strafrechtliche Verurteilung der Person vorliegen, um den:die Studierende:n zu exmatrikulieren. Jedoch liegt die Hauptneuerung des Gesetzes in §16 Absatz 1 Nummer 3, welcher die Nutzung hochschulischer Einrichtungen zu strafbaren Handlungen oder allein den Versuch als „Ordnungsverstoß“ klassifiziert, welcher zur Exmatrikulation führen kann.

Hierunter fallen auch Delikte, die keinerlei Rechte von Individuen verletzen, wie Hörsaalbesetzungen. So wird also dieses letzte Mittel der Wehr der Studierenden gegen die Unileitung unter Androhung der Exmatrikulation niedergewalzt.

Die Frage bei diesem Artikel ist also weniger, was darunter fällt, als was nicht darunter fällt. Alles, was die Uni stört, kann Folgen haben, die bis zur Zwangsexmatrikulation führen.

Das Entscheidungsgremium bei diesen Störungen stellt ein weiteres Problem dar. Während bei einer strafrechtlichen Verurteilung ein Gericht den Fall verhandelt, liegt die Entscheidungsmacht bei §16 Absatz 1 Nr. 3 vollkommen beim sogenannten „Ordnungsausschuss“. Dieser Ordnungsausschuss soll aus einer studierenden Person der Uni, eine:r Jurist:in mit zwei Staatsexamen über 9 Punkten und Professor:innen bestehen. Die Zusammensetzung dieses Ausschusses ist also vollkommen willkürlich und keineswegs demokratisch fundiert. Die Macht liegt vollkommen bei der jeweiligen Unileitung.

DasGesetz lässt auch willentlich viele Definitionen offen. So wird „Gewalt“ nicht näher definiert. Das ist kein Zufall. So liegt in vielen Fällen von Gewalt oder Straftat die Definitionsmacht bei der Universität, was ihr vollends die willkürliche Macht über diesen Prozess verleiht. So können Definitionen von Fall zu Fall und von Uni zu Uni anders ausgelegt werden.

Alles für den Opferschutz?

Zur Legitimierung dieses neuen Paragraphen wird seitens der Hochschulleitungen auf den „Opferschutz“ gepocht. Doch das ist bestenfalls Heuchelei, wenn keine Farce! Denn der §16 Absatz 1 Nummer 5, welcher Diskriminierung verhandelt, ist der einzige in diesem neuen Gesetz, der nicht zur Exmatrikulation der Studierenden führen kann. Außerdem sind es genau die marginalisierten und internationalen Studierenden, die am härtesten von der Reform getroffen würden: Denn ihr Studierendenstatus bedeutet ihre Existenzgrundlage, da er an Aufenthaltsstatus und ökonomische Fragen wie Bafög direkt geknüpft ist. Hier zeigt sich: Es geht keineswegs darum, unterdrückte und diskriminierte Gruppen zu schützen, sondern darum, jeglichen Widerstand gegen Uni-Interessen zu kriminalisieren.

Eine solche Gesetzesänderung stellt nicht weniger als einen Angriff auf die Grundrechte der Studierendenschaft dar und betrifft jede:n.

Bei diesem neuen Gesetz geht es in erster Linie um die gezielte Bestrafung und Einschüchterung aus politischen Gründen, wodurch letztendlich die politische Aktivität der Studierenden unterdrückt werden soll. In ihm drückt sich der gesamtgesellschaftliche Rechtsruck in schärfster Weise aus. Es ist eine Ermächtigung zu willkürlicher Exmatrikulation politisch unerwünschter Studierender. Das Gesetz stellt aktuell einen gezielten Angriff auf pro-palästinensischen Protest dar, kann jedoch nach ersten durchgesetzten Exmatrikulationen in exponentiellen Maßstab ausgeweitet werden. Beispielsweise könnte auf Hörsaalbesetzungen von Fridays for Future mit Exmatrikulationen reagiert werden. Es ist der Versuch, sich eines politischen Allzweckmittels zu bemächtigen, um Widerstand an der Uni immer und überall im Keim zu ersticken, vergleichbar mit §129 Strafgesetzbuch, der genutzt werden kann, um sämtliche linke Aktivitäten zu kriminalisieren.

Nicht mit uns! Für ein Studium frei von Repression!

Es ist ein Angriff auf alle Studierende. Deshalb müssen wir uns auch gemeinsam wehren. Wir begrüßen daher die Initiative des SDS, eine breite, öffentliche Kampagne gegen die Gesetzesänderung zu starten und rufen alle Studierenden und Universitätsbeschäftigtem auf, sich zu beteiligen und die Kampagne zu unterstützen. Auch die Statements der ASten der Berliner Universitäten gegen die Gesetzesänderung weisen in die richtige Richtung. Es ist zentral, dass diese nicht nur den institutionellen Weg beschreiten, sondern ihre Möglichkeiten zur Mobilisierung der Studierendenschaft voll ausnutzen und sich klar auf die Seite von pro-palästinensischen Studierenden stellen, die am härtesten von dem Gesetz betroffen sein werden.

Uns soll genau diese Möglichkeit des Protests gegen Entscheidungen der Uni genommen werden.

Am 26.03 wird der Berliner Senat tagen, um das Gesetz zu finalisieren. Daher wird um 12:00 Uhr eine Demonstration vor dem Roten Rathaus stattfinden, bei der wir zusammen zeigen wollen, dass wir als Studierende solche repressiven Methoden nicht über uns ergehen lassen. Nur eine schlagkräftige Bewegung auf der Straße kann den Unileitungen und der Regierung zeigen, dass sie nicht über unsere Köpfe hinweg, über unser Leben und unsere Zukunft entscheiden können. Für eine demokratische Universität frei von Repression und Diskriminierung!

Kundgebung

Ort: Rotes Rathaus

Zeit: Dienstag, 28. März, 12 Uhr

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