Nach Treffen mit Netanjahu: Wer soll Sie noch ernst nehmen, Herr Scholz?

22.03.2024, Lesezeit 5 Min.
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Zerstörungen in Gaza. Foto: United Nations Photo / Flickr.com

Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seinem zweiten Besuch im Nahen Osten seit dem 7. Oktober eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas gefordert. Entdeckt er auf einmal sein Gewissen?

Am letzten Wochenende war Scholz zu Gesprächen beim jordanischen König Abdullah II. und anschließend bei Premierminister Netanjahu in Israel. Im Gespräch mit dem jordanischen König sei es neben den Bemühungen um eine Waffenruhe darum gegangen, die jordanische Initiative einer Luftbrücke für den Gazastreifen zu unterstützen. Sie hat und soll weitere Lebensmittel über Transportflugzeuge über den Gazastreifen abwerfen.

Der Kanzler, der, gemäß der deutschen Staatsraison, wiederholt das sogenannte Selbstverteidigungsrecht von Israel hervorhebte, äußerte Bedenken beim Treffen mit Netanjahu bezüglich der hohen zivilen Opferzahlen und ob diese „schrecklich hohen Kosten rechtfertigen“ würden. Nach über fünf Monaten Genozid und über 30.000 Toten in Gaza durch den israelischen Staat, fällt der deutschen Regierung doch auf, dass die „Maßnahmen“ nicht die Kosten rechtfertige? „Wir können nicht zusehen, wie Palästinenser den Hungertod riskieren“, so Scholz. Jedoch tut das die Bundesregierung seit längerer Zeit. Der Stopp der Lieferungen von Wasser, Lebensmitteln und Energie durch Israel an die Menschen im Gazastreifen ist schon am 9. Oktober verhängt worden.

Nichts als Heuchelei – deutsche Regierung unterstützt den Genozid seit Beginn

Diese Aussagen sind angesichts der Tatsache, dass der deutsche Staat im Jahre 2023 im Vergleich zu 2022 den Wert seiner Waffenlieferungen nach Israel von 32 Mio auf 323 Mio Euro verzehnfacht hat, eine unerträgliche Heuchelei. Trotz früher deutlicher Hinweise auf den genozidalen Krieg von Israel gegen die palästinensische Zivilbevölkerung, beschwörten die Regierungsverantwortlichen zusammen mit der Opposition einstimmig eine uneingeschränkte Solidarität mit der rechtsradikalen israelischen Regierung.

Als zum Jahreswechsel bereits über 20.000 palästinensische Leben durch die israelische Armee IDF ausgelöscht wurden und Südafrika Israel vor dem Internationalen Gerichtshof des Völkermords beschuldigte, sprang die deutsche Bundesregierung Israel zur Seite und unterstützte deren Verteidigung. Nicaragua sah sich mittlerweile sogar in der Verantwortung, Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord zu verklagen. Es wird immer mehr deutlich, dass es sich bei den kläglichen „humanitären Hilfen“ durch imperialistische Staaten mehr um Imagekampagnen oder Wahlkampf handelt, um die sich immer mehr gegen den Genozid stellende Bevölkerung zu besänftigen. 

Anstatt beispielsweise Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung an Israel einzustellen, wurde stattdessen die Unterstützung des UN-Hilfswerks UNRWA eingestellt. Die Unterstellung, dass Mitarbeitende der UNRWA Hamas am 7. Oktober unterstützt hätten, stellte sich schnell als falsch heraus, was sogar in konservativen israelischen Zeitungen berichtet wurde. In Deutschland hielt es nicht eine einzige bürgerliche Zeitung für nötig, diese falschen Behauptungen richtigzustellen. 

Deutsche Regierung steht weiterhin zu Israel

Unterm Strich werden die höchstens als  „kritische Nachfragen“ zu beurteilenden Einwände von Scholz beim Treffen mit Netanjahu keine Wirkung erzielen. Die rechte Regierung in Israel behauptet seit Kriegsbeginn, wie auch beim Treffen mit Scholz, dass sie alles dafür tue, zivile Opfer zu vermeiden. Netanjahu wolle den Zivilist:innen in Rafah eine Flucht aus der Stadt ermöglichen, bevor es zur Bodenoffensive kommt.

Wer diesen Worten Glauben schenkt, ist wirklich nicht ernst zu nehmen, nachdem alle paar Tage neue Kriegsverbrechen auf palästinensischen Boden stattfinden, wie Bombardierungen von Krankenhäusern, Flüchtlingsunterkünften, Schulen oder das kürzliche „Mehl-Massaker“. Die weitere Unterstützung der Ampel-Regierung von Israel durch Geld und Waffen sagt mehr aus als Lippenbekenntnisse, die sich vermeintlich um zivile Opfer im Gazastreifen sorgen. Selbst die geplante mörderische Bodenoffensive von Rafah, wo derzeit 1,5 Millionen ausgehungerte Menschen zusammengepfercht sind, führt die USA oder Deutschland nicht zu einer Einstellung von Waffenlieferungen. 

Widerstand von Arbeiter:innen gegen Genozid

Die Unterstützung von Kriegsverbrechen kann nicht der Wille der Mehrheit der Bevölkerung sein, wie eine Umfrage im Januar in Deutschland bewiesen hat. Vor ein paar Wochen haben indische Hafenarbeiter:innen Waffenlieferungen nach Israel blockiert, zuvor hatten dies auch belgische Luftfahrtgewerkschaften verweigert. In Kent haben zudem Gewerkschafter:innen und Aktivist:innen eine Waffenfabrik blockiert. Zuletzt haben Gesundheitsarbeiter:innen in Berlin bei einer ver.di-Mitgliederversammlung eine Resolution für einen Waffenstillstand und den Stopp von Waffenlieferungen eingebracht. Blockaden, Streiks und Demonstrationen können ein wirksames Mittel der Arbeiter:innen sein um sich gegen den Genozid in Israel zu stellen und Druck auf ihre jeweiligen Regierungen zu machen, genauso wie die Gründung von Palästina- Komitees, wie es in den letzten Monaten an zahlreichen Universitäten weltweit passiert ist. Die Einheit von Beschäftigten gegen den Genozid mit der Unterstützung der Gewerkschaften könnte ein schlagkräftiges Mittel sein, Waffenlieferungen und so weiteres Blutvergiessen zu stoppen. Daher müssen die Führungen der Gewerkschaften dazu aufgerufen werden, die Mitglieder dagegen zu mobilisieren. 

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