München: Sozialistischer Semesterstart mit Waffen der Kritik

19.04.2024, Lesezeit 10 Min.
1

Unsere Unis sind Angriffen ausgesetzt wie lange nicht mehr: Genderverbot, mehr Bundeswehr an den Unis und extrem hohe Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende. Im Kampf gegen diesen Rechtsruck wollen wir die Verteidigung mit Selbstorganisierung in eine sozialistische Offensive umwandeln. Werde mit uns aktiv!

Die bayerische Landesregierung versucht aus unseren Hochschulen, Paradebeispiele ihrer reaktionären Agenda zu machen und der Hetze der AfD fruchtbaren Boden zu verschaffen. Bereits 2023 hat sie unsere Unis einer neoliberalen Reform (BayHIG) unterzogen, durch die Unternehmen einen deutlich größeren Einfluss bekommen, Arbeitsbedingungen prekarisiert werden und für Nicht-EU Studierenden enorme Gebühren anfallen sollen. Nun widmet sich Markus Söder dem Angriff auf fortschrittliche Werte wie Geschlechtergerechtigkeit und Frieden. Das Genderverbot steht dabei an prominenter Stelle. Erst in den letzten Wochen haben sich zahlreiche Professor:innen und Dozierende, sowie Gewerkschaften wie die GEW und ver.di, in einem offenen Brief dagegen ausgesprochen. Ebenso haben die Studierendenvertretung der LMU (StuVe) und weitere Studierendenvertretungen Stellungnahmen dagegen veröffentlicht. An vielen Hochschulen wurden in den Semesterferien Banner aufgehängt, die deutlich machen, dass sich Viele dem Verbot widersetzen. Diese Anstrengungen brauchen allerdings eine Perspektive, die über die Verteidigung dessen hinausgeht, was bislang galt. Hierin liegt nämlich die größte Angst der CSU.

Mit Maßnahmen wie dem Genderverbot oder dem besonders rigiden Vorgehen gegen Marihuana-Konsument:innen versucht die CSU vor allem gegenüber der AfD zu punkten. 2025 stehen die Bundestagswahlen an und die Unionsparteien müssen sich sorgen, dass die AfD ihr die Wähler:innen abjagt. Ein Stimmungsmesser dafür wird die Europawahl sein, die im kommenden Juni stattfindet. Bei einer Umfrage des Instituts Insa hatte die Union nicht einmal mehr 10 Prozentpunkte Vorsprung auf die AfD.

Die Staatsregierung gaukelt scheinheilig vor, mit dem Genderverbot keinen rechten Kulturkampf zu führen, sondern die akademische Freiheit zu verteidigen. Dabei greift sie diese selbst frontal an, indem sie die Universitäten immer weiter militärischen Zwecken unterwerfen will. So hat die Söder-Regierung angekündigt, Zivilklauseln in der Forschung zu verbieten und mittels eines „Kooperationsgebot“ eine engere Zusammenarbeit von Hochschulen mit der Bundeswehr zu schaffen. In Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen und Kriege wie in der Ukraine und in Gaza soll uns vermittelt werden, dass eine friedliche Welt nur mittels militärischer Aufrüstung gelingen kann und die Forschung diesem Militarismus dienen soll. Das Gewand der „feministischen Außenpolitik“ soll nun mit dem Inhalt der „Kriegstüchtigkeit“ befüllt werden. Die Realität dieser „Kriegstüchtigkeit“, zu der wir erzogen werden sollen, wird für uns nicht nur Autoritarismus und Bevormundung bedeuten. Sie wird zwangsweise auch zu weiteren mörderischen Auslandseinsätzen der Bundeswehr, wie in Afghanistan, führen. 

Die Münchner Universitäten sind von einer rein zivilen Forschung aber ohnehin weit entfernt. So wird an der LMU bereits seit Jahrzehnten an Sprengstoffen geforscht. Unter Professor Thomas Klapötke wurde eine „Grüne Bombe“ entwickelt, finanziert durch Bundeswehr, US-Armee und NATO. Nach wiederholten Protesten hält sich Klapötke inzwischen öffentlich bedeckt. Doch die „Synthese von energetischen, nicht-nuklearen Materialien für Militär- und Raumfahrtanwendung“ geht weiter.

Um die Freiheit von Forschung und Lehre steht es aber auch nicht gut, wenn man auf die prekären Arbeitsbedingungen von in befristeten Verträgen feststeckenden wissenschaftlichen Beschäftigten blickt. Besonders kritisiert wird dabei von vielen Beschäftigten unter dem Hashtag #IchbinHanna das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das für die Meisten Dauerbefristung bedeutet. Die Ampelregierung hat Ende März eine Reform des Gesetzes umgesetzt. Die macht jedoch kaum etwas besser. Inzwischen überlegt mehr als die Hälfte aller Wissenschaftler:innen den akademischen Bereich zu verlassen.

Geld für gute Arbeits- und Studienbedingungen gibt es angeblich nicht, dafür umso mehr für die Aufrüstung. Dutzende Milliarden Euro, die jedes Jahr in die Bundeswehr fließen, werden zu heftigen Sparmaßnahmen in unserem Gesundheitswesen und bei den Sozialausgaben ebenso wie in der Bildung führen. Der Zweck dieser Abhärtung ist es, die wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen des deutschen Imperialismus in der Welt zu wahren. Das wird angesichts des Bundeswehreinsatzes im Roten Meer deutlich: Dort geht es ganz unverhohlen darum, Handelsrouten offenzuhalten, damit die Profite deutscher Konzerne geschützt bleiben. Der Einsatz trägt aber gleichzeitig dazu bei, dass das Risiko einer weiteren Eskalation des Kriegs in der Region steigt. Für die Interessen der Kapitalist:innen, wie die Krupps oder Quandts, wird unsere Zukunft aufs Spiel gesetzt.

Mit dem Einsatz der Bundeswehr deckt die deutsche Regierung auch ihrem engen Verbündeten Israel den Rücken, während dieser unvermindert seinen genozidalen Krieg gegen Gaza fortsetzt. Mehr als 30.000 Menschen, darunter vor allem Kinder und Frauen, sind bereits ermordet worden, Millionen Menschen wurden in die Flucht getrieben, es herrscht eine grausame Hungersnot, die unzählige weitere Menschen das Leben kosten wird. Die deutsche Regierung findet daran nicht nur keine Worte der Kritik, sondern hat seine Waffenlieferungen bis Ende letzten Jahres im Vergleich mit 2022 sogar verzehnfacht.

Das sieht ein immer größerer Teil der Menschen in Deutschland kritisch. Doch auch an den Universitäten wird noch immer jede Opposition gegen den Genozid in Gaza und den israelischen Siedlerkolonialismus als Antisemitismus verunglimpft. Während Rechte von einer angeblichen linken „Cancel Culture“ schwadronieren, ist es Realität, dass linke Stimmen an den Universitäten zum Schweigen gebracht werden. Dabei treffen Antisemitismusvorwürfe immer mehr Jüd:innen. So wurde kürzlich die jüdisch-US-amerikanische Philosophin Nancy Fraser von der Universität Köln von einer Gastprofessur ausgeladen, weil sie im November einen Offenen Brief unterzeichnet hat, der die israelischen Verbrechen in Gaza einen Genozid nennt. Während fortschrittliche Positionen im deutschen Diskurs von den Mächtigen bekämpft werden, wird an unseren Universitäten eifrig der deutschen Staatsräson gehuldigt. Einer der prominentesten Professoren der LMU, Armin Nassehi, nutzte seit dem 7. Oktober seine Bekanntheit, um in den Spalten der großen deutschen Medien gegen Linke zu hetzen.

Nicht zuletzt greift diese Entwicklung tief in die feministische Bewegung ein. Am 8. März, dem internationalen feministischen Kampftag, konnten wir in München sehen, wie zionistische Kräfte palästinasolidarische Teilnehmer:innen angriffen. Darauf folgte nicht nur die altbekannte Hetze der Springerpresse. Wir konnten auch sehen, wie die feministische Außenpolitik Baerbocks die Bewegung spaltet. Während sie ihren Kriegskurs mit Phrasen tarnt und versucht, die Bewegung für ihre imperialistischen Ambitionen zu kooptieren, müssen die Frauen Gazas wegen der Zerstörung der Krankenhäuser und fehlender Anästhetika unter grauenvollen Bedingungen gebären. Diesem bürgerlichen Feminismus, der dazu schweigt oder nur allgemeine Mitleidsbekundungen übrig hat, erteilen wir eine Absage. Unser Feminismus ist antiimperialistisch. Wir stellen uns gegen die Kürzungen in Gesundheit und Sozialem im Dienste der Aufrüstung mit auf die Seite der Pfleger:innen, Erzieher:innen, Reinigungsarbeiter:innen und aller arbeitenden Frauen und sagen: Feminismus heißt Klassenkampf.

Wie und wofür wir kämpfen

Mit diesen Perspektiven haben wir in den letzten Monaten als Teil der internationalen Solidaritätsbewegung mit Palästina gekämpft. In München haben wir selbstorganisiert das Unikomitee für Palästina mit aufgebaut. Mit unseren Fachschaftsvertretern haben wir im Konvent der Fachschaften versucht, eine Resolution durchzusetzen, die einen Waffenstillstand fordert. Doch wir wollen dabei nicht stehenbleiben. Unser Kampf ist ein antiimperialistischer. Er zielt auf das Ende der kolonialen Besatzung, der Hauptstütze des deutschen Imperialismus in der Region.

Auch im Sommersemester werden wir mit aller Kraft den Kampf für die Freiheit Palästinas fortsetzen. Doch wir müssen ihn unbedingt auch in einen Kampf gegen die Militarisierung und den Rechtsruck insgesamt ausweiten. Es war ein wichtiger Anfang, gemeinsam mit weiteren palästinasolidarischen Organisationen an den Massendemonstrationen gegen Rechts Anfang des Jahres teilzunehmen. Doch solche Momente des großen Protests bleiben wirkungslos, wenn wir sie nicht nutzen, um an den Universitäten, an unseren Fakultäten und Instituten, Kräfte zu sammeln.

Für uns ist glasklar, dass wir keine kampflose Generation sind. Dabei sind wir angesichts der multiplen Krisen nicht allein: In den letzten Monaten haben wir wichtige Streiks von Arbeiter:innen bei der Bahn oder im Luftverkehr gesehen, die angesichts der Inflation und der Arbeitsbelastung ihre Kampfkraft gezeigt haben. Sie sind ebenfalls Angriffen ausgesetzt, wie die Rufe nach Einschränkung des Streikrechts von FDP und CDU zeigen. Während die Spitze des Gewerkschaftsverbands (DGB) dabei stehenbleibt, diese Maßnahme in Stellungnahmen als „absolute Kampfansage“ zu bezeichnen, müssen wir die Einheit im Kampf mit eben diesen strategischen Sektoren der Arbeiter:innen suchen. Insbesondere gegen den Militarismus hätten diese die Kraft, die Rüstungsproduktion und die Waffenlieferungen lahmzulegen und zu blockieren.

Für diese Einheit von Studierenden und Arbeiter:innen gegen den Imperialismus gibt es erste wichtige internationale Beispiele. Im Vereinigten Königreich ist die University and College Union (UCU) ein bedeutender Teil der Palästina-Solidaritätsbewegung und hat sich mit den zahlreichen Universitätsbesetzungen solidarisiert, die unter anderem in Leeds, Nottingham und Bristol gegen den Genozid in Gaza stattgefunden haben. 

Während die Führungen der deutschen Gewerkschaften von solchen Positionen weit entfernt sind, sammeln sich an der Basis auch hierzulande Kräfte gegen Krieg und Aufrüstung. Als Studierende müssen wir uns an solchen Initiativen beteiligen und das neue Semester nutzen, um Kräfte dafür aufzubauen. Ein erster kleiner Erfolg ist, dass es uns gelungen ist, dass am 14. Mai an der LMU eine universitätsweite Versammlung stattfinden wird. Wir wollen diese Veranstaltung nicht nur zu einem Moment des Austauschs machen, sondern zu einer echten Vollversammlung, auf der wir koordinieren und abstimmen wollen, wie wir von der LMU aus den Kampf gegen Militarisierung und Rechtsruck führen können.

Gemeinsam können wir nicht nur die zerstörerischen Tendenzen unserer Gesellschaft bremsen, vielmehr können wir gemeinsam für eine andere Gesellschaft kämpfen. Ein konkretes Beispiel unserer Stadt, welches dieses Semester erneute Bedeutung haben wird, ist die geplante Umstrukturierung der München Klinik. Gemeinsam mit den Hebammen und Kinderkrankenschwestern der Geburtshilfe vom Klinikum Neuperlach haben wir bereits in der Vergangenheit Proteste organisiert und uns für eine bedürfnisorientierte Gesundheitsversorgung eingesetzt. Der rot-grüne Stadtrat wird Mitte 2024 seine Pläne vorstellen und droht, seinem Versprechen, den Kreißsaal zu erhalten, nicht nachzukommen, wodurch dieser und weitere Stationen geschlossen werden könnten.

In diesem Semester werden wir diese Schwerpunkte als Teil des Kampfes gegen den Rechtsruck legen. Dabei wollen wir aber nicht in der Verteidigung bleiben, sondern Wege aufzeigen, wie dieser Kampf geführt werden kann und darin eigene Zukunftsvisionen entwickeln. Als sozialistische Studierende von Waffen der Kritik kämpfen wir für eine Gesellschaft, in der die demokratische Bestimmung der Politik, der Wirtschaft und der Kultur in den Händen der Arbeiter:innen und Jugend liegen. In diesem Sinne wollen wir die Tradition studentischer Selbstorganisierung wiederbeleben, die in früheren Generationen zahlreiche Beispiele findet, sei es in der 68er-Bewegung oder näher im Jahr 2009, an der Welle europäischer Hörsaalbesetzungen gegen Studiengebühren unter dem Motto „Uni brennt“. Dabei legen wir den Fokus auf die Entwicklung von Versammlungen, in denen in aller Breite demokratisch über die politischen Geschehnisse diskutiert und über den eigenen Eingriff in die Geschehnisse entschieden werden kann.

Für diese Orientierung nehmen wir zusätzlich die Verantwortung in die Hand, für eine neue Art der Fachschaftsvertretung zu kämpfen. Gegen Ende des Sommersemesters stehen Wahlen an und wir werden erneut für „Fachschaften der sozialen Kämpfe“ eintreten. In unserer Erfahrung des letzten Semesters, mit zwei Vertretern der Fachschaft Soziologie, konnten wir nur zu gut sehen, wie die Hinterzimmergespräche mit der CSU oder die Scheinrepräsentation durch den „Bayerischen Studierendenrat“ letztlich nur den Interessen der konservativen Kräfte dient. Doch statt nur teilnahmslos zuzugucken und dem Kampf in den Gremien auszuweichen, setzen wir auf die studentische Selbstorganisierung und die Entwicklung der eigenständigen politischen Kraft der Studierenden. 

Dafür brauchen wir euch!

Schließt euch uns an, um gemeinsam für eine demokratische Universität unter der Kontrolle von Studierenden und Beschäftigten, für ein Ende von Genozid und Militarisierung, für ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung und ein gutes Leben für alle zu kämpfen. Um eine Kraft aufzubauen, die sich nicht nur in der Gegenwehr des umfassenden Rechtsrucks organisiert. Mit Waffen der Kritik auf ins sozialistische Sommersemester!

Veranstaltungen von Waffen der Kritik in München

23. April: Offenes WdK-Treffen ab 17:30 Uhr (Ort auf Anfrage)

26. April: Veranstaltung: „Warum kämpfen wir für den Sozialismus – und für welchen?“ ab 18:00 Uhr (Ort auf Anfrage)

1. Mai: Auf die Straße mit Waffen der Kritik und Klasse gegen Klasse bei der DGB-Demo ab 09:00 Uhr (Agentur für Arbeit Kapuzinerstraße 26) und auf der revolutionären erste Mai Demo um 13:00 Uhr (Rindermarkt)

6. Mai: Filmvorführung von „Not Just Your Picture“ ab 18:30 Einleitung, 19:00 Uhr Filmbeginn (Ort auf Anfrage)

t.b.a.: sozialistische Stadtteilführung im Uni-Viertel 

14. Mai: Universitätsweite Austauschveranstaltung an der LMU ab 18:00 Uhr (Ort: t.b.a.)

Mehr zum Thema