Universitäten und Schulen im Dienste der Aufrüstung: Kabinett in Bayern beschließt Entwurf

24.01.2024, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Mircea Moira / Shutterstock.com

Mittels eines neuen Gesetzes plant die bayerische Staatsregierung, der Bundeswehr einen weitreichenden Zugang zu Schulen und Universitäten zu verschaffen.

Mit der von Olaf Scholz im Februar 2022 ausgerufenen „Zeitenwende“ begann eine für die BRD bisher beispiellose Aufrüstung: Auf die Rede folgten das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr und ein Militäretat, der dieses Jahr ganze 51,8 Milliarden Euro umfassen soll. Dabei sollte es nicht bleiben: Im Juli 2023 forderte Friedrich Merz (CDU) den freien Zugang der Bundeswehr zu Schulen und Forschungskapazitäten an Universitäten, wobei er sich zugleich gegen eine Zivilklausel aussprach, da diese seiner Ansicht nach nicht mehr zeitgemäß sei. Merz‘ Forderung versucht die bayerische Staatsregierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun in Gesetzesform zu übertragen. Am Dienstag beschloss das Kabinett einen Entwurf für ein „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“. Dieses sieht ein „Kooperationsgebot der Hochschulen“ mit Einrichtungen der Bundeswehr vor, die, wenn es aus Gründen der nationalen Sicherheit notwendig sei, auch zu einer Kooperationspflicht werden könne. In der Pressemitteilung zum Gesetzesentwurf wird außerdem festgehalten, „dass es an Bayerns Hochschulen auch künftig keine Zivilklauseln geben wird, die Forschung zu militärischen Zwecken verbieten“.

Konkret umfasst der Entwurf Änderungen in verschiedenen Bereichen. Bayern solle zu einem noch attraktiveren Standort für die Bundeswehr, verbündete Streitkräfte sowie die forschungsintensive Sicherheits- und Verteidigungsindustrie werden. Zwar sei „für die Umsetzung der sicherheitspolitischen Zeitenwende […] in erster Linie der Bund [zuständig]“; Bayern jedoch habe sich bereits in der Vergangenheit hierfür im Bundesrat besonders eingesetzt. Nun wolle man als erstes Bundesland dort vorangehen, „[w]o die Länder in eigener Zuständigkeit zur Stärkung der Bundeswehr und damit zum Schutz Deutschlands beitragen können“. Dies bedeutet, die Bundeswehr in die Lage zu versetzen, ihre Einsatzbereitschaft zur Landes- und Bündnisverteidigung sowie ihre Verpflichtungen in der NATO erfüllen zu können. Dass dies unabdingbar sei, würden unter anderem der „andauernde Krieg Russlands in der Ukraine und die Drohungen Putins gegen den Westen […] deutlich [machen]“.

Im Bereich von Forschung und Wissenschaft – und damit der Hochschulen und Universitäten – wird die Notwendigkeit zur Kooperation insbesondere mit dem zunehmenden Einsatz modernster Flugabwehrsysteme sowie weiteren disruptiven Technologien begründet. Gefördert werden solle demnach Forschung „zu Zwecken der Landes- und Bündnisverteidigung“, worunter exemplarisch Künstliche Intelligenz (KI), Robotik, Drohnen und Cyberwaffen aufgeführt werden. Zudem stelle der Transfer von Know-how und gut ausgebildeten Fachkräften, die von den Hochschulen und Universitäten kommen, sicher, die „Demokratie gegen Bedrohungen von außen“ verteidigen zu können, wenn eine Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Bundeswehr erfolgt.

Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, die Indoktrinierung durch die Bundeswehr nicht erst bei Studierenden beginnen zu lassen. Die Bundeswehr gehöre in die Mitte der Gesellschaft, sodass im „Bereich der politischen Bildung […] alle staatlichen Schulen mit den Jugendoffizieren sowie den ‚Blaulichtorganisationen‘ zusammenarbeiten [sollen]“. Zusätzlichen Veranstaltungen zu Ausbildungs-, Berufs- und Dienstmöglichkeiten würden als Ergänzung für die berufliche Orientierung der Schüler:innen dienen – dies sei unverzichtbarer Teil der Personalgewinnung der Bundeswehr, auch vor dem Hintergrund der Diskussionen um die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Gegen mögliche Kritik an dieser Form des Bildungsangebots argumentiert die Pressemitteilung  präventiv, dass es eine „Vermischung aus politischer Bildung und Anwerbung für den Dienst der Bundeswehr […] auch künftig nicht geben [werde]“.

Einen weiteren zentralen Aspekt des Gesetzesvorhabens bildet die militärische Infrastruktur. Diese sei eine strukturelle Voraussetzung für die Aufgabe der Bundeswehr, die Einrichtungen für die Landes- und Bündnisverteidigung vorzuhalten sowie ihre Pflichten und Funktionen im Rahmen der NATO zu erfüllen. Um jene militärische Infrastruktur – etwa moderne Kasernen, Depotstrukturen, Verwaltungseinheiten – zur Verfügung stellen zu können, seien Milliarden-Investitionen erforderlich. Der Entwurf sieht diesbezüglich eine Entbürokratisierung und Deregulierung für das militärische Bauen vor, wodurch die Bundeswehr beispielsweise auch von örtlichen Bauvorschriften freigestellt wäre. Darüber hinaus ist eine Entlastung der Bundeswehr beim Denkmalschutz durch die Herabsetzung der Anforderungen auf Militärgelände vorgesehen, sodass die Gebäude flexibel und entsprechend des militärischen Bedarfs genutzt werden könnten.

Universitäten und Schulen: Keine Lakaien der Bundeswehr!

Mitnichten sind Schulen und Universitäten bisher frei von Bundeswehr und Forschung zu militärischen Zwecken. So finanzierte beispielsweise das Pentagon Rüstungsforschung an der LMU in Höhe von knapp vier Millionen Dollar. Gleichzeitig bezieht Thomas Klapötke, der an der LMU als Professor tätig ist und an der sogenannten „Grünen Bombe“ forscht, 75 Prozent seiner Gelder ebenfalls vom US-Verteidigungsministerium. Dass Klapötke ausgerechnet in München beziehungsweise Bayern Wissenschaft betreibt, ist kein Zufall. In einem früheren Interview begründete er die Standortwahl mit der fehlenden Zivilklausel.

Diese Liste ließe sich fortsetzen; deutlich wird aber, dass die bayerische Staatsregierung mit dem Gesetzentwurf plant, solche Kooperationen zu etablieren und unter Umständen zur Pflicht zu machen. Dies geschieht nicht im luftleeren Raum, sondern im Kampf um kapitalistische Einflusssphären. Europa soll als Militärmacht aufgebaut werden, wodurch es dem deutschen Imperialismus möglich werden würde, seine Ziele weltweit durchzusetzen. Die zunehmende Militarisierung im Innen und Außen macht daher auch vor Bildungseinrichtungen keinen Halt. Bezeichnenderweise ist die Bildung ein Bereich, der permanent von Sparmaßnahmen und Kürzungen betroffen ist – Geld wird stattdessen zugunsten der Aufrüstung investiert.

Als Studierende und Beschäftigte an Schulen und Universitäten müssen wir uns diesem Gesetzesvorhaben entgegenstellen. Ebenso müssen die Gewerkschaften ver.di und GEW dagegen mobilisieren und in den betrieblichen Strukturen dagegen vorgehen. Da es sich bei Zivilklauseln um Selbstverpflichtungen von Universitäten handelt, sind diese nicht ausreichend, um Rüstungsforschung gänzlich und ein für alle Mal aus den Universitäten zu verbannen; sie sind aber ein erster Schritt, um den Kampf gegen Aufrüstung und Militarisierung im Kontext von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu führen. Darüber hinaus braucht es Milliardeninvestitionen in die Bildung statt die Bundeswehr. Lasst uns daher gemeinsam diskutieren, wie wir das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“ verhindern und darüber hinaus für eine Universität unter Kontrolle der Studierenden und Beschäftigten kämpfen können!

 

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