Metalltarifrunde 2020: Der vorauseilende Gehorsam der IGM-Führung

28.01.2020, Lesezeit 5 Min.
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In diesem Jahr steht erneut eine Tarifrunde in einem der strategisch wichtigsten Sektoren der deutschen Wirtschaft an. Doch die IG Metall-Führung macht schon vorher einen Rückzieher und bietet ein "Moratorium" an, das einen Verzicht auf eine Entgeltforderung, die Möglichkeit von 24 Monaten Kurzarbeit und schlimmstenfalls die Aufweichung des Flächentarifvertrags enthält.

Bild: DPA | Oliver Dietze

Dieser Tage bekommt man aus den Reihen der IG Metall wieder ein Lehrstück über Sozialpartnerschaft geboten. Im Frühjahr stehen neue Tarifverhandlungen für die vier Millionen Arbeiter*innen in der Metall- und Elektroindustrie an. Es gibt kaum eine richtungsweisendere Tarifrunde in der deutschen Wirtschaft. So war die Frage der Arbeitszeitverkürzung, die in der letzten Tarifrunde Anfang 2018 aufgeworfen wurde, trotz des am Ende mehr als ernüchternden Ergebnisses ein wegweisendes Thema für die Debatten der vergangenen zwei Jahre.

Was schlägt die IG-Metall-Spitze also für die vor uns liegende Tarifauseinandersetzung vor? „Die IG Metall sieht für diese nun anstehenden Verhandlungen von einer bezifferten Forderung zur Erhöhung der Entgelte ab.“ Angesichts der „Unsicherheit über die weitere konjunkturelle Entwicklung“ schaltet die IG Metall mit einem „Moratorium für einen fairen Wandel“ in vorauseilendem Gehorsam nicht auf Angriff, nicht einmal auf Verteidigung, sondern auf kampflose Übergabe. Dieses Papier, dass der IGM-Vorsitzende Jörg Hofmann am Freitag in Frankfurt am Main vorstellte, spielt die notwendige Diskussion um den Erhalt von Arbeitsplätzen und den anstehenden Strukturwandel in der Metall- und Elektroindustrie gegen die Interessen der Beschäftigten aus und verzichtet schon im Vorhinein auf eine kämpferische Tarifrunde – im Austausch dafür, dass die Bosse ihre „Bereitschaft“ erklären, auf „einseitige“ Kündigungen und Betriebsschließungen zu verzichten.

Von solchen einseitigen Versprechen lässt sich die IG Metall allzu gerne einlullen, bringen tut es im Regelfall jedoch nichts. Es sei nur an das „Versprechen“ zu Verhandlungen über die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland aus der letzten Tarifrunde erinnert, das einzig und allein dazu diente, zur Eindämmung der Streiks beizutragen. Die 35-Stunden-Woche im Osten ist heute nicht einen Millimeter näher.

Als wäre das alles nicht grotesk genug: Die IG Metall bietet in ihrem „Moratorium“ auch noch an, auf der Ebene einzelner Betriebe – und nicht der gesamten Branche! – „Zukunftspakete“ zu verhandeln. Damit höhlt die IG Metall vorsorglich selbst den Flächentarifvertrag aus, der ja gerade verhindern soll, dass einzelne Betriebe durch Drohungen der Konzerne immer wieder Zugeständnisse machen müssen, während einige wenige profitieren. Dieses Geschenk an die Spitzen der Metall- und Elektrokonzerne kommentierte die Tageszeitung junge Welt passend: „Die IG Metall kehrt zurück zum Krisenkorporatismus.“ Dass die IG Metall mit dem Argument der Eindämmung von Entlassungen und Schließungen jetzt „betriebliche Zukunftspakete“ fordert – und nebenbei noch die Regierung um die Ausweitung der Kurzarbeitsregelungen bittet –, anstatt mit der Streikfähigkeit der gesamten Branche ein Verbot von Entlassungen und Schließungen durchzusetzen, lässt sich nur so erklären.

Ein solcher Burgfrieden ist nichts anderes als ein erneuter Ausverkauf der Interessen der Millionen Beschäfitgten in der Metall- und Elektroindustrie. Wenn die Analyse stimmt, dass angesichts steigender wirtschaftlicher Unsicherheiten Entlassungen, Aus- und Verlagerungen und Schließungen zu befürchten sind, müsste die IG Metall eigentlich die anstehende Tarifrunde nutzen, um die Gesamtheit der Arbeiter*innenklasse in dieser Branche – sowohl die zentralen Betriebe als auch die Zulieferer, sowohl die Festangestellten als auch die Leiharbeiter*innen – zu mobilisieren und ein Verbot von Entlassungen und Schließungen zu erzwingen. Ein solches Notfallprogramm mit diesen und weiteren Forderungen könnte die IG Metall, die wichtigste gewerkschaftliche Organisation in einem imperialistischen Land wie Deutschland, mit ihrer entsprechenden Organisationsmacht vorantreiben und mit unbefristeten Streiks auch durchsetzen.

Dabei hat die IG Metall vor nicht einmal zwei Wochen eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie großspurig die Eröffnung der Tarifrunde verkündete. Der bayerische Bezirksleiter Johann Horn sagt in einer gesonderten Mitteilung der IG Metall Bayern sogar deutlich, dass die Unternehmen weiterhin gute Renditen erwirtschaften würden und es deshalb keinen Grund zur Lohnzurückhaltung (!) gäbe. In der gleichen Mitteilung kritisiert er, dass die Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, um Lohnkosten zu sparen. Was sich nun innerhalb von einer Woche an dieser Einschätzung geändert hat, erschließt sich kaum. Zumal die Industrie damit längst begonnen hat. Ganz aktuelles Beispiel: Beim Autozulieferer Bosch in Bremen hatten sich die Beschäftigten bis vor einigen Tagen noch mit Warnstreiks gegen die geplante Auslagerung der Produktion nach Ungarn gewehrt. Doch die Führung der IG Metall hat sich mittlerweile mit Bosch geeinigt und den Kampf damit abgewürgt.

Mit dem „Moratorium“ stellt sich die Gewerkschaftsführung jetzt schon darauf ein, als Lakai der Bosse gegenüber den Arbeiter*innen die Notwendigkeit zu erklären, „den Gürtel enger zu schnallen“. Zeit für die Basis, sich schon jetzt dagegen zu organisieren.

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