Merkel/Macron: Konzerne retten, Arbeiter*innen zur Kasse zwingen

23.05.2020, Lesezeit 5 Min.
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Angela Merkel und Emmanuel Macron verkündeten diese Woche Pläne für einen europäischen "Wiederaufbaufonds". Eine Neuauflage der Achse Berlin-Paris zum Angriff auf die europäische Arbeiter*innenklasse und zur Stärkung eines europäischen imperialistischen Pols angesichts der steigenden geopolitischen Spannungen.

Am Freitag frohlockte DER SPIEGEL in seinem Leitartikel: „Die deutsch-französische Achse ist in der Coronakrise zu neuem Leben erwacht. Endlich!“ Der von Angela Merkel und Emmanuel Macron vorgestellte „Wiederaufbaufonds“ in Höhe von 500 Milliarden Euro sei „ein großer Schritt in der Geschichte der Union, ein starkes Zeichen von Solidarität der Stärkeren mit den Schwächeren.“

Die Achse Berlin-Paris lag lange auf Eis, doch die Coronakrise verschärft die Notwendigkeit für den deutschen und den französischen Imperialismus, eine Antwort auf die strukturellen Spannungen innerhalb der Europäischen Union und auf die wachsenden geopolitischen Konflikte zu geben. Anders als es der SPIEGEL jedoch meint, handelt es sich beim Deal zwischen Merkel und Macron nicht um einen Akt der Solidarität, sondern um knallhartes Kalkül zur Stärkung eines europäischen imperialistischen Pols und zur Aufrechterhaltung des europäischen Binnenmarktes – natürlich auf Kosten der Arbeiter*innenklasse.

Die gigantische Summe von einer halben Billion Euro soll durch Kredite beschafft werden, die die EU-Kommission aufnehmen darf. Im Unterschied zu dem Modell der „Eurobonds“, welches seit Beginn der Coronakrise von Regierungen von Ländern wie Italien und Spanien ins Spiel gebracht wurde, soll es jedoch keine gemeinschaftliche Haftung der EU-Staaten für diese Kreditsumme geben. Stattdessen haften die Mitgliedsländer nur anteilig entsprechend ihrem Anteil am EU-Haushalt.

Das hält Hardliner wie den Ultrakonservativen Friedrich Merz (CDU) oder den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz natürlich nicht davon ab, das schon in der Eurokrise ab 2010 immer wieder angerufene Schreckgespenst „Vergemeinschaftung der Schulden“ zu beschwören. Wohlgemerkt haben diese Politiker keinerlei Probleme mit der Abwälzung der Krise auf die große Mehrheit der Gemeinschaft – die Arbeiter*innen, die Rentner*innen, die Jugend, die Frauen, die Migrant*innen –, wenn es um Rettungspakete in Billionen-Höhe für die Großkonzerne geht, wie sie beispielsweise die Bundesregierung verabschiedet hat. Sie wollen lediglich nicht für die Schulden konkurrierender Bourgeoisien aufkommen.

Dass der „Wiederaufbaufonds“ zur Wahrung der Interessen der Bourgeoisien – besonders der deutschen und der französischen – dient und nicht tatsächlich dem Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie, ist glasklar: Denn ohne „Gegenleistung“ bekommen die Mitgliedsstaaten gar kein Geld aus dem Fonds. Sie müssen einen „nationalen Wiederaufbauplan“ sowie ein „Reformprogramm“ präsentieren. Das bedeutet nichts anderes, als dass noch mehr massenhafte Kürzungen und Sparprogramme anstehen und somit noch mehr Arbeitsplätze vernichtet, noch mehr Sozialprogramme gestrichen, noch mehr Menschen ins Elend geworfen werden.

Hinter dem „Wiederaufbaufonds“ verbirgt sich eine Neuauflage der Troika-Politik anlässlich der Eurokrise vor zehn Jahren. Deutschland und Frankreich werden so ihre Vormachtstellung in der EU weiter ausbauen – auf Kosten der Arbeiter*innen, der Armen und der Rentner*innen, die noch weiter ins Elend getrieben werden.

Umso skandalöser ist es, dass die großen europäischen Gewerkschaftsdachverbände in einem gemeinsamen Appell deutscher und französischer Gewerkschaften grundsätzliche Unterstützung für die Pläne signalisiert haben. Und der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte im Deutschlandfunk: „Um den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Pandemie europäisch, gemeinsam solidarisch auf den Weg zu bringen, dafür ist der Vorschlag völlig richtig. Wir wissen aber auch, wir haben einen erheblichen Bedarf für die Modernisierung unserer Volkswirtschaften, getrieben durch Digitalisierung, wir wollen den Klimawandel gestalten, und da brauchen wir anspruchsvolle Investitionen, da wird der Vorschlag von Macron und Merkel allein nicht reichen.“

Es ist jedoch klar, dass der Wiederaufbaufonds weder „solidarisch“ sein wird noch auch nur in irgendeiner Weise den Interessen der Arbeiter*innen in Europa dienen wird. Im Gegenteil werden die werktätigen Massen in von der Corona-Pandemie am stärksten gebeutelten Ländern wie Italien und Spanien, aber auch in Frankreich und durchaus auch in Deutschland, die Krise aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Wenn „Reformvorgaben“ für EU-Kredite angeordnet werden, wird es zu einem gigantischen sozialen Kahlschlag kommen, der die sozialen Konsequenzen der Coronakrise, die schon jetzt zu bis zu 20 Millionen neuen Arbeitslosen in Europa geführt hat, nur noch verschärfen wird.

Schon in der Eurokrise hat die Troikapolitik unter der Führung Deutschlands zu sozialen Verheerungen geführt, während das deutsche Kapital seine Vorherrschaft in Südeuropa ausbauen konnte. Dieser Prozess droht sich zu wiederholen. Zugleich wollen Deutschland und Frankreich sich damit im internationalen Konkurrenzkampf gegen die USA und China positionieren. Sie zeigen damit eine neue geopolitische Offensive, die die Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten und den Regionalmächten weiter anheizen könnte.

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