„Mein Kopf gehört mir!“

18.07.2017, Lesezeit 3 Min.
Gastbeitrag

Unsere Gastautorin reflektiert über die Rolle, die ihr im herrschenden Diskurs zugeteilt wird. Als Frau mit Kopftuch wird sie zur Expertin "des" Islam gemacht, es werden ihr Positionierungen zugeschrieben und von ihr eingefordert - um dann zum Gegenbild des ach-so-fortschrittlichen Westen gemacht zu werden. Darauf lässt sie nicht ein und sagt: "Mein Kopf gehört mir!". Von Furat Abdulle

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Von allen Seiten heißt es ständig „Positioniere dich zum Thema XY!“, „Was hältst du von Homosexualität?“ und „Wie stehst du zum Existenzrecht Israels?“. Von Aufforderungen bis hin zu Fragen ist einiges dabei und meistens geht es nicht darum, eine konstruktive Unterhaltung auf Augenhöhe zu führen. Schnell kommen muslimisch-gelesene und muslimisch-positionierte Menschen in Rechtfertigungszwänge.

Während meines Lehramtsstudiums kam ich öfters in Situationen, in denen ich mich erklären, rechtfertigen oder positionieren musste. Oftmals frage ich mich, ob mein Kopftuch dazu einlädt, mich als Expertin für „den“ Islam zu betrachten oder ob das vermeintliche Interesse ein grundlegendes Unverständnis des muslimischen ‚Anderen‘ darstellt. Wenn ich als Expertin angesprochen werde, meine ich damit in eine Position gebracht zu werden, in der ich stellvertretend für alle Muslim*innen dieser Welt sprechen soll. Meine individuellen Aussagen werden als allgemeine Aussagen und Haltungen aufgefasst und gleichzeitig umso stärker in Frage gestellt.

Es ist schon paradox, oftmals in Situationen gebracht zu werden, in denen ich zur Expertin und Sprecherin für alle Muslim*innen gemacht werde, wenn im gleichen Moment meine Aussagen in Frage gestellt werden. Wenn das vermeintliche Interesse und damit verbundene Unverständnis die Ursache für das Verlangen von Erklärung, Rechtfertigung oder Positionierung ist, dann muss ich in Frage stellen, ob ich mich in dieses Verhältnis der Abgrenzung setzen lassen möchte. In dieser Form von Abgrenzung des muslimischen ‚Anderen‘ wird das ‚Eigene‘ als positives unhinterfragtes Gegen- und Selbstbild erzeugt. Aufforderungen und Fragen werden im scheinbar gleichberechtigt geführten Diskurs legitimiert. Symbol-, Schein- und Stellvertreterdebatten, in denen sich der sogenannte Westen als „demokratisch“, „humanistisch“ und „progressiv“ stilisiert und eine Differenz zum Rest der Welt konstruiert, mit Zuschreibungen wie „rückschrittlich“, „bedrohlich“ und „unterdrückt“ sind die Folge.

Im gleichen Atemzug wird, wie in aktuellen Debatten um das „Burkaverbot“, aber auch in der „Kopftuchdebatte“ seit den 80ern, von Feminist*innen und Politiker*innen eine Gleichberechtigung zwischen muslimischen Frauen* und Männern* gefordert. Die Frage ist nur, welche Definition von Gleichberechtigung liegt hier zugrunde und wer bestimmt schon wieder, wer spricht und wer gehört wird? Langsam wird das „Wir-sind-die-Guten-und-Ihr-seid-die-Bösen“-Spiel langweilig. Ich will weder, dass einige sogenannte Feminist*innen mich nach ihrer Definition von Gleichberechtigung „befreien“, noch will ich mich in Debatten verlieren, in denen meine Position ohnehin von außen bestimmt wird.

Ich lasse mich nicht in Projektionen zwängen, die mit Aufforderungen und Rechtfertigungszwängen in zugeschriebene Positionierungen münden. Sich den ständigen Aufforderungen und Rechtfertigungszwängen zu entziehen, gestaltet sich als schwierig. Es bleibt meistens die Möglichkeit, für sich selbst zu sprechen und/oder intensiver über die herrschenden Verhältnisse zu reflektieren. Also darüber zu reflektieren, welche gesellschaftlich-hegemonialen Diskurse aus den Menschen sprechen, darüber zu reflektieren, welche gesellschaftlichen Positionierungen hinter ungleich geführten Debatten stecken und darüber zu reflektieren, ob es situativ sinnvoll ist, auf die Reflexion von problematischen Haltungen hinzuweisen.

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