Leipzig: Antifaschist:innen unter Generalverdacht

02.06.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Ayrin Giorgia / Klasse gegen Klasse

Das Ordnungsamt der Stadt Leipzig verbietet Solidaritätsdemonstrationen mit verurteilten Antifaschist:innen und greift dabei Grundrechte an. Mitverantwortlich: ein Bürgermeister der Partei DIE LINKE.

Das Oberlandesgericht Dresden verkündete am Mittwoch ihr Urteil im Antifa-Ost-Verfahren: Fünf Jahre und drei Monate Haft für die Antifaschistin Lina E. Die Drei Mitangeklagten erhielten Haftstrafen von bis zu drei Jahren und drei Monaten. Der Grund: die vermeintliche Bildung einer “kriminellen Vereinigung” sowie gefährliche Körperverletzung, in einem Fall der Beihilfe zu dieser.

An dieser Stelle soll es nicht um den Gerichtsprozess selbst gehen, der an vielen Stellen, um es nett auszudrücken, fragwürdig ablief. Das Lower Class Magazine veröffentlichte einen beißenden Kommentar, der vieles an diesem Prozess enthüllt. Auch die Rote Hilfe redet von einem politisch motivierten Prozess, in dem die Angeklagten bewusst in die Nähe des Terrorismus gestellt wurden, um das Urteil im Vorfeld zu legitimieren.

Es ist also nicht verwunderlich, dass Linke gegen dieses skandalöse Urteil demonstrieren und Freiheit für Lina und alle politischen Gefangenen fordern. Bereits als am Mittwoch das Urteil verkündet wurde, kam es zu Spontandemonstrationen in verschiedenen Städten des Landes. Die Polizei griff mehrere dieser Demonstrationen brutal an.

Das Bündnis “Wir sind alle LinX!”, dass sich gegen die Kriminalisierung von Antifaschist:innen einsetzt und im Zuge des Antifa-Ost-Verfahrens gegründet wurde, rief zu einer Demonstration am Samstag, den 03.06 in Leipzig auf.

Doch dass gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus protestiert wird, gefällt dem Staat offenbar nicht. Einen Tag später veröffentlichte das Ordnungsamt der Stadt eine Pressemitteilung, in der es ein Demonstrationsverbot verkündete. Grund dafür seien die “Gefahrenprognosen der Polizeidirektion Leipzig”, die mit einem “unfriedlichen Verlauf” rechne. Doch die Demonstration wurde bereits vor der Urteilsverkündung verboten, am Donnerstag jedoch erst amtlich gemacht. Eine solch kurzfristige Mitteilung erschwert es, dieses Verbot auf Rechtsweg anzufechten.

Ein “linker” Bürgermeister ist zuständig

Hierbei darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Ordnungsamt Heiko Rosenthal, dem Bürgermeister für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport untergeordnet ist. Rosenthal ist Mitglied der Partei Die LINKE – der Leipziger Ortsverband der Partei hat sich zum Verbot bisher nicht geäußert.

Der Staat unternimmt indes weitere Maßnahmen, um den antifaschistischen Protest zu unterbinden. Hamburger Antifaschist:innen wurde per Meldeauflage die Fahrt nach Leipzig untersagt.

nach “links aussehenden” Menschen Ausschau zu halten. Doch viele Antifaschist:innen lassen sich vom Verbot nicht einschüchtern und werben mit kreativen Aktionen wie “Massen Cornern” dazu, sich dezentral zu treffen und ein Zeichen gegen die Verurteilung zu setzen.

Die Leipziger Polizei rüstet sich auf einen der größten Einsätze seit Jahren, bereits heute patrouillieren bewaffnete Beamt:innen die Stadt. Neben den wahrscheinlichen Spontanprotesten findet morgen mit dem Finale des Sachsenpokals ein Fußballspiel statt, was Tausende Fans anziehen wird, mitunter dabei sicher viele rechte Hooligans, sowie ein Konzert Herbert Grönemeyers und das Leipziger Stadtfest.

Da die Polizei offensichtlich davon ausgeht, dass Aktivist:innen ihre berechtigte Wut gegen das Urteil auf die Straße bringen werden, kann das rabiate Demonstrationsverbot als eine Maßnahme der Kriminalisierung antifaschistischer Aktionen aufgefasst werden, das zudem die potenziellen Demonstrierenden unter Generalverdacht stellt. Es ist zutiefst zu verurteilen, dass ein “linker” Bürgermeister wie Heiko Rosenthal ein solches Demonstrationsverbot zulässt. Linke sollten sich ausnahmslos solidarisch mit von Repression betroffenen Antifaschist:innen stellen und klar sagen: weg mit dem Demonstrationsverbot!

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