Kristina Hänel stellt ihr politisches Tagebuch vor: „Abtreibung ist ein staatlich verordnetes Tabu“

26.03.2019, Lesezeit 3 Min.
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Die Ärztin Kristina Hänel ist im Kampf für das Informationsrecht der Frauen zur Aktivistin geworden. Diesen Weg beschreibt sie in ihrem bewegenden neuen Buch. Auf der Leipziger Buchmesse hat sie es vor hundert Menschen vorgestellt.

Bild: Kristina Hänel bei der Leipziger Buchmesse.

Kristina Hänel ist heute eine bekannte Figur. Als Ärztin informiert sie auf ihre Webseite darüber, dass sie Abtreibungen durchführt, was ihr mehrere Ermittlungsverfahren eingebracht hat – wegen des Verdachts auf Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft. Vor fast zwei Jahren hat sie begonnen, sich gegen diese Kriminalisierung durch den §219a zu wehren. Seitdem steht sie stellvertretend für den Kampf um das Informationsrecht für Frauen und alle Schwangeren und damit auch für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. In ihrem nun im Argument-Verlag erschienenen politischen Tagebuch „Das Politische ist persönlich“ schildert sie bewegend ihren Weg zur politischen Aktivistin, die entschlossen ist, den §219a bis vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen – und wenn nötig, noch darüber hinaus. Dabei lernen wir sie auch als Menschen kennen, der Musik und die Familie liebt und sich voll für seine Patient*innen einsetzt, vor allem für die Kinder, denen Hänel Reittherapie ermöglicht.

Auf der Leipziger Buchmesse stellte sie dieses Tagebuch vor und stellte sich dabei in die Tradition der Ärztin Else Kienle, die 1931 aufgrund des §218 im Gefängnis saß – und damit Teil einer Bewegung wurde, die zu Hunderttausenden auf der Straße und bei Kundgebungen für das Recht auf Abtreibung protestierte. Auf diese Bewegung und die Ärzt*innen, die daran teilnahmen, zielte 1933 die Einführung des §219a ab, der auch heute noch gilt, abgeändert nur zuletzt durch eine Reform der Großen Koalition – eine Gesetzgebung, wie sie in keinem anderen europäischen Land existiert.

Und dieser Paragraph hat fatale Folgen: Er installiert ein öffentliches Tabu über das Thema der Abtreibung und schürt Angst unter Ärzt*innen – deshalb veröffentlichte Kristina Hänel ihr erstes Buch zu dem Thema vor gut zwanzig Jahren auch unter einem Pseudonym. „Das Tabu ist staatlich verordnet“, kommentierte sie bei ihrer Buchvorstellung auf der Bühne der linken Verlage. „Aber ich habe angefangen zu sprechen, das gesprochene Wort ist eine Waffe. Ich sehe meine Rolle darin, dass ich für die Frauen spreche.“ Sie tut dies, obwohl selbst an diesem Tag in Leipzig gilt: „Alles, was ich hier mache, ist verboten.“

Auch für die „Reform“ des Paragraphen findet sie klare Worte: „Die Groko hat die Tür an dieser Stelle zugeschlagen“, denn kein liberaler Richter dürfe nun anders entscheiden. Ihre Webseite ist auch nach dem neuen Gesetz illegal – und zwar nach der neuen Gesetzeslage ohne die Möglichkeit, das Gesetz anders auszulegen. Sie ist sich sicher: „Die Mehrheit der Bevölkerung ist auf meiner Seite.“ Vor das Bundesverfassungsgericht oder den europäischen Gerichtshof wolle sie trotz dieser Reform ziehen: „Auch wenn jetzt ein Gesetz beschlossen wurde, dass mich letztlich ins Gefängnis bringen kann.“ Von den Drohungen durch die sogenannten Lebensschützer und den Alpträumen, die sie ihr bereiten, wie sie in ihrem Buch beschreibt, will sich Hänel nicht aufhalten lassen.

Das Motto aus ihrem Buch gilt also weiterhin: „Ich bin Ärztin und will das Informationsrecht der Frauen vereidigen.“ Und hoffentlich gibt ihr der Klang von Klarinetten auch weiterhin Kraft bei den Verhandlungen.

 

Kristina Hänel: Das Politische ist persönlich. Tagebuch einer „Abtreibungsärztin“. Argument Verlag, Hamburg 2019. 250 Seiten, 15 Euro.

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