Kriegserklärung des spanischen Königs an Katalonien

05.10.2017, Lesezeit 5 Min.
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GRA279. MADRID, 03/10/2017.- El Rey Felipe VI dirige un mensaje a los españoles dos días después del referéndum ilegal organizado por la Generalitat sobre la independencia de Cataluña. EFE/Casa de S.M. el Rey/Francisco Gómez

Der spanische König zeigte sich in seiner Rede am Dienstag abend unnachgiebig: Das Madrider Regime von 1978 wird alle nötigen Schritte unternehmen, um das Selbstbestimmungsrecht Kataloniens zu zerstören und notfalls in einem Blutbad zu ertränken.

Noch am Abend des Generalstreiks und nur zwei Tage nach dem Referendum richtete der spanische König Felipe VI. eine Rede an die Nation — oder besser gesagt: Er las im Namen der Madrider Regierung eine Kriegserklärung an Katalonien vor. Es war das Zeichen zum Gegenangriff, nachdem am gleichen Tag rund 700.000 Menschen auf die Straßen gegangen waren. Obwohl es eine einzigartige Manifestation des Proletariats war, welches das gesamte öffentliche Leben lahmlegte, machte Felipe VI. nicht einen Schritt auf Regionalregierung in Barcelona zu. Ihr gab er die alleinige Schuld „angesichts der Schwere der Situation“, weil diese sich „außerhalb von Recht und Demokratie“ gestellt habe.

Die Verfassung gründet sich auf die unauflösliche Einheit der spanischen Nation, gemeinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier […]

… und gerade dieses „unteilbare Vaterland aller Spanier” ist eine Fiktion, die in Art. 2 der Verfassung des Spanischen Staates ausgedrückt wird und notfalls mit allen repressiven Mitteln verteidigt werden wird. Aus jener monarchistischen Verfassung also, die 1978 den bürgerlichen Übergang aus dem Franquismus darstellte. Zunächst einmal werden wir niemals müde werden, zu betonen, dass die Arbeiter*innen kein Vaterland haben, wie es auch schon Karl Marx und Friedrich Engels 1848 im Manifest der Kommunistischen Partei ausdrückten. Doch das Proletariat übernimmt die demokratische Forderung nach nationaler Selbstbestimmung und verteidigt sie in diesem Falle gegen eine Allianz aus Regierung, Monarchie, Justiz, Militär, Kirche, Polizei: dem Regime von 1978, die in Madrid ihren Sitz hat und von dort die zentralstaatlichen Geschicke wahrnimmt.

Es gab keinen Zweifel, dass die reaktionäre Monarchie sich in diesem Falle hinter die Zentralregierung stellen würde, jedoch war die Rede viel weitreichender als manche denken: Felipe VI. hielt zum ersten Mal eine Ansprache an die Nation (sonst gibt es nur zu Weihnachten eine solche Rede an die Nation). Doch es ist nicht nur diese Tatsache, welche die dramatische Situation vergegenwärtigt; es ist vielmehr der Inhalt. Selbst die konservative FAZ titelte, dass die Rede ein „Blankoscheck für hartes Durchgreifen“ sei; ähnlich äußerte sich auch die katalanische Vanguardia, die darin eine „Vorrede zum Art. 155“ sah: Dieser Verfassungsartikel sieht vor, dass die Autonome Region Katalonien unter die Zentralregierung gestellt werden kann und dass dazu alle „erforderlichen Maßnahmen“ ergriffen werden können. Das würde auch eine Inhaftierung der katalanischen Regierung beinhalten, welche infolge eines Ausnahmezustandes oder eines Staatsnotstandes passieren könnte.

Es ist kein Zufall, dass von Seiten des rechten Flügels der PP sowie der neoliberalen Ciudadanos diese Forderungen laut werden. Die Monarchie folgte nun dieser Linie und stellte wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis, dass sie eine wichtige Stütze des 78er-Regimes ist. Das gleiche Regime, welches von Kastilien aus für die Unterdrückung sämtlicher anderer Nationalitäten verantwortlich ist und diese auch historisch gewaltsam eroberte.

Vorbereitungen zum Massaker?

Schon das Referendum selbst musste durch den heroischen Einsatz der Massen verteidigt werden, die zu Tausenden auf die Straßen gegangen waren und Tage vorher die Wahllokale beschützten. Das harte Eingreifen der Polizei führte dennoch zu über 900 Verletzten, wobei auch verbotene Gummigeschosse eingesetzt wurden (so viel zur bürgerlichen Rechtsstaatlichkeit). Die Zentralregierung hat über 10.000 Einsatzkräfte der paramilitärischen Guardia Civil in die Region versetzt, die auch zum Teil besoffen vom spanischen Nationalismus mit dem faschistischen Gruß durch die katalanischen Städte marodierend durch die Straßen ziehen.

Jene Kräfte werden nötig sein, wenn die Zentralregierung tatsächlich beschließen würde, gemeinsam mit dem Militär die Regierung zu stürzen und unter Aufsicht zu stellen. Die Aussagen von Felipe VI., der ausdrücklich die „Integrität Spaniens“ verteidigt, lassen diese Option im Rahmen des Möglichen erscheinen. Es kann in dieser Situation nicht nur von Drohgebärden ausgegangen werden, wenn der spanische Justizminister Rafael Catalá ankündigt, dass die Regierung „alle zur Verfügung stehenden Mittel“ einsetzen werde, damit die Verfassung eingehalten wird. Worte, die geradezu Kriegsvorbereitungen ankündigen, zeichnet sich doch der gesamte Spanische Staat eben durch die Unterjochung anderer Nationalitäten aus. Er kann in seiner bürgerlichen Form nicht ohne diese Unterdrückung existieren.

Deswegen wird er alles Mögliche tun, um den Willen der katalanischen Massen nach Selbstbestimmung zu brechen und das ist ebenso der Grund, warum die Regierung unter Rajoy keinen einzigen Schritt auf die bürgerliche katalanische Führung zuging. Die Anbetung des Spanischen Staates ist auch der Grund, warum keine der bürgerlichen Parteien eine Lostrennung Kataloniens unterstützt — das gesamte bürgerliche Regime würde ins Wanken geraten und anderswo weitere Dammbrüche erfahren und auf dem Müllhaufen der Geschichte zertrümmern.

Wir erleben in diesen Tagen eine der wenigen Situationen, wo ein Funken ausreicht, um ein gesamtes Pulverfass in die Luft zu sprengen. Diese Explosion würde nicht nur die Grundfesten des Spanischen Staates erschüttern, sondern hätte Auswirkungen auf den Rest Europas, besonders nach Frankreich, wo die Rufe nach einem Generalstreik für den 10. Oktober immer lauter werden. Das wäre ein Tag nach der möglichen Ausrufung der Unabhängigkeit Kataloniens, die für den kommenden Montag angekündigt ist.

Die Revolutionär*innen in Katalonien und außerhalb werden für diesen Schritt gewappnet sein müssen, hat doch der Klassenfeind schon deutlich gemacht, dass er bis aufs Äußerste zu gehen bereit ist.

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