Krankenhaus-Töchter: Wer an Löhnen spart, spart auch an Hygiene

12.05.2017, Lesezeit 4 Min.
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Die Kolleg*innen der Service-Geselllschaften von Charité und Vivantes kämpfen für Tarifverträge – und für die Rückführung in die Muttergesellschaften. Die Forderungen führen zu dreisten Beschimpfungen in der bürgerlichen Presse, die Lohnforderungen schon vorsorglich für schlechte Bedingungen im Krankenhaus verantwortlich macht.

„Riskanter Flirt mit dem Defizit“: So titelte die Morgenpost Anfang der Woche zu der Forderung, die Charité Facility Management GmbH – die Service-Tochter der Charité – in die Muttergesellschaft zurückzuführen. Seit Jahren kämpfen die Kolleg*innen für einen Tarifvertrag und ein Ende des Outsourcing. In den letzten Monaten hat die Debatte durch den Druck der Beschäftigten an Fahrt aufgenommen. Kürzlich versprach der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD): „Die CFM wird in dieser Legislaturperiode wie angekündigt in die Charité eingegliedert werden, mit Tarifbindung.“

Während die Beschäftigten noch skeptisch sind, wie viel an dem vollmundigen Versprechen wirklich dran ist – denn die rot-rot-grüne Koalition ist nicht grundsätzlich gegen Ausgliederungen –, kriegt die hauptstädtische Springerpresse Angst. Vorsorglich macht sie die Beschäftigten, die ihr Recht fordern, nicht länger als Arbeiter*innen zweiter Klasse behandelt zu werden, für die schlechten Bedingungen im Krankenhaus verantwortlich:

Es wäre indes fatal, die Charité in die roten Zahlen zu treiben. Was wäre die Konsequenz? Zur Auswahl stehen ein Abbau medizinischer Leistungen, Einsparungen beim Personal oder bei Investitionen oder auch die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen an Firmen, die erheblich schlechter zahlen als das Land Berlin.

Die Morgenpost baut ein Bedrohungsszenario für die Berliner Bevölkerung auf, das perfider nicht sein könnte: Wenn Krankenhausbeschäftigte bessere Bedingungen fordern, leide automatisch die Qualität der medizinischen Versorgung. Das Manöver ist durchsichtig: Die Bevölkerung soll gegen die berechtigten Forderungen der Kolleg*innen mobilisiert werden. Schon im Vorfeld einer möglichen Verschärfung des Arbeitskampfes soll die Solidarität entzogen werden, denn ihre Forderungen seien letzten Endes gesundheitsgefährdend.

Dabei ist genau das Gegenteil korrekt: Die alltägliche Situation im Krankenhaus ist es, die gesundheitsgefährdend für die Patient*innen ist. Zu Genüge ist bekannt, dass die Pflegekräfte durch viel zu hohe Patient*innen-Quoten überlastet sind. Weniger bekannt ist, dass Spardiktat und Arbeitsverdichtung besonders auch den Service-Bereich betreffen. Selbst die Morgenpost muss zugeben, dass die Gründung der CFM – und vergleichbarer Service-Töchter wie die Vivantes Service GmbH (VSG) – dem Lohndumping dient:

Die CFM-Mitarbeiter verdienen erheblich weniger als vergleichbare Kräfte im öffentlichen Dienst.

Doch nicht nur an Löhnen wird gespart, sondern auch an der Hygiene. Ein anonymer Kollege aus der CFM berichtet:

Eine Reinigungskraft pro Station im Frühdienst und im Spätdienst eine Reinigungskraft für zwei bis drei Stationen. Da sollte jedem klar sein, was auf der Strecke bleibt.

Ein VSG-Angestellter meint:

Zur Krankenhaushygiene gehören eben nicht nur Hygieneärzt*innen und Pflegekräfte. OP-Säle werden mit erhöhtem Luftdruck betrieben, damit Keime, Staub etc. ferngehalten werden. Die Lüftungsanlagen müssen regelmäßig gereinigt und gewartet und Filter getauscht werden. Desinfektionsautomaten und Sterilisationsanlagen sind ebenfalls wartungs- und reparaturanfällig. Auch die Wäschever- und entsorgung ist für ein keimfreies Klinikum wichtig, genauso wie Müllentsorgung, Essenversorgung und Bettenaufbereitung.

Auch an Reinigungsmaterialien wird bei der CFM gespart:

maximal 20 Wischbezüge pro Schicht pro Station für 15 – 20 Patientenzimmer, wobei auch mindestens ein WC pro zwei Zimmer gereinigt werden muss (auf einigen Stationen sogar ein WC pro Zimmer). Wischlappen für Oberflächen und Armaturen sind ebenfalls abgezählt. Die Wischlappen müssen oft für ein zweites Zimmer genommen werden, weil sie sonst nicht ausreichen würden. Die Wischlappen werden auch nach der ersten Benutzung noch einmal eingesammelt und gewaschen um sie ein zweites Mal zu verwenden. Mülltüten werden immer billiger eingekauft, mittlerweile reißen sie schon beim Herausnehmen aus den Mülleimern. Um dabei noch Kosten zu sparen, werden halbvolle Mülltüten von Hand entleert und damit eine andere vollgestopft. Schutzhandschuhe sind dabei handelsübliche Spülhandschuhe, die für mindestens zwei Schichten reichen müssen.

Diese Zustände sind Ergebnis der zunehmenden Profitorientierung des Gesundheitssystems, zu dessen Logik auch die Tarifflucht durch Outsourcing gehört. Deshalb dürfen sich die Kolleg*innen und die Patient*innen nicht gegeneinander ausspielen lassen. Denn das Übel ist nicht die Forderung nach Tarifbindung, sondern die Profitmaximierung im Interesse der Bosse. Der Kampf für die vollständige und kompromisslose Rückführung von CFM, VSG und Co. in die öffentliche Hand ist ein erster wichtiger Schritt hin zu einer Gesundheitsversorgung im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung.

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