Wird das Outsourcing wirklich beendet? Fragen an Michael Müller

09.05.2017, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Berlins regierender Bürgermeister hat angekündigt, dass die Charité Facility Management (CFM), outgesourctes Tochterunternehmen der Charité, noch in dieser Legislaturperiode wieder eingegliedert wird. Für die CFM-Beschäftigten könnte das ein Ende der Hungerlöhne und der Tariflosigkeit bedeuten. Aber es könnte genauso gut auch Verschlechterungen bedeuten – je nach dem was Müller genau vorhat. Ein Arbeiter hakt nach. Ein Beitrag von Sebastian Minchella (Name geändert), Arbeiter bei der CFM.

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Es ist der zweite Versuch der CFM-Beschäftigten, für einen anständigen Tarifvertrag zu kämpfen, mit Löhnen die zum Leben reichen. Ewig schien sich nichts Positives zu bewegen. Doch scheinbar sollen sich nun die Bemühungen der aktiven Betriebsgruppenmitglieder in den letzten Wochen und Monaten endlich bezahlt machen. Es gab Gespräche mit Abgeordneten im Bundestag, unzählige Protestaktionen vor Parteitagen der Linken, Grünen, CDU und SPD – meist mit Hilfe des Gewerkschaftlichen Aktionsausschusses – und eine permanente Präsenz während der Koalitionsverhandlungen für Rot-Rot-Grün. Dadurch ist es den Beschäftigten der CFM gelungen, mit ihren Forderungen Einzug in den Koalitionsvertrag zu halten. Dort heißt es:

Gute Bezahlung in Landes- und Tochterunternehmen

Die Koalition setzt sich dafür ein, dass Landesunternehmen in Tarifverbünden geführt werden. Sie setzt sich zudem dafür ein, dass auch für Landesunternehmen und ihre Tochterunternehmen, die bisher noch nicht tarifgebunden sind, zügig mit dem Ziel der Beschäftigungssicherung und der Angleichung an den TVöD Tarifverträge abgeschlossen werden. Die Koalition wird Outsourcing in öffentlichen Einrichtungen und Betrieben mit lediglich dem Ziel, sich aus Tarifbindungen zu lösen, unterbinden.

Mit dem Auslaufen des jetzigen CFM-Vertrages wird die Charité CFM Facility Management vollständig in öffentliches Eigentum überführt.

Diese Zusage machte vielen CFM-Beschäftigten Mut und gab ihnen neue Hoffnung, dass ihr Kampf im zweiten Versuch doch noch Erfolg haben könnte. Jedoch verging eine Verhandlungsrunde mit der CFM-Geschäftsführung nach der anderen. Immer wieder entgegneten sie den Forderungen der Beschäftigten: Es gäbe noch keine konkreten Zahlen, Daten und Fakten aus der Charité, geschweige denn aus dem rot-rot-grünen Senat, um die versprochene Überführung in öffentliches Eigentum umzusetzen. Solange es keine finanziellen Zusagen gäbe, könne man den Beschäftigten auch nichts zahlen.

Das wollten und konnten die Aktiven der ver.di-Betriebsgruppe bei der CFM nicht so einfach hinnehmen. Also entschlossen sie sich, dem regierenden Bürgermeister Michael Müller ein wenig auf den Pelz zu rücken und regelmäßig an die bisher leeren Versprechen zu erinnern.

Denn aus Sicht der CFM-Beschäftigten gab es zwei Umsetzungsmöglichkeiten für diese Zusage. Erstens die wohlwollende Interpretation: Die CFM wird aufgelöst und deren Beschäftigte werden in die Charité unter deren Tarifvertrag (TV-C) integriert. Oder zweitens die etwas pessimistischere Interpretation: Die Charité kauft die fehlenden 49 Prozent der CFM von den privaten Anteilseignern zurück. Dann hätten wir eine 100-prozentige Tochtergesellschaft, wie die VSG bei Vivantes, aber weiterhin ohne Tarifbindung. Welche Option hatte Müller im Kopf?

Auf der Gewerkschaftsdemo am 1. Mai sagte Müller folgendes:

Es ist ganz offensichtlich, dass wir ernst machen mit dem, was wir ankündigt haben: Dass die Zeit des Outsourcings und der Privatisierung vorbei ist. Die CFM wird in dieser Legislaturperiode wie angekündigt in die Charité eingegliedert werden, mit Tarifbindung. Wir haben das zugesagt und wir werden das auch machen, dass die Kolleginnen und Kollegen wieder zu uns und wieder zum Landes Berlin gehören.

Also soll es eine Integration aller CFM-Beschäftigten in die Charité – samt Tarifbindung – geben.

Nun stellt sich auch für den gemeinen Arbeiter die Frage: „Wie soll das finanziert werden?“

Aus der Sicht einiger Beschäftigter wäre das nur möglich, wenn man kleine Teile der CFM in die Charité integriert, wie zum Beispiel Archive, Boten, Versorgungsassistenten, Servicekräfte. Dafür würden andere Bereiche wie Sicherheit, Reinigung, Speiseversorgung, Grünflächenbewirtschaftung, Betriebstechnik dann wieder extern ausgeschrieben und und fremd vergeben werden.

Eine solche Option würde bedeuten, dass geschätzt ein Drittel des heutigen CFM-Personals Verbesserungen erleben würde. Jedoch für zwei Drittel könnte die Arbeitssituation dann schlimmer werden als je zuvor. Bereits wenige Tage später sind Artikel in der Berliner Presse aufgetaucht mit Schlagzeilen wie: „Der Charité droht ein neues Millionendefizit“.

Es sieht aus, als ob Müller Verbesserungen verspricht, aber im Hintergrund Verschlechterungen vorbereitet.

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