Jens Spahn: verdient 15.311 Euro, findet 416 ausreichend

23.01.2020, Lesezeit 5 Min.
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Ein Pharmalobbyist wird Gesundheitsminister und hetzt gegen Arme und Ausländer. Der CDU-Mann Jens Spahn ist Ausdruck der Rechtsverschiebung in der neuen Regierung. Er wird neue Angriffe anführen – und wir müssen uns gemeinsam verteidigen.

Update 21. März 2021: Neuer Skandal um Jens Spahn: Er und die gesamte Regierung müssen zurücktreten!

Korruptionsskandal erfasst Jens Spahn: Diese Regierung hat abgewirtschaftet!

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 14. März 2018 auf dieser Seite. Aus aktuellem Anlass reposten wir den Artikel.

Das neue Kabinett hat seine Arbeit noch nicht aufgenommen, da prescht bereits einer der neuen Minister vor. „Hartz IV bedeutet nicht Armut“, sagte Jens Spahn der Funke-Mediengruppe. Tagelang produzierte der scheidende Staatssekretär im Finanzministerium auf diese Weise Schlagzeilen – mit der Verharmlosung von Armut, dem Lob für Hartz IV und der Hetze gegen „die jungen, ausländischen Männer“, dem liebsten Schreckgespenst aller Rechten.

Der 37-Jährige weiß, wie er Emotionen weckt und die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Hartz IV bedeute keine Armut, sagt sich leicht mit einem Einkommen von 15.311 Euro pro Monat. Zwar wird er als Gesundheitsminister offiziell mit Hartz IV nichts zu tun haben. Die Debatte um die rassistische Praxis der Essener Tafel, kein Essen an weitere Menschen ohne deutschen Pass auszugeben, hat er jedoch geschickt genutzt, um sich als rechtskonservativen Pol innerhalb der neuen Regierung zu positionieren.

Spahn verkündet damit ein neues Selbstbewusstsein der Rechten in der Regierung. Während Debatten über Hartz IV bisher nach Möglichkeit vermieden wurden, geht er in die Offensive und verhöhnt die Vielen, die in Deutschland in Armut leben müssen. Spahn erntete zwar vor allem von Sozialdemokrat*innen Kritik, die es gar nicht gebrauchen können, wenn ihr größter Angriff auf die Armen in Deutschland öffentlich diskutiert wird. Zur Seite sprang ihm aber wenig überraschend Alexander Dobrindt von der CSU.

Leere Versprechen für die Gesundheit

Auch auf dem Feld der Gesundheitspolitik erwartet uns nichts Gutes von Spahn. Der inzwischen unterzeichnete Koalitionsvertrag sieht 8000 neue Stellen für Pflegekräfte vor – kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Dass die Pflege ein brennendes Thema ist, hat Spahn zwar erkannt. Versprochen hat er eine Erhöhung der Ausbildungskapazitäten sowie eine Verbesserung der Löhne und der Tarifbindung. Die Umsetzung dieser schönen Versprechungen wird es ohne massiven Druck der Beschäftigten aber kaum geben.

Eine Aufhebung der Kluft zwischen privat und gesetzlich Krankenversicherten wird es mit Spahn ebenfalls nicht geben. Die Wahlkampfforderung der SPD nach einer Bürgerversicherung war zwar kaum mit Inhalt gefüllt und wurde in den Koalitionsverhandlungen ohnehin fallengelassen. Doch das Bedürfnis nach einem gerechten und funktionierenden Gesundheitssystem für alle Versicherten ist real. Spahn verspricht zwar, dass künftig gesetzlich Versicherte nicht mehr ewig auf Termine warten sollen. Statt aber an der grundsätzlichen Ungerechtigkeit etwas zu ändern, soll es mehr Terminservicestellen geben.

Spahn gilt über Parteigrenzen hinweg als Politiker mit außerordentlicher fachpolitischer Expertise. Er stünde im Stoff, einen besseren hätte es in der Union nicht gegeben, wie es der Nürnberger Linken-Politiker Harald Weinberg formulierte. Seine Expertise stellte Spahn aber nicht nur sechs Jahre lang als gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion unter Beweis, sondern vor allem als jahrelanger Gesellschafter eines Unternehmens, zu dem auch die Pharmalobbyagentur „Politas“ gehörte. Dort fanden Kunden aus der Medizin- und Pharmabranche Rat. Den offenkundigen Interessenskonflikt leugnete Spahn zwar, verkaufte seine Anteile an dem Unternehmen schließlich aber doch.

Die neue Große Koalition ist keine einfache Fortsetzung der alten. Ihr fehlt die Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag, innerparteiliche Querelen setzen allen Koalitionsparteien zu, die Umfragewerte sind niedrig. Dass Jens Spahn nun Minister wird, ist auch Ausdruck davon. Natürlich gab es auch in den vergangenen Legislaturperioden zahlreiche Angriffe auf die Arbeiter*innen, Migrant*innen und Arme. Angela Merkel präsentierte sich dabei jedoch wenigstens rhetorisch ausgleichend, gerierte sich außenpolitisch als rationale Gegenspielerin von Donald Trump und wurde für Liberale international zur „Anführerin der freien Welt“.

Nun hat sie mit Spahn einen Wortführer der rechten Unionsopposition gegen sich im Kabinett. Die Ära Merkel geht zu Ende, auch wenn sie noch Bundeskanzlerin ist. Mit Spahn und Horst Seehofer als Heimat- und Innenminister sitzen nun zwei rechte Hardliner in der Regierung, die sich sicherlich nicht still hinter Merkel einordnen werden.

Gemeinsam gegen den Pflegenotstand!

Um die dramatische Situation in der Pflege wirklich zu verbessern, können wir uns nicht auf einen rechten Lobbyisten verlassen. Die große Mehrheit hat kein Interesse an Profiten für Krankenhauskonzerne und einer Zwei-Klassen-Medizin, weder die Beschäftigten noch die Patient*innen. Um den Pflegenotstand zu beenden, brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung.

Mit einer starken Kampagne der Gewerkschaften, der Partei Die Linke und derjenigen Teile der SPD, die gegen die Fortsetzung der Großen Koalition gestimmt haben, können wir das schaffen.

Schreibt uns und erzählt uns eure Geschichte!

Obwohl dieser Artikel schon im März 2018 erschienen ist, ist er in der vergangenen Woche über 30.000 Mal abgerufen und 60.000 Mal auf Facebook geliket worden. Das zeigt: Der Kampf gegen Hartz IV, gegen Armutslöhne, gegen Pflegenotstand und das Zwei-Klassen-Gesundheitssystem ist für viele eine brennende Frage. Wollt ihr über eure eigenen Erfahrungen in diesem Kampf berichten? Dann schickt uns euren Gastbeitrag unter info@klassegegenklasse.org. Wir freuen uns über Zusendungen!

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