IDAHOBIT: International kämpfen für queere Befreiung 

15.05.2025, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Tabea Krug (KGK).

Am 17. Mai ist der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT). Angesichts der zunehmenden Angriffe auf queeres Leben kämpfen wir für eine revolutionäre und antikapitalistische Perspektive.

Im vergangenen Sommer erreichten rechte Mobilisierungen gegen CSDs einen traurigen Höhepunkt. Für die extreme Rechte stellten diese ihr zentrales Aktionsfeld dar. Dort postulierten sie, dass es nur zwei Geschlechter gäbe, verbrannten Regenbogenfahnen und skandierten: „Ganz (Stadt XY) hasst den CSD.“ Insbesondere junge Rechte mobilisierten sich und infolge der Proteste bildeten sich Dutzende neue Nazijugendgruppen, die im Anschluss immer wieder Angriffe insbesondere auf linke und queere Personen verübten. Das passiert nicht nur in ostdeutschen Kleinstädten, sondern auch in Großstädten wie Berlin, wie sich an dem Angriff auf Antifaschist:innen am Ostbahnhof zeigte oder durch die Schändung des Denkmals für homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus. Die Zahl der Betroffenen von Gewalt in den Bereichen „sexuelle Orientierung“ und „geschlechtsbezogene Diversität“ hat sich im Vergleich zu 2010 verzehnfacht. Der Rechtsruck trifft queere Personen alltäglich und stellt für viele eine immer realere Bedrohung dar. 

Die neue Regierung von Friedrich Merz (CDU) bedroht queere Menschen auf vielfältige Art und Weise. Die historische Aufrüstung geht mit einem Rückgriff auf patriarchale Geschlechterbilder einher, Kürzungen treffen queere Jugendarbeit und die Aushöhlung und Aufhebung von Rechten von Beschäftigten verstärkt queere Prekarität, um nur einige Beispiele zu nennen. Darüber hinaus ist Merz‘ Kabinett voll mit reaktionären Kulturkämpfer:innen und Ultrakonservativen: So ist die neue Ministerin für Wirtschaft und Energie, Katherine Reiche (CDU), etwa der Meinung, dass gleichgeschlechtliche Eltern für Kinder „nicht normal“ seien. Genauso wäre da auch der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos), der in seinem Text „Das konservative Manifest“ rassistische Theorien aufstellt und unter anderem behauptet, es ereigne sich eine „biologische Selbstaufgabe“ in Europa. 

Am IDAHOBIT stehen wir daher gegen den Aufstieg der extremen Rechten, genauso wie gegen die queerfeindliche, antisoziale und rassistische Merz-Regierung. Aber nicht nur gegen Merz, Weidel und Co. sollte sich dieser Tag richten. Der IDAHOBIT ist ein internationaler Tag – und das ist wichtig, denn Befreiung können wir nur international erkämpfen! 

Die internationalen Schlagzeilen können einem Angst einjagen. Da wären trans Femizide in Lateinamerika, das Verbot von Pride Demonstrationen in Ungarn, das Urteil des Supreme Courts in Großbritannien sowie natürlich die Trump-Regierung, die durch hunderte Dekrete queere Menschen drangsaliert und ihre Existenz zerstören will. 

Doch neben den Angriffen ist auch der Widerstand international: Infolge des Urteils in Großbritannien gingen landesweit Menschen in historisch großen Demonstrationen für die Rechte von trans Personen auf die Straße. In Argentinien demonstrierten Anfang Februar Hunderttausende für die Verteidigung queerer Rechte, „eine klare Botschaft der Ablehnung des Machismo und der Hassreden als Staatspolitik“. Besonders an dieser Mobilisierung war, dass sie sich auch mit dem Kampf von Beschäftigten eines Krankenhauses verband. Dort sollen über 200 Kolleg:innen als Resultat von Javier Mileis neoliberaler Politik entlassen werden. Das Bonaparte Krankenhaus gehört zu den drei Gesundheitszentren, welche über 70 Prozent der Leistungen für trans Gesundheit durchführen. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, den Widerstand von queeren Bewegungen und Arbeitskämpfen gegen die Regierungen zusammenzuführen. Das sind nur zwei der vielen Beispiele der letzten Monate, die es nun auszuweiten gilt, um sich auf kommende Angriffe vorzubereiten und die Möglichkeit einer Offensive einzuleiten. 

Wie das gelingen kann, beschreibt Judith Butler in einem Artikel: „Jede wirksame Antwort auf die Anti-Gender-Bewegung braucht eine Kritik der neuen Formen des Autoritarismus und der Gefühle, die sie für sich ausnutzen. Es ist natürlich richtig, dass wir ‚Gender‘ gegenüber denjenigen, die sich in einen Kampf der Ahnungslosen gestürzt haben, Punkt für Punkt verteidigen. Doch das wird nicht ausreichen.“ Wie auch Butler sehen wir die Notwendigkeit einer Offensive, das bedeutet insbesondere, dass wir als queere Personen als Teil der Arbeiter:innenklasse gegen Ausbeutung und Unterdrückung mit einer sozialistischen und revolutionären Perspektive kämpfen. Konkret bedeutet das gerade, dass es notwendig ist, dass queere Bewegungen den Kampf gegen die bürgerlichen Regierungen und ihren Rechtsruck und die Aufrüstung zuspitzen. Von besonders zentraler Bedeutung ist es, dass sich queere Bewegungen und Akteur:innen auch mit den Kämpfen der Arbeiter:innenklasse verbinden. In Berlin streiken aktuell outgesourcte Krankenhausbeschäftigte, die zu einem großen Teil weiblich und migrantisch sind. Dies ist ein zentraler Kampf gegen die Regierung der Reichen, der, wenn er erfolgreich geführt wird, ein Vorbild sein kann, wie wir mit viel Durchhaltevermögen und der strategischen Stellung von Arbeiter:innen uns auch gegen den Widerstand der Regierung durchsetzen können. Genau diese Kämpfe sind es, welche die volle Solidarität der queeren Community gut gebrauchen können und über das Potential verfügen, diese Solidarität zu erwidern. Darüber hinaus braucht es Initiativen, wie Selbstschutz-Komitees, um sich gegen die Angriffe der Rechten zu wappnen, auch hier braucht es insbesondere die Gewerkschaften und linke Organisationen. 

Der IDAHOBIT ist aber auch ein Tag, an dem wir als queere Personen sagen, dass wir stolz darauf sind, anders als andere zu sein. Darauf, dass wir trotz alledem unsere Hoffnung nicht aufgeben, Widerstand leisten und queere Lebensweisen feiern. Denn queer zu sein, bedeutet nicht, nur Opfer von Gewalt und Unterdrückung zu sein. Queer zu sein heißt auch, neue Wege des Zusammenlebens zu entdecken und zu prägen, die eigene Realität und die seiner Mitmenschen zu verändern und zu beeinflussen. Aus unseren Beziehungen schöpfen wir Kraft und Zuversicht, wir erleben nicht nur Unschönes, sondern sind Teil einer Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt und die viele verschiedene kreative, widerständige und energetische Kulturen hervorbringt.

Studien zeigen, dass beispielsweise geoutete lesbische Frauen durch ihre Beziehungen oft eine höhere Lebenszufriedenheit haben, als hetero Frauen. Mit ihren Lebensweisen, die von patriarchalen und kapitalistischen Normen abweichen, zeigen queere Personen auch Wege auf, wie das Zusammenleben in einer Gesellschaft in Zukunft anders funktionieren kann. Darin liegt auch die inhärente Subversivität queerer Identitäten, die die Verteidiger:innen der kapitalistischen und patriarchalen Ordnung so sehr fürchten. Sie fürchten die bloße Existenz oder Thematisierung von queerem Leben, weil es ihre konservativen Entwürfe sprengt. Sie wollen deshalb queeres Leben entweder zerstören, oder fordern eine Assimilation an den Status-Quo. Genau deswegen gilt es jetzt mehr denn je, sich nicht einschüchtern oder verdrängen zu lassen, sondern Räume zu erobern, sichtbar und proud zu sein. 

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