Hänel-Revision abgewiesen: „Alle Personen, die KEINE ABBRÜCHE MACHEN, dürfen über Schwangerschafts­abbrüche informieren“

20.01.2021, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Anai Paz

Seit Jahren kämpft die Gießener Ärztin Kristina Hänel für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche und gegen den §219a StGB, der Informationen von Ärzt:innen verbietet. Nun wird sie eine Verfassungsbeschwerde einreichen.

2017 wurde Kristina Hänel nach dem §219a verurteilt: Die Ärztin informierte auf ihrer Webseite darüber, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt und welche Methoden sie hierfür anwendet. Das Gesetz verbietet allerdings „Werbung“, was in der Realität jedoch Information bedeutet. Kristina Hänel kämpft weiter und mit ihr Aktivist:innen, Ätzt:innen, Medizinstudierende in Deutschland und weltweit.

Am gestrigen Dienstag verkündete das Oberlandesgericht Frankfurt, dass das Urteil gegen Hänel rechtskräftig sei und wies ihre Revision ab. Hänel legt nun eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein und weist darauf hin, dass sie nicht darüber informieren darf, wie Abbrüche durchgeführt werden können – wir und alle anderen, die keine Abbrüche durchführen, hingegen schon!

Wie kann das sein? Die Reform des §219a

Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland im Strafgesetzbuch geregelt – neben Mord und Totschlag im Kapitel zu „Straftaten gegen das Leben“. Abtreibungen sind verboten, bleiben jedoch straffrei, wenn sie unter den in §218a geregelten Bestimmungen stattfinden.

§219a trägt den Titel „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. Das Gesetz ist ein Relikt aus der Nazizeit. 1933 wurde das Gesetz im ReichsStrafGesetzBuch erlassen und bis 2019 nur minimal geändert. Heute dient es fundamentalistischen Anti-Abtreibungs-Aktivist:innen, die damit Ärzt:innen unter Druck setzen, die auf ihren Internetseiten kleinste Informationen zu Abtreibungen anbieten. Das stieß auch der Ärztin Kristina Hänel zu, die wegen Verstoß gegen §219a verurteilt wurde.

Pro-Choice-Aktivist:innen forderten die Streichung des §219a, der Schwangeren den Zugang zu wichtigen Informationen verwehrt und Ärztinnen kriminalisiert. Konservative Verbände, Kirchen, Union und AfD wollen ihn beibehalten. Die SPD machte sich für die Streichung des §219a stark. In den Koalitionsverhandlungen einigte man sich lediglich auf eine kleine Änderung: Ärzt:innen sollte die Angabe, ob sie Abbrüche durchführen, gestattet werden. Die dafür genutzte Methode hingegen nicht. Unter der Neufassung wurde die Verurteilung von Kristina Hänel jetzt für rechtskräftig befunden.

Das sind also die Ergebnisse der Reform, die von der SPD als Erfolg verkauft wurde. Hänels Webseite ist auch unter dem reformierten Gesetz nicht erlaubt. Im Reformprozess konnte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zusätzlich durchsetzen, fünf Millionen Euro für eine überflüssige Studie zu psychologischen Effekten von Abtreibungen zu verpulvern. Seine Annahme, und auch die vieler anderer selbsternannter „Lebensschützer:innen“ ist, dass Frauen nach dem Abbruch unter einem „Post-Abortion-Syndrom“ leiden würden, also einer Depression. Diese These wurde bereits in mehreren Studien widerlegt. Jens Spahn glaubt trotzdem dran.

Für das Recht auf Selbstbestimmung! Weg mit §218ff!

Somit müssen wir auch im Jahr 2021 weiterkämpfen: Gegen den §218, der seit 150 Jahren besteht, gegen die Einschränkung von medizinisch relevanten Informationen und für das Recht auf Selbstbestimmung. Denn darum geht es in diesem Kampf: Wir wollen, dass die schwangere Person entscheiden kann. Wir wollen, das Schwangere selber entscheiden können. Dafür braucht es frei zugängliche und seriöse Informationen, genauso wie kostenlose Verhütungsmittel und kostenlose und legale Abtreibungen.

Die Bestätigung der Verurteilung zeigt uns, dass wir für unsere Selbstbestimmung immer noch kämpfen müssen. Damit stehen wir nicht allein und können lernen aus Protesten in Ländern wie Polen, wo Aktivist:innen gegen die Verschärfung der Abtreibungsgesetze streikten, oder Argentinien: Dort wurde durch die starke feministische Bewegung Abtreibung kürzlich legalisiert. Wie die argentinischen Sozialistinnen von Pan y Rosas (Brot und Rosen) sagen, werden wir mit dem Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung den patriarchalen Sexismus noch nicht überwunden haben, aber:

Wir kämpfen gegen den Kapitalismus, für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, aber wir müssen auch jedem Kampf führen, der es uns ermöglicht, dem kapitalistischen Staat einige Rechte abzuringen. Wir tun dies, damit wir unter besseren Bedingungen und in Gleichheit leben können, während wir gleichzeitig für eine bessere Gesellschaft kämpfen, in der die wahre Gleichheit erreicht ist.

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