Haben Rechte und Undercover-Cops die Randale in Hamburg angeheizt?

11.07.2017, Lesezeit 4 Min.
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Klingt komisch? Bei der Berichterstattung der bürgerlichen Medien über die Anti-G20-Proteste werden einzig und allein die Krawalle und Ausschreitungen im Schanzenviertel in den Mittelpunkt gerückt. Doch dabei werden nur die Autonomen angegriffen und zwei weitere beteiligte Akteure außen vor gelassen: Nazis und polizeiliche Agents provocateurs.

Der mediale und politische Fokus auf die Krawalle und Zerstörungen im Hamburger Schanzenviertel hat ein klares Ziel: Um den Blick von den riesigen Demonstrationen gegen die G20 mit mehr als 80.000 Teilnehmer*innen aus ganz Europa abzulenken, schießen sich bürgerliche Medien und Politiker*innen stattdessen auf einige Hunderte Randalierende ein, um den gesamten Protest zu delegitimieren.

Und noch mehr: Es handelt sich um einen Angriff auf die gesamte organisierte Linke. Obwohl sich die Rote Flora von den Ausschreitungen distanzierte, gerät sie nun ebenfalls ins Kreuzfeuer der konservativen Presse. Auch die zahlreichen Berichte über den Schwarzen Block – während in Hamburg die Polizei den mit Anstand größten schwarzen Block stellte – und „gewaltbereite Linksextremisten“ haben zum Ziel, auch in Zukunft polizeistaatliche Maßnahmen gegen linke Strukturen zu legitimieren und der Polizeiwillkür freien Lauf zu lassen.

Zudem stimmt es nicht, dass in dieser Nacht nur randaliert wurde und sich eine gewaltbereite Masse in konsumistischer Orientierung an die Läden heranmachte. Die Kämpfe besonders seit dem frühen Abend ab 22 Uhr waren durchaus politisch in ihrer Ablehnung der Polizei. Die Barrikaden, die aufgebaut wurden, dienten auch zum Schutz vor der Polizei, die mit mehreren Wasserwerfern am Neuen Pferdemarkt angerückt war. Diese richteten sich nicht nur gegen die Personen auf der Straße, sondern auch gegen Unbeteiligte an den Bürger*innensteigen, was den Hass noch mehr steigerte und die Lage eskalierte.

Natürlich handelt es sich bei den Zerstörungen keineswegs um „linke“ Taten. Bei den Randalen im Schanzenviertel vermischten sich Teile der Autonomen mit jugendlichen Anwohner*innen, vereint durch den Hass auf die Polizei, die das Viertel schon seit Tagen belagerte und die gesamte Bevölkerung und die Linke schikanierte. Die Polizei erzeugte die Bilder der eingeschlagenen Scheiben durch ihre ständige und grundlose Präsenz im Viertel selbst und schritt dann nicht ein, als es zu den Randalen kam.

Bei all dieser anti-linken Hetze werden jedoch zwei Gruppen komplett außer Acht gelassen, die nichts mit der Linken gemein haben.

Zum einen handelt es sich dabei um rechte Gewalttourist*innen. So hatte die faschistische Gruppe HoGeSa, die durch gewaltsame Proteste 2014 für landesweite Aufmerksamkeit sorgte, schon vor den G20-Protesten angekündigt, ebenfalls nach Hamburg zu kommen. Ihr Ziel war dabei zweigeteilt. Einerseits wollten sie sich unter die Protestierenden mischen, um ungehindert randalieren zu können, zu zerstören und zu schlagen. Die Rechnung dafür würden nicht sie, sondern die Linken erhalten – so wie es auch geschah.

Andererseits wollten sie sich auch direkt mit Linken prügeln und sie physisch angreifen. Einem Bericht der Hamburger Morgenpost zufolge waren während des ganzen Wochenendes Nazis in Hamburg und haben sich an vorderster Front an den Ausschreitungen beteiligt.

Zum anderen haben sich verdeckte Polizist*innen unter die Protestierenden geschlichen. Bei allen Großprotesten der vergangenen Jahre, wo es zu Ausschreitungen kam, ist die Rolle dieser Agents provocateurs gut dokumentiert. Sie sind es, die häufig den ersten Stein schmeißen und die Anderen dazu auffordern, mitzumachen. So musste nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 die Polizei zugeben, einen Zivilpolizisten in die Proteste eingeschleust zu haben, der die Demonstrant*innen mit den Worten „Rauf auf die Bullen!“ anheizte.

Auch bei den Protesten gegen Stuttgart 21 hatte die Polizei gezielt Undercover-Cops eingesetzt, die mit ihrem Pfefferspray-Einsatz die Repression gegen die Demonstrant*innen auslösten.

Es ist also nicht weit hergeholt davon auszugehen, dass die Polizei auch bei diesen Protesten zu ähnlichen Maßnahmen gegriffen hat – zumal der Warnschuss im Schanzenviertel am Rande des G20-Gipfels von einem Zivilpolizisten ausging. Dieser hatte eine Schlägerei zwischen Autonomen und einem Mann beobachtet und schritt daraufhin ein, wobei er einen Warnschuss auslöste. Der bei der Schlägerei beteiligte Mann sagte später dem Spiegel, der Zivilpolizist habe ihn für einen Kollegen gehalten und sei deshalb auf diese Art eingeschritten. Waren also so viele Zivilpolizist*innen auf der Schanze, dass man sie leicht mit einem Passanten verwechseln konnte? Und wer sagt dann, dass sie sich nicht auch an den Randalen beteiligten, vielleicht sogar – zusammen mit den Nazis – an vorderster Front?

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