Griechenland: Hunderttausende streiken gegen die Syriza-Erpressung!

05.02.2016, Lesezeit 5 Min.
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Der Generalstreik am 4. Februar hat das öffentliche Leben in Griechenland zum Stillstand gebracht. Landesweit gingen hunderttausende Menschen auf die Straßen, um gegen das dritte Memorandum der Syriza-ANEL-Regierung zu protestieren. Es war einer der größten Protesttage der letzten Jahre.

Nach dem Generalstreik am 12. November, kam es zum zweiten Mal in der (kurzen) Regierungszeit von Syriza zum Generalstreik. Die Gewerkschaftsdachverbände Oberster Verband der Vereinigungen der öffentlichen Angestellten (ADEDY), Allgemeiner Arbeiter*innenbund Griechenlands (GSEE), Gewerkschaft der Seeleute (PNO), Militante Arbeiter*innenfront (PAME) sowie weitere Berufsverbände riefen gegen die geplanten Rentenkürzungen und Steuererhöhungen zum Streik am 4. Februar auf. Fast alle Berufsgruppen folgten dem Aufruf der Gewerkschaften. So gingen in Städten wie Thessaloniki, Patras, Iraklion, Volos und der Hauptstadt Athen hunderttausende Menschen auf die Straßen.

In Athen versammelten sich die Demonstrant*innen am Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament, um die Verantwortlichen der ökonomischen Misere zu denunzieren. „Hände weg von unseren Renten“ sagten sie sehr empört. „Der Arbeitsminister soll seine Familie mit 360 Euro im Monat ernähren“ hieß auf einem Transparent.

Im Hafen von Piräus lief am Donnerstag keine Fähre aus. Die Seeleute waren schon bereits letzte Woche im Streik. Die PNO hatte beschlossen, nicht nur am 4. Februar, sondern gleich 48 Stunden zu streiken. Sie streiken gegen die erzwungenen Privatisierungen. Die Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr legten ihre Arbeit für mehrere Stunden nieder. Ärzt*innen in staatlichen Krankenhäusern arbeiteten im Notfallmodus. Die meisten Apotheken waren geschlossen. Die Rechtsanwält*innen, die besonders in den letzten Zeiten immer wieder mit Streiks Gerichtsverhandlungen lahmlegten, beteiligten sich ebenfalls am Generalstreik, und werden bis zum 8. Februar streiken. Die Landwirte haben mit ihren Traktoren die Autobahnen und die Grenzübergänge blockiert. Zudem streikten die Angestellten der Müllabfuhr und Kleinunternehmer*innen. Die Medienarbeiter*innen sind schon am 3. Februar in den eintägigen Streik getreten, um vom Streiktag zu berichten.

Besonders die jugendlichen Demonstrant*innen, die in Solidarität mit den streikenden Arbeiter*innen Straßen blockierten und sich massenhaft mobilisierten, setzten ein starkes Zeichen gegen die Austeritätspolitik der Troika, dessen bester Vollstrecker die Tsipras-Regierung geworden ist. Die Radikalisierung der Jugend in Griechenland beeinflusst die politische Situation: Die Arbeitslosigkeit in Griechenland liegt mittlerweile bei rund 26 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei fast 49 Prozent. Jede zweite Jugendliche in Griechenland ist auf dem Papier arbeitslos, was zur Erhöhung der illegalisierten Arbeit auf mehr als 22 Prozent führte.

Die Streiks brechen die Illusionen in Syriza

Besonders heuchlerisch ist die Reaktion der Syriza-Regierung auf den Generalstreik: Ihre Abteilung für Arbeitspolitik rief am vergangenen Dienstag, den 2. Februar die griechischen Arbeiter*innen auf, gegen die Sparpolitik in ganz Europa zu kämpfen. Der Generalstreik diene „der Verteidigung eines öffentlichen, umfassenden und umverteilenden Rentensystems“ erklärte sie. Währenddessen sorgte der verräterische Ministerpräsident Tsipras am Tag des Generalstreiks mit dem hohen Einsatz der bewaffneten Polizei dafür, die Regierung vor den Protestierenden zu schützen. Die Bullen im Auftrag von Tsipras haben nicht davor gescheut, die Demonstrant*innen mit Tränengas, Schlagstöcken, Wasserwerfern und Blendgranaten anzugreifen. Um einen Eindruck der dreckigen Verhältnisse innerhalb der Polizei zu erlangen: Die faschistische Partei Chrysi Avgi bekommt große Unterstützung von den mehreren Abteilungen der Polizei und erreicht in den Wahllokalen, in denen mehrheitlich Polizeibeamte wählen, überdurchschnittlich hohe Wahlergebnisse. Es laufen zahlreiche Gerichtsverhandlungen über die kriminelle Beziehung zwischen Chrysi Avgi und der Polizei. Dabei handelt es sich um die selben Polizist*innen, die vor mehr als sechs Jahren den 15-jährigen Demonstrant Alexis Grigoropoulos erschossen haben.

Die Syriza-Regierung versucht von der Verantwortung abzuweichen und erneut die Illusion zu schüren, es gäbe keine Alternative als die Umsetzung der Sparpolitik der Troika. Doch die populistischen Manöver der Syriza-Regierung haben keinen großen Einfluss mehr auf die kämpferischen Massen. Sie erwarten keine leeren Sprüche mehr, sondern konkrete Taten, wie den Stopp der Privatisierungen und der Einführung des dritten Memorandums. So warfen die Gewerkschaftsdachverbände und kämpferischen Organisationen Syriza Heuchelei und Populismus vor.

Der zweite Generalstreik ist in vieler Hinsicht eine wichtige Entwicklung, um die politische Situation in Griechenland nachzuvollziehen: Er veranschaulicht einerseits die neuen Verhältnisse, in denen sich die Arbeiter*innen und Massen von den Illusionen in die Syriza-Regierung langsam entfernen. Andererseits zeigt er das Vertrauen in die eigene Streitkraft gegenüber der erpresserischen Austeritätspolitik seitens des Europas des Kapitals. Vieles deutet darauf hin, das es sich dabei nur um den Anfang eines langen Jahres der sozialen Proteste handelt, mit Streiks und Demonstrationen der Arbeiter*innen im Zentrum.

Ministerpräsident Tsipras steht unter großem Druck, da darüber spekuliert wird, ob die Rentenkürzungen und Steuererhöhungen vom Parlament gebilligt werden. Die Regierung von Tsipras hat nur eine fragile Mehrheit von drei Abgeordneten. Die kontinuierlichen und massenhaften Proteste von Unten können daher die instabile Regierung in eine politische Krise stürzen.

Der Generalstreik am 4. Februar setzte ein Zeichen für die Selbstorganisierung der Arbeiter*innen gegen die Gläubiger*innen und unabhängig von Syriza. Gleichzeitig stoßen die eintägigen Streiks an ihre Grenzen, da die Syriza-Regierung nicht von ihrem Kurs abzuweichen beabsichtigt. Deshalb müssen die Druckaktionen in politischer Form organisiert werden: Die jetzige Regierung steht im Dienste des griechischen und europäischen Kapitals, sie ist eine Austeritätsregierung. Die Teilnahme von hunderttausenden Menschen hat erneut erwiesen, dass der Kampf gegen die Spardiktate nicht verloren ist. Ein Kampfplan für einen ununterbrochenen politischen Generalstreik durch die Organisationen der Arbeiter*innen und der kämpferischen Linken ist die einzige Perspektive, um der neoliberalen Erpressung ein Ende zu setzen.

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