Generalstreik gegen Tsipras und Troika

13.11.2015, Lesezeit 6 Min.
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// Die drei größten Gewerkschaftsverbände GSEE, ADEDY und PAME hatten für den 12. November zu einem 24-stündigen Streik gegen die Regierung und die Troika aufgerufen. Zehntausende waren auf den Straßen, während das öffentliche Leben stillstand. //

Es kommt sehr selten vor, dass ein Teil der Regierung einen Streik gegen sich selbst unterstützt. So geschehen in Griechenland, wo der „Arbeitnehmer*innenflügel“ von Syriza ebenfalls zum Generalstreik aufrief. Anlass des ersten Generalstreiks gegen die Regierung von Premier Alexis Tsipras ist das harte Sparprogramm, welches Syriza mit der Troika vereinbart hat. In früheren Streiks dieser Art marschierte Tsipras noch an vorderster Stelle mit – nun setzt er sogar noch härtere Sparprogramme gegen die griechische Arbeiter*innenklasse durch. Dieser Generalstreik kann dabei den Ausgangspunkt für eine weitere Etappe des Kampfes sein – nun gegen die Tsipras-Regierung, dieser „linken“ Repräsentantin der Bourgeoisie.

Der Eisenbahnverkehr, die Schifffahrt, sogar die öffentlichen Medien: sie alle waren an diesem Tag lahmgelegt. Inlandsflüge wurden komplett gestrichen, ebenso stellten die Fähren den Betrieb ein. Schulen waren geschlossen, Krankenhäuser liefen im Notbetrieb. Nahezu niemanden gelang es, zur Arbeit zu kommen.

An den Demonstrationen beteiligten sich in Athen bis zu 20.000 Menschen, weitere zehntausende in anderen Städten des Landes. Die Demonstrant*innen protestierten gegen die Privatisierung weiterer Staatsbetriebe, die Kürzung der Renten gekürzt sowie das Kappen von Stromanschlüssen. Besonders letzteres ist ein heikler Punkt, da über 100.000 Haushalte die horrenden Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können. Diese Maßnahmen sind Teil des dritten „Hilfspakets“, dessen Volumen über 86 Milliarden Euro beträgt. Dieses drastische Paket ist ein weiterer Angriff auf die Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiter*innen und soll für die kommenden drei Jahre laufen.

„Es ist Wahnsinn, wir protestieren gegen die Syriza-Regierung, die theoretisch diese Demonstration unterstützt“, meinte Kali, eine 39-jährige Verkäuferin. Syrizas „Arbeitnehmer*innenflügel“ hatte nämlich dazu aufgerufen, „gegen die neoliberale Politik und die Erpressung der politischen und finanziellen Zentren [der Troika]“ zu demonstrieren. Sie wollten den Ausstand damit in einen Streik „gegen die Troika“, nicht „gegen die Regierung“ verwandeln.

Die Realität ist aber, dass es Syriza ist, die die Pläne der Troika umsetzt, und keine andere Regierung – egal, wie sehr man das zu verschleiern versucht. Syriza hat die Sparmaßnahmen beschlossen, auch wenn sie sie in die Länge ziehen will. Ein Tod auf Raten, der auch noch wahlweise als Erfolg oder als alternativlos dargestellt wird. Die Tatsache also, dass ein Teil der Regierung zur Beteiligung dieses Streiks aufruft, gleicht einer Maskerade. Noch einen Tag zuvor hatte ihr Finanzminister Euklidis Tsakalotos mit der EU und dem IWF (bisher vergeblich) verhandelt.

Ein „heißer Winter“?

„Der Winter wird explosiv werden und der Streik markiert den Beginn davon“, meinte Grigoris Kalomoiris, Anführer der Gewerkschaftszentrale des öffentlichen Dienstes ADEDY. „Wenn der durchschnittliche Lohn schon um 30% gekürzt wurde, wenn die Löhne inakzeptabel niedrig sind, wenn das soziale Sicherungssystem vor dem Kollaps steht, können wir nicht untätig bleiben.“ Die bürokratischen Gewerkschaftszentralen konnten nicht anders, als zu diesem Streik aufzurufen, damit sich die tiefgründige Wut gegen die Kürzungen ausdrücken konnte. Sie haben aber weder einen Kampfplan noch ein Programm, um diese Pläne tatsächlich zurückzuschlagen. Selbst die PAME, die Gewerkschaftsströmung der KKE, die in dutzenden Städten zu Demonstrationen aufgerufen hatte, schlägt keine Einheitsfront mit dem Rest der Arbeiter*innen und der kämpferischen Organisationen vor.

Dennoch zeigte dieser Streik, wie groß der Kampfeswille des griechischen Proletariats ist: Im Rahmen der Krise können die griechischen Arbeiter*innen und Jugendlichen nun etwa drei Dutzend (!) Generalstreiks ihr Eigen nennen. Auch dass sich dieser Streik erstmals gegen eine „linke“ Regierung richtete, kann einen qualitativen Sprung bedeuten. Fest steht nämlich, dass sich die Nöte und Sorgen der Arbeiter*innen in der Zukunft eher vergrößern denn vermindern werden. Im Zuge des Paktes mit der Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF wurden die Sparauflagen nochmals verschärft. Und obwohl sich die Regierung bereits der Troika gebeugt hat, stocken immer wieder die Verhandlungen wie derzeit um weitere Nachzahlungen an den griechischen Staat, damit dieser … wiederum die Gläubiger*innen bedienen kann. Der Deal, den die Troika mit Tsipras und Co. vereinbart hat, bedeutet in der Praxis nichts anderes, als dass alte Schulden mit neuen Schulden bedient werden.

Somit kommt auch nichts von dem Geld bei den Massen an, die ihre Wut in Demonstrationen und Kundgebungen zur Schau tragen. Auch bei diesem Generalstreik gab es Auseinandersetzungen mit der faschistoiden Polizei, die brutal und rücksichtslos mit Tränengas und Blendgranaten die Demonstrierenden am zentralen Syntagma-Platz attackierte. Dutzende Aktivist*innen wurden festgenommen.

Die nächsten Wochen und Monate werden entscheidend für die Frage sein, ob die Arbeiter*innen und die Jugend Griechenlands ihre Kräfte und ihre Selbstorganisation für den Kampf zurückgewinnen können. Gleichwohl muss es nicht nur eine gewerkschaftliche, sondern auch eine politische Antwort geben, die nur in weiteren Massenmobilisierungen auf der Straße erreicht werden kann. Die enorme Beteiligung am Streik – die von Schulen, Universitäten, Betrieben, Krankenhäusern, Museen bis hin zu den Ministerien reichte – hat gezeigt, dass das Potenzial hierfür vorhanden ist. In den nächsten Monaten gilt es diese Kräfte der Arbeiter*innen, Jugendlichen und Frauen für weitere Kämpfe zu stärken – gegen die Regierung, gegen die Bourgeoisie und gegen die Troika.

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