GDL bleibt hinter ihren Forderungen – Streik für Inflationsausgleich ist nicht genug!

17.09.2021, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Zerbob / shutterstock.com

Kurz vor einer möglichen vierten Streikrunde kam es zu einer Einigung zwischen der Eisenbahner:innen-Gewerkschaft GDL und dem DB-Konzern. Das Ergebnis entspricht eher einer Routine-Tarifrunde - dabei hätte der Streik nicht nur ökonomische Forderungen sondern auch notwendige politische Veränderungen durchsetzen können.

Das Ergebnis: 3,3 Prozent mit einer Laufzeit von 32 Monaten. Das bleibt deutlich hinter den ursprünglich geforderten 4,8 Prozent für zwei Jahre zurück. Es bedeutet für die Beschäftigten angesichts der Inflation seit der letzten Tariferhöhung eine Reallohnsenkung. Allerdings war die GDL-Führung schon vor dem ersten Streik bereit, ihre Forderungen in diesen Bereich zu senken.

Auch das zweite große Ziel der GDL, die Erhaltung der Betriebsrente, wurde nur für Altbeschäftigte erreicht. Ab 2022 eingestellte Kolleg:innen fallen unter das DB-Rentensystem, bei dem die Höhe der Rente von der Entwicklung der Aktienmärkte abhängig ist. Während die GDL bisher den Erhalt des alten, sichereren Systems forderte, hat sie sich nun auf eine Spaltung in Alt- und Neubeschäftigte in der Rentenfrage eingelassen.

Relativ nah an ihren Forderungen blieb die GDL bei der Corona-Prämie. Insgesamt werden Beschäftigte 800 oder 1000 Euro Prämie erhalten, abhängig von ihrem Gehalt. Aber eine solche Einmalzahlung ist für die DB natürlich leichter verkraftbar, als eine dauerhafte Gehaltssteigerung.

Der Streik hat erneut gezeigt, welche Macht strategische Sektoren der Arbeiter:innenklasse, wie Lokführer:innen und Zugpersonal haben können. Besonders im Güterverkehr entstehen schnell Milliardeneinbußen – nicht nur für die Bahn, sondern auch für die Industrie, die auf Materiallieferungen angewiesen ist. Und trotz einer massiven Hetzkampagne konnte zumindest ein Teil der Forderungen durchgesetzt werden. DB-Führung, der Vorsitzende der Konkurrenzgewerkschaft EVG, bürgerliche Politiker:innen bis hin zu Dietmar Bartsch und die bürgerlichen Medien arbeiteten mit daran, den Tarifkampf der GDL zu delegitimieren. Selbst der Chef des DGB, Reiner Hoffmann, erdreistete sich, die GDL für ihren Arbeitskampf zu kritisieren.

Unter diesen Bedingungen ist das Ergebnis zwar positiv – aber es handelt sich vor allem um einen taktischen Sieg für die GDL-Führung. Das Tarifeinheitsgesetz und die Klagen der Bahn konnten den Streik nicht verhindern. Und der GDL-Vorsitzende Klaus Weselsky konnte sich erneut als wichtiger Vermittler zwischen Bahn, Staat und einem zentralen Sektor der Arbeiter:innenklasse positionieren. Und nun hat er diesen wichtigen Sektor pünktlich vor der Bundestagswahl wieder befriedet.

Auch wenn Weselsky als besonders „kompromisslos” gilt, zeigt sich doch schon an den ursprünglichen Forderungen und auch am Ergebnis, dass er von Anfang an auf einen sozialpartnerschaftlichen Kompromiss zugesteuert hat. Gäbe es dieses bremsende Element der Führung nicht, hätten durchaus höhere Lohnforderungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden können. Aber die verpassten Chancen gehen noch weit darüber hinaus: Gerade im Kontext der Klimakrise haben die Bahnbeschäftigten eine besondere Rolle, da sie auch ein unmittelbares Interesse an einem umweltverträglichen Umbau des Verkehrswesens haben. Wenn sich die Streikenden der Bahn mit der Umweltbewegung verbünden würden, könnten sie einen massiven Ausbau des ÖPNV, eine Senkung der Kosten und weitere notwendige Forderungen durchsetzen.

Um die Fragen zur Zukunft der Bahn im Interesse der Beschäftigten zu lösen, bedarf es Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohn- und Personalausgleich sowie die Verstaatlichung der Großindustrie und Infrastruktur unter Kontrolle der Arbeiter:innen. Um das zu erreichen, müssen sich die Gewerkschaften aus der Sozialpartnerschaft lösen. Dies gilt nicht nur für EVG und GDL. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die etwa Teile des Nahverkehrs und der Servicebereiche der Bahnhöfe organisiert, muss eine solche Perspektive entwickeln. Der Kampf darf auch nicht getrennt von den Kolleg:innen der Automobilindustrie stattfinden, nur mit ihnen zusammen wird es möglich sein, moderne und umweltfreundliche Verkehrskonzepte zu entwickeln.

Zum Weiterlesen:

An die EVG: Macht eure Mitglieder kampfbereit, statt gegen die GDL zu hetzen!

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