Für eine Uni gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung

23.04.2022, Lesezeit 9 Min.
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Anti-Kriegs-Demonstration am Münchner Stachus, 1. April 2022. Foto: Ayrin Giorgia (KGK)

Die gleichnamige Initiative von Studierenden und Beschäftigten aus München stellt sich vor. Darin erfahrt ihr, wie wir Politik an der Uni gegen Krieg machen wollen, welche Politik wir gegenüber Geflüchteten vorschlagen und was mit 100 Milliarden Euro anstatt Aufrüstung getan werden sollte.

Angesichts des Krieges in der Ukraine und den hierauf folgenden Reaktionen, die ein breites Spektrum von Solidarität bis Forderungen nach weiteren Waffenlieferungen abdecken, kann und darf eine klare Positionierung nicht ausbleiben. Dies gilt auch für Studierende und Beschäftigte an deutschen Universitäten, die sich fragen müssen, was es zu tun gibt. In diesem Beitrag stellen wir die Initiative Unis gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung vor, die vor Kurzem in Berlin und München gestartet ist.

Uni gegen Krieg

Seit zwei Monaten führt Putin einen brutalen Angriffskrieg in der Ukraine, der bereits Tausende Tote, Millionen Flüchtende, zerstörte Häuser, Städte und Existenzen forderte. Während verschiedene Organisationen der Linken Waffen für die Ukraine fordern und sich für Sanktionen Russlands aussprechen, sind andere Gruppierungen äußerst zurückhaltend, was die Verurteilung des russischen Einmarsches in die Ukraine betrifft und sehen den Angriff Russlands durch die Provokation der NATO legitimiert. Eine solche Relativierung, die russische „Sicherheitsinteressen“ wahren möchte, lehnen wir ab. Es gibt keine Rechtfertigung für die großrussischen Ambitionen, die vor dem Ukraine-Krieg schon im Einmarsch bewaffneter russischer Kräfte gegen den Volksaufstand in Kasachstan sowie in den russischen Kriegen in Georgien, Syrien oder Tschetschenien zum Ausdruck kamen. Keine Nation hat das Recht, andere Nationen als sein Einflussgebiet zu beanspruchen und wirtschaftlich oder militärisch seinen Willen zu diktieren – weder Russland, noch die NATO-Staaten, die das gleiche in vielen Fällen taten.

Eine Schlussfolgerung im Sinne von „Gegen Putin = Für die NATO“ ist für uns daher abzulehnen. Denn auch die NATO hat, maßgeblich von den Interessen der USA getrieben, furchtbare militärische Einsätze, Kriege, Tote und Zerstörungen zu verantworten. Mit ihrem Einmarsch in Afghanistan, mit dem Irak-, dem Syrien, dem Libyen- oder dem Kosovokrieg haben  die USA, Deutschland und die NATO immer wieder bewiesen, dass es ihnen nicht um humanitäre Belange geht, sondern um eigene kapitalistische Interessen. Die NATO hat dafür gesorgt, dass hunderttausende Menschen fliehen müssen, ihre Mitglieder betreiben militärisch und wirtschaftlich eine Politik, die andere Länder abhängig macht und mit konkurrierenden Mächten wie Russland oder China um Einflussgebiete kämpft. Ihr Mitgliedsstaat Türkei überfällt zum gleichen Zeitpunkt, in der die NATO gegenüber der Ukraine als „Friedensmacht“ auftreten will, kurdische Gebiete.

Als Gruppe Studierender und Beschäftigter an verschiedenen Universitäten in München haben wir uns zusammengeschlossen, um eine dritte Position gegen den Krieg zu vertreten, die lautet: „Weder Putin noch NATO“. Sie stützt sich nicht auf westliche Interventionen und Eskalation der NATO, sondern auf die positiven Beispiele von Arbeiter:innen, die derzeit gegen den Krieg eintreten und Streiks, Sabotagen und Blockaden organisieren. Flughafenarbeiter:innen in Italien und Eisenbahner:innen in Belarus machen vor, dass es möglich ist, Waffenlieferungen und Kriegslogistik sowohl für Russland als auch für die NATO zu blockieren und den Krieg auszubremsen. Wir erklären uns ausdrücklich solidarisch mit der Antikriegsbewegung in Russland, die trotz harter Repression auf die Straße geht, um ihre Stimme gegen das Putin-Regime und seinen Krieg zu erheben.

Auch an den Unis, an denen um Ideen gekämpft wird, können Studierende und Beschäftigte etwas erreichen. Dabei muss die Positionierung der Universitäten zum Krieg herausgefordert werden: Denn wie kann es sein, dass für militärische Zwecke geforscht wird, während es im Gesundheitsbereich und Bildungssystem an Geld mangelt? Und warum werden durch die DFG (Deutsche Forschungsgesellschaft) finanzierte Kooperationen mit russischen Unis und Forschungsinstituten eingestellt, obwohl dies vor allem Menschen isoliert, die sich gegen den Krieg einsetzen? Mit einem klaren antirassistischen Programm wird die Initiative dafür eintreten, dass geflüchtete Menschen egal welcher Herkunft in Deutschland bleiben und (weiter)studieren können und alle Abschlüsse anerkannt werden. Auch können an den Universitäten Sprachkurse organisiert und leerstehende Immobilien zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden.

Uni gegen Rassismus

Bereits jetzt sind es schon hunderttausende Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind. Die Bilder, die wir von deutschen Bahnhöfen erhalten, erinnern sehr an 2015 als viele Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind. Anders als 2015 werden Geflüchtete aus der Ukraine gerade nicht dem regulären Asylverfahren unterzogen, das in der Praxis eine schikanierende und langdauernde Prüfung jedes einzelnen Falles bedeutet. Auf sie wird die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie angewandt, nach der humanitäre Aufenthaltstitel ohne Asylverfahren vergeben werden. Außerdem können sie nach dieser Richtlinie europaweit Arbeit aufnehmen, erhalten Sozialleistungen und medizinische Versorgung. Dieses schnelle und unbürokratische Verfahren und der unkomplizierte Zugang zu Versorgung und Unterstützung sind sehr zu begrüßen. Wir begrüßen es, dass Geflüchtete ohne Hürden Unterstützung und Aufnahme erhalten, und verlangen die Ausweitung dieser Praxis auf alle Geflüchteten.

Denn für viele Menschen gilt weiterhin die „Festung Europa“. Ohne ukrainischen Pass werden Menschen an den Grenzen zurückgehalten oder hier in Deutschland sofort registriert und können, wenn es nach den Bestimmungen der EU geht, in ihre Heimatländer zurückgebracht – oder auch: abgeschoben – werden. An den EU-Außengrenzen im Süden fällt Frontex mit illegalen „Push-Backs“ auf. Zum Einsatz kommen dabei auch Drohnen, die ursprünglich für das Militär entwickelt wurden und jetzt der Überwachung des „Grenzvorbereichs“ dienen. Eine Kontrolle muss Frontex dabei nicht fürchten. Jedes Jahr ertrinken vor der Festung Europa Tausende Menschen auf ihrer Flucht. Erreichen sie die EU dennoch, werden sie mittels eines Abkommens mit der Türkei entweder dort festgehalten oder in Lager wie beispielsweise auf den griechischen Inseln verfrachtet. Nachdem Moria niederbrannte, wurde ein neues Camp auf Samos errichtet, das mehr einem Gefängnis gleicht und Erinnerungen an Guantanamo hervorruft – abgeschirmt wird es von Sicherheitsschleusen und NATO-Stacheldraht. Derweil harren in Afghanistan immer noch Tausende ehemalige Ortskräfte der Bundeswehr und andere Schutzbedürftige aus, wenn sie nicht längst von den Taliban ermordet wurden oder sich verzweifelt an Flugzeugen festklammerten und in den Tod stürzten.

Humanität darf keine Frage der Herkunft, des Passes, der Hautfarbe, der Sprache oder sonstiger beliebiger Kriterien sein, sondern muss allen Flüchtenden gleichermaßen auch auf Rechtswegen zukommen! Wir verlangen auch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung sowohl in Russland als auch in der Ukraine und fordern ein sofortiges Asyl für alle Deserteur:innen und die Freiheit aller politischen Gefangenen. Dass Asylsuchende hier aus ihren bisherigen Unterkünften gerissen und verlegt werden, um Platz für Flüchtende aus der Ukraine zu schaffen, zeigt die Hierarchisierung von Schutzsuchenden in einer Weise, die unmenschlich ist und sofort gestoppt werden muss. Stattdessen braucht es Bleiberecht und Wohnraum statt Lager für alle Geflüchteten, wofür leerstehende Häuser konfisziert werden und neuer Wohnraum für alle Menschen außerhalb des kapitalistischen Wohnungsmarkts geschaffen werden muss.

Uni gegen Aufrüstung

Weiterhin dient der Angriffskrieg in der Ukraine der Bundesregierung als Vorwand für die Aufrüstung der Bundeswehr mit einem Sondervermögen von 100 Milliarde Euro. Derweil stieg der Verteidigungsetat in den letzten Jahren kontinuierlich an und erreicht auch regulär 2022 einen Rekordwert von circa 50 Milliarden Euro. Profit aus dem Krieg schlagen dagegen die Rüstungsunternehmen und Ölkonzerne. Die Lösung von Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) ist es, statt bei Russland bei Katar Gas einzukaufen, das ebenfalls eine Diktatur ist. So geht weder Klimaschutz noch Humanismus.

Währenddessen wird das in Rüstung „investierte“ Geld anderen öffentlichen Bereichen vorenthalten. Im kaputten Gesundheitsbereich und in der Erziehung braucht es endlich faire Bezahlung und ausreichend Personal. Und auch in den Schulen und an den Universitäten fehlt Geld. Die Kriegsförderungs- und Aufrüstungspolitik der Bundesregierung, die allen Wahlversprechen besonders der Grünen widerspricht, wird begleitet von einer Politik der sozialen Kälte: Die Heiz- und Tankpreise sind stark gestiegen und armen Menschen wird von einem zynischen Ex-Bundespräsident Gauck zum „frieren für die Freiheit“ geraten.

Auch unsere Unis sind Teil einer Militarisierung, die wir ablehnen: Zwar bekennen sich die meisten deutschen Hochschulen zu einer nicht-militärischen Forschung, jedoch schreckte die LMU nicht zurück, circa 3,7 Millionen Dollar in 23 Einzelsummen (Stand 2019) vom US-Verteidigungsministerium unter dem Label „Drittmittel“ zu kassieren. Einzustellen sind also nicht die von der DFG genannten Kooperationen mit russischen Forscher:innen, sondern die Annahme von Drittmitteln aus dem Militär.

Nächste Termine von „Uni gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung“

Gemeinsam mit anderen wollen wir als Initiative „Uni gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung“ Versammlungen einberufen, Aktionen planen und Diskussionen über die politischen Entwicklungen führen. Dazu haben wir in München bereits am 1. April eine Rede am Stachus gehalten und waren, unter anderem mit gewerkschaftlichen Kolleg:innen, auf den Ostermärschen gegen den Krieg. Wir laden alle Studierenden und Beschäftigten der LMU und anderer Universitäten ein, sich uns anzuschließen und sich mit uns zu vernetzen. Die nächsten Möglichkeiten dafür sind:

  • Infostand am Mittwoch, 27. April, von 9:00 bis 16:30 Uhr – am Geschwister-Scholl-Platz
  • Offenes Treffen am Dienstag, 3. Mai, um 18:30 an der LMU – Ort auf Nachfrage per E-Mail oder Social Media

Ihr könnt uns erreichen unter ugkrua.muc@gmail.com, auf Instagram und Twitter.

 

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