Sechs Monate nach dem Post-Streik: Für eine kämpferische Opposition innerhalb von ver.di!

08.01.2016, Lesezeit 5 Min.
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Am Streik bei der Deutschen Post AG (DPAG) vor gut einem halben Jahr beteiligten sich rund 30.000 Beschäftigte. Vier Wochen lang befanden sich die Kolleg*innen im Ausstand – praktisch für nichts. Die Gewerkschaftsleitung machte den Streik zu einer schmerzhaften Niederlage für die Beschäftigten. Auch wenn sich die Wogen mittlerweile geglättet haben, ist die Wut, aber auch die Resignation, unter den streikenden Kolleg*innen immer noch spürbar.

„Immer noch versucht ver.di, uns diesen Arbeitskampf als Erfolg zu verkaufen […] Das hat das Vertrauen in ver.di als unsere Interessenvertretung immens gestört“, so ein Briefzusteller der Deutschen Post AG in einem kürzlich geführten Interview. Konsequenzen aufgrund des Ergebnisses bei der Post von Seiten der Gewerkschaftsführung sucht man tatsächlich vergeblich. Umso eindeutiger bilanzieren die Kolleg*innen innerhalb der Belegschaft das Ergebnis. Betriebsversammlungen sind so schlecht besucht wie seit langem nicht und unter vielen Kolleg*innen herrscht Resignation.

Passivität der Gewerkschaftsführung

Der Gewerkschaftsführung scheint das jedoch ziemlich egal zu sein. Schon der Streik selbst wurde unheimlich passiv geführt. Angriffen der DPAG durch den Einsatz von Leiharbeiter*innen und Beamt*innen als Streikbrecher*innen wurde nichts entgegensetzt. Nur auf Initiative einiger Kolleg*innen wurden an einigen Standorten überhaupt aktive Streikposten aufgestellt. Auf Streikversammlung mussten sich die Kolleg*innen von Bürokrat*innen berieseln lassen und bekam selbst nicht die Möglichkeit ihre Meinung zu äußern.

Verantwortlich dafür ist in erster Linie die materielle Stellung von Funktionär*innen in der Gewerkschaft. Sie befinden sich gegenüber den Kolleg*innen in privilegierten Positionen. Sie bekommen ihre Kohle von der Gewerkschaft, unabhängig vom Ausgang des Streiks. Auch deshalb sind es nicht in erster Linie die Interessen der Kolleg*innen, die am Verhandlungstisch von ihnen vertreten werden. Vielmehr vertreten sie den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Gewerkschaft, der ihre privilegierte Position überhaupt erst sichert. Dieser Kurs hat für die Gewerkschaftsbürokratie besonders bei der Post auch lange Zeit ganz gut funktioniert hat.

Umso hilfloser war die Führung dann aber, als die Post mit der Ausgliederung von über 6.000 Beschäftigten in die DHL Delivery GmbHs diese Sozialpartnerschaft praktisch aufkündigte. Auch kurz nach dem Streik wurden die Kolleg*innen teilweise mit Überstunden für den Streik „bestraft“. Die damalige Verhandlungsführerin Andrea Koscic zeigte sich dennoch „zufrieden“ mit dem Ergebnis. Doch mit dem Abschluss und der vereinbarten „Friedenspflicht“, die sowieso ganz offensichtlich nur für die Gewerkschaft gilt, schnürte die Gewerkschaftsführung dem Streik und den aktiven Kolleg*innen die Luft ab. Fragt sich, wie es weiter geht.

Opposition innerhalb von ver.di

Der Kollege von der Post stellt die richtigen Fragen: „Wie können wir dem immer ungezügelteren Treiben der Konzerne etwas entgegensetzen? Wird das durch eine Opposition innerhalb der Gewerkschaften sein? Oder durch den Aufbau einer neuen Gewerkschaftsbewegung? Beide Wege wären wohl unendlich schwierig.“ Der Aufbau einer neuen Gewerkschaftsbewegung neben den etablierten Gewerkschaften, die immer noch Millionen Menschen organisieren, erscheint in Deutschland zurzeit tatsächlich ziemlich aussichtslos. Zwar können kleine Gewerkschaften, wie die Freie Arbeiter Union (FAU), immer wieder in Kleinbetrieben durch ihre Kampfbereitschaft Erfolge erzielen, die Massen organisieren sich dort jedoch nicht. Insofern führt kein Weg daran vorbei, innerhalb von ver.di eine kämpferische Opposition aufzubauen. Das ist schwierig, ja – unmöglich, auf keinen Fall!

Die Kolleg*innen von Amazon machen seit Jahren vor, wie es funktionieren kann. Besonders in Bad Hersfeld haben es kämpferische Kolleg*innen geschafft, durch aktive Arbeit im Betrieb und der Selbstorganisierung von Streiks rund 1.000 Kolleg*innen für ver.di zu gewinnen. Mittlerweile organisiert die Gewerkschaft mehrere Tausend Amazon-Beschäftigte deutschlandweit. Auch wenn Amazon ver.di als offiziellen Verhandlungspartner bis heute nicht akzeptiert, konnten die Kolleg*innen so doch wichtige Verbesserungen wie Weihnachtsgeld, Verbesserungen bei Pausenregelungen und Gesundheitsschutz erringen. Ein Erfahrungsaustausch zwischen Kolleg*innen von Amazon und der Post wäre somit von großer Bedeutung.

Bürokrat*innen entmachten!

Nicht nur der Post-Streik im letzten hat Jahr die reaktionäre Rolle von Gewerkschaftsführungen deutlich gemacht. Auch der Streik im Sozial- und Erziehungsdienst und letztlich auch der sonst sehr kämpferische Streik der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) wurden von der Bürokratie abgewürgt. Dabei hätte allein die Zusammenführung all dieser Streiks die Arbeitskämpfe gestärkt. Eine Forderung, die unter Kolleg*innen auch immer wieder aufkam, von der Bürokratie aber wenn überhaupt nur symbolisch umgesetzt wurde.

Umso zentraler ist, dass die Kolleg*innen das Heft selbst in die Hand nehmen. Denn letztlich geht es um ihre Arbeits- und Lebensbedingungen. Das bedeutet u. a. Gewerkschaften durch die Wahl von jederzeit abwählbaren Delegiert*innen zu demokratisieren, Streiks unter die Kontrolle der Arbeiter*innen zu stellen und die Streiks zum politischen Kampf gegen die Abwälzung der Folgen der kapitalistischen Krise auf die Arbeiter*innenklasse auszudehnen. Dazu ist es erforderlich eine Gegenmacht an der Basis aufzubauen, die mit der sozialpartnerschaftlichen Politik der Gewerkschaftsführung bricht und einen eigenen Kampfplan aufstellt, sodass Funktionär*innen letztlich überflüssig werden. Dieses Bewusstsein kann aber nur durch einen aktiven Kampf an der gewerkschaftlichen Basis erreicht werden, der die Kolleg*innen nicht zum Objekt bürokratischer Manöver verkommen lässt, sondern zum Subjekt klassenkämpferischer Politik.

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