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Wahlrecht für alle, die hier leben!

16.09.2016, Lesezeit 4 Min.
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In Berlin steht eine Wahl an, bei der es für Arbeiter*innen, Migrant*innen und Jugendliche aus den Familien Lohnabhängiger nichts zu gewinnen gibt. Keine der antretenden Parteien vertritt ihre Interessen, alle stehen sie für Kürzungen, Privatisierungen, Filz und institutionellen Rassismus.

Aber viele Berliner*innen dürfen nicht einmal ungültig wählen, um ihren Protest auszudrücken. Denn wahlberechtigt zum Abgeordnetenhaus sind nach Artikel 39 Absatz 3 VvB nur alle deutschen Staatsangehörigen ab 18, die seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz in Berlin haben. Nicht wählen darf außerdem, wer von Justiz oder Psychiatrie das Wahlrecht entzogen bekommt.

So sind 3,1 Millionen Personen über 15 in Berlin gemeldet, aber nur 2,5 Millionen von ihnen sind aufgrund von Alter und Nationalität wahlberechtigt. Nico Müller (16) meinte in einem Gastbeitrag bereits, die herrschende Klasse will Jugendliche bei der Wahl nicht sehen, weil sie kämpferischer und linker sind. Und auch den 620.000 gemeldeten Menschen in Berlin ohne deutschen Pass wird das demokratische Recht zu wählen verweigert, egal wie alt sie sind.

Für die zwölf Berliner Bezirksverordnetenversammlungen sind alle ab 16 wahlberechtigt, die die deutsche oder eine EU-Staatsbürgerschaft haben. Die Einbeziehung von EU-Ausländer*innen in die Kommunalwahlen ist geltendes EU-Recht, ins Grundgesetz übernommen. Aber wer keinen solchen „Premium-Pass“ hat, darf nicht mitwählen und nicht gewählt werden. Das gilt für zehn Prozent der über 16-jährigen, die gemeldet sind – und dieses Recht zeigt den institutionell-rassistischen Charakter des Wahlrechts.

Nun haben das sogar die zur Wahl stehenden Parteien gemerkt: Die Opposition ist für eine Absenkung des Wahlalters. Sogar die Grünen wollen ein Wahlrecht für Nicht-„EU-Ausländer*innen“, die in Berlin ansässig sind. Die gleiche Partei, die für Polizeieinsätze gegen Geflüchtete verantwortlich zeichnete und so nicht besonders glaubwürdig ist, was die tatsächliche Umsetzung demokratischer Rechte angeht.

Kämpfende Geflüchtete fordern selbst immer wieder Wahlrecht, zuletzt erst wieder der Refugee Struggle for Freedom. Das steht aber gar nicht zur Debatte für die antretenden Parteien, wenn die Geflüchteten keinen Aufenthaltstitel haben oder nicht gemeldet sind. Und selbst minimale demokratische Forderungen, wie die Absenkung auf 16 über die kommunale Ebene hinaus oder die Ausweitung des Wahlrechts auf alle hier gemeldeten, können die bürgerlichen Institutionen offensichtlich nicht erfüllen, auch wenn manche Parteien es seit langem versprechen. Es bleiben leere Worte.

Denn durch reines Wählen lässt sich der Chauvinismus des deutschen Rechts nicht abschaffen, der im Interesse des Kapitals die Arbeiter*innenklasse spaltet. Das wird uns nicht von Grünen oder Linkspartei geschenkt – schließlich waren beide Parteien schon auf Bundes- oder Landesebene in der Regierung, ohne diese antidemokratischen Mechanismen abzuschaffen. Nein, es muss dafür gekämpft werden. Geflüchtete und Jugendliche haben über das Wahlrecht hinaus noch gemeinsame Interessen, für die sie auf die Straße gehen können: Gute Arbeit für alle statt Prekarisierung und Abschiebung. Bildung für alle statt Kriegsfinanzierung und Isolation in Lagern. Keine Drangsalierung mehr durch rassistische Polizeikontrollen. Wohnraum und Orte, an denen man gut leben kann, für alle.

Das Kapital wird mit den Parteien, die es stützen und verwalten, nichts für Jugendliche und Geflüchtete unternehmen, weder im Wahlrecht noch in den Fragen des Alltags oder der Weltpolitik. Jugendliche, Migrant*innen und alle momentan unterdrückten Teile der Gesellschaft werden ihre vollständigen demokratischen Rechte nur gemeinsam mit und unter Führung der Arbeiter*innenklasse – in der Perspektive der Diktatur des Proletariats – erkämpfen können. Dafür ist es notwendig, eine kämpferische antikapitalistische Bewegung aufzubauen, die unabhängig von Kapital, bürgerlichem Staat und den etablierten Parteien alle demokratischen Rechte in ihre Forderungen aufnimmt und ihre objektiven gemeinsamen Interessen vertritt.

Gleichzeitig kämpfen wir schon jetzt für die Ausweitung aller demokratischer Rechte und die Abschaffungung der Privilegien der politischen Kaste, wie die Ausweitung des Wahlrechts, die Beschränkung der obszönen Abgeordnetendiäten auf ein Arbeiter*innen-Durchschnittsgehalt oder die ständige Wähl- und Abwählbarkeit der Abgeordneten.

Wir rufen dazu auf, dass die, die momentan wählen dürfen, ungültig wählen. Aber nicht untätig bleiben, denn #KämpfenLohntSich. Der bundesweite Streik- und Aktionstag von „Jugend gegen Rassismus“ ist eine gute Möglichkeit, um gemeinsam zu kämpfen.

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