Fatih Akins „Aus dem Nichts“ banalisiert den rechten Terror

17.01.2018, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Mit dem Gewinn eines Golden Globe ist Fatih Akins neuester Film "Aus dem Nichts" wieder in aller Munde. Darin beschäftigt er sich mit den Auswirkungen des Rechtsterrorismus und des Rassismus in Deutschland. Doch leider enttäuscht der Film mit vielen Fehlern und bleibt Antworten schuldig.

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Fatih Akin hat sich Großes vorgenommen. „Aus dem Nichts“ erzählt eine Geschichte rechter, rassistischer Gewalt, die sich sowohl in ihrer Darstellung, als auch in einer Widmung am Ende des Filmes auf die Terroranschläge des NSU bezieht. Dabei macht der Film fast alle Fehler, die vor diesem Hintergrund gemacht werden können. Dabei hatte der Regisseur sogar die richtigen Gedanken. In einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärt er: „Die Mörder waren eben nicht türkische Mafiosi oder Drogendealer, sondern Neonazis. Diese Wut wollte ich verarbeiten, aus der Sicht eines Opfers.“

In demselben Interview erklärt er auch, dass der Film nicht vom NSU handelt, der an dieser Stelle nur als Inspiration diente – und keinesfalls eine Aufarbeitung darstellen soll, es aber dennoch fast zwangsweise auf eine falsche Art ist –, ergo in einem „Paralleluniversum“ spielt. Diese Entkontextualisierung der Handlung bei gleichzeitiger Bezugnahme hat als Folge eine Entpolitisierung der Debatte. Denn dass der rechte Terror System hat, muss so nicht mehr thematisiert werden.

Für den Regisseur ist „das markanteste Statement: dass das Opfer eine Deutsche ist und keine Türkin. Es betrifft jede und jeden, nicht nur ‚Kanaken‘, sondern auch Weiße.“ So banal, so bedeutend in der Konsequenz – zumal der rechte Terror eben doch zuerst alle trifft, die als nicht Deutsch gelesen werden. Die Angehörigen der Opfer des NSU (wie die jedes rechten Terrors) wurden selbst kriminalisiert und mussten die Schikane der Polizei und des Staates ertragen. Neben Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen wird selbst der Gerichtssaal noch zur Bühne des Kampfes um die konsequente Aufarbeitung. Zwar wird auch in „Aus dem Nichts“ zuerst in der kriminellen Vergangenheit und ethnischen Herkunft („war ihr Mann Kurde?“) des Ermordeten nach einem Grund für den Mord gesucht, aber der emotionale Zugang führt über die Empörung der weißen Frau.

Die „Darstellung“ des Nebendarstellers Nuri Sekerci entspricht ganz dem Klischee der deutschen Audienz über kurdisch-stämmige Menschen: lange Haare zum Hipster-Zopf gebunden, 7-Tage-Bart und prolliger Gang. Hauptdarstellerin Katja Sekerci ist zu Beginn des Filmes als Braut gekleidet im Gefängnis auf Nuri wartend zu sehen. Bedeckt mit Tattoos, einer „rockigen“ Frisur und gehüllt in ein simples weißes Kleid, spiegelt sie die genaue Erwartung einer deutschen Audienz wieder, wie eine deutsche Frau, die mit einem Kurden, einem „Ausländer“ ausgeht, auszusehen hat.

„Alternativ“ – so ließe sich ihr Stil am besten beschreiben; schließlich würden durchschnittliche, vernünftige deutsche Frauen nicht mit „nahöstlichen“ Männern wie Nuri Sekerci ausgehen. Weiter soll durch die von zwei deutschen Menschen (im weiteren Filmverlauf werden sie als Nazis entblößt) gelegte Bombe und den dadurch verursachten Mord an Nuri Sekerci und dem gemeinsamen Sohn Rocco Sekerci eine Parallele zu den NSU-Morden geschaffen werden. Allerdings hinkt der Vergleich an vielen Stellen: die Hauptdarstellerin Katja musste sich zwar vielen unangenehmen Fragen seitens der Untersuchungskommission stellen, jedoch erreichte dies nicht einmal ansatzweise das Ausmaß dessen, was die tatsächlichen Opfer des NSU im Prozess und von Seiten der Beamt*innen durchleben mussten. Des Weiteren waren die tatsächlichen NSU-Morde im Kollektiv organisierte und durchgeführte Anschläge, mit Wissen und sachdienlicher Hilfe durch den Verfassungsschutz, während Katja Sekercis Familie einer scheinbaren Einzeltat zum Opfer fiel. Selbstverständlich gibt es auch rassistische Einzeltaten, allerdings ist Fatih Akins (Nicht-)Versuch, die NSU-Morde künstlerisch aufzuarbeiten damit nicht gelungen. Die NSU-Morde werden damit einer zufälligen Tat zweier einsamer Einzeltäter*innen gleichgestellt, statt einer kollektiven kriminellen Handlung, unterschwellig unterstützt durch institutionalisierten Rassismus in deutschen Staatsorganen.

Vielleicht ist es deshalb auch konsequent, dass Fatih Akin die Protagonistin Katja Sekerci (Diane Kruger) statt eines politischen Kampfes um Aufklärung, in dem noch der Gerichtssaal zur politischen Bühne wird, einen privaten Rachefeldzug führen lässt. Dies wird jedoch nicht nur nicht der Sache gerecht, um die es hier geht, sondern stellt darüber hinaus auch kein wirksames Mittel gegen den rechten Terror dar. Statt einer individuellen bedarf es einer kollektiven Perspektive, die in der Lage ist, die rassistischen Strukturen dieses Staates und seine Klassenjustiz zu konfrontieren.

Vielleicht gerade weil Fatih Akin eigentlich für gute Filme bekannt ist und die Erwartungen dementsprechend auch besonders hoch waren, hinterlässt uns das Ende des Films mit nicht viel mehr als Ratlosigkeit angesichts dieser Banalisierung von rechtem Terrorismus.

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