EU: Klimakiller. CO2-Steuer: nutzlos.

29.05.2019, Lesezeit 8 Min.
1

Zwei Lösungsansätze dominieren die Debatte um Fridays for Future und den Kampf gegen die Klimakrise: Richten sollen es eine CO2-Steuer und die EU. Warum das schlechte Ideen sind und welche grundlegenderen Forderungen wir brauchen. Aus Ausgabe 4 der Zeitung der marxistischen jugend münchen.

Dieser Beitrag ist aus der Zeitung der marxistischen jugend münchen, Ausgabe 4. Kontakt: majumuc@gmail.com

Plötzlich entdecken fast alle ihr Herz für den Klimaschutz. Politiker*innen aller Parteien präsentieren lautstark ihre Vorschläge gegen die Klimakrise. Ohne die anhaltenden Proteste von Fridays for Future (FFF) wäre das sicher nicht passiert. Besonders eine Forderung findet viel Unterstützung: die sogenannte CO2-Steuer.

Die Grünen fordern sie eh, die Linke ist auch dafür, mit der Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD ist die Forderung auch in der Bundesregierung angekommen. Die einzige noch auszuhandelnde Variable scheint die Höhe zu sein: 20, 40 oder, wie FFF fordert, gleich 180 Euro pro Tonne ausgestoßenem CO2?

1

Dagegen sträuben sich noch die Union und manche Wirtschaftsverbände wie etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), doch findet die Forderung auch an Orten Freund*innen, wo man das eher nicht vermuten würde. Mehrere prominente Abgeordnete der Republikaner, der Partei des Klimawandelleugners Donald Trump, setzen sich ebenfalls für eine solche Steuer ein. Bedeutet das, dass in dieser Frage eigentlich alle an einem Strang ziehen? Klimaaktivist*innen und Minister*innen, Republikaner und Unternehmen?

Die Klimakrise hat einen Preis und es geht um die Frage, wer ihn bezahlen soll. All diejenigen, die eine CO2-Steuer befürworten, eint eine Hoffnung: Sie wollen die Klimakrise im Kapitalismus lösen. Die Gesetze des Marktes, die uns diese Krise eingebrockt haben, sollen uns jetzt von ihr befreien?

Die Idee einer CO2-Steuer beruht auf der Annahme, dass Anreize geschaffen werden müssen, um Unternehmen anzuspornen, umweltfreundliche Technologien zu entwickeln, ressourcenschonend zu wirtschaften, Emissionen zu vermeiden. Es geht also darum, einen Strukturwandel der kapitalistischen Wirtschaft zustande zu bringen. Deshalb soll nach den meisten Modellen die Steuer jährlich steigen, um einerseits den Druck zu erhöhen, etwa die Produktion umzustellen oder die Forschung zu intensivieren, und um den Konzernen andererseits eine langfristige Planungssicherheit zu geben.

Wenn der wirtschaftliche Eingriff durch eine Steuer auf Treibhausgasemissionen allerdings so groß wird, dass er Wirkung zu zeigen beginnt, hindert Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft nichts daran, die Produktion dorthin zu verlegen, wo sie mit weniger Auflagen und kostengünstiger stattfinden kann.

Wer aber sorgt dafür, dass diese Unternehmen diese Besteuerung nicht einfach auf die Preise umlegen und damit unsere Lebenshaltungskosten immer weiter steigen, während unsere Löhne seit Jahren stagnieren? Die Befürworter*innen der Steuer haben darauf eine scheinbar fixe Antwort: Alle Bürger*innen bekommen aus den Steuereinnahmen einen einheitlichen Betrag ausgezahlt – egal, wie reich sie sind, egal ob sie Kapital besitzen oder für ihren Lohn arbeiten müssen. So sollen die Bürger*innen für steigende Preise entschädigt und Sympathien für die Steuer eingesammelt werden. Produkte, in deren Herstellung Treibhausgase emittiert werden, sollen dabei verteuert werden, um den Konsum zu lenken. Wer auf sie verzichtet, soll finanziell profitieren.

So zeigt sich, dass es im Grunde doch nicht darum geht, einen radikalen Strukturwandel zu erreichen: De facto wird nur ein kleiner finanzieller Ausgleich zwischen denjenigen geschaffen, die viel CO2 „verbrauchen“, hin zu denen, die wenig CO2 „verbrauchen“. Die Frage, wer die Kosten für die Klimakrise zahlen soll, ist damit alles andere als beantwortet. Die großen Konzerne jedenfalls, die für die Klimakrise verantwortlich zeichnen, bleiben verschont. Die kapitalistische Logik, immer weiter zu expandieren, zu akkumulieren, bleibt unangetastet. Und damit der Kern des internationalen Problems.

„Europawahl ist #Klimawahl“?

Für die Demonstration zum Europa-weiten Bildungsstreik am 24. Mai prangte auf dem FFF-Material eine EU-Flagge, die in einem stürmischen Meer unterzugehen droht. Die Nachricht: Wir streiken auch, damit die EU bewahrt bleibt. Dieser Argumentation zufolge können Jugendliche die Wahlen beeinflussen, auch wenn sie selbst noch nicht wählen dürfen.

Natürlich kann die Klimakrise nicht auf nationaler Ebene bewältigt werden. Aber bedeutet das automatisch, dass wir unsere Hoffnungen deshalb auf die Europäische Union setzen sollten?

Uns wird die EU von allen Seiten als Gegenpol zum Rechtsruck präsentiert, dessen Vertreter*innen auch den Klimawandel leugnen oder wenigstens den Einfluss des Menschen darauf. Die EU wird aber nicht nur von rechts infrage gestellt. Ihre anhaltende Krise ist eine strukturelle, die sich im Brexit besonders scharf ausdrückt.

Das hat auch mit ihrem undemokratischen Charakter zu tun: Die übermächtige EU-Kommission ist nicht gewählt, während das sogenannte Parlament weitgehend ohne Kompetenzen ist. Kein Wunder, dass sich das Interesse an den Wahlen trotz aller Werbekampagnen in Grenzen hält und sich immer weniger Menschen von den europäischen Institutionen repräsentiert fühlen.

Neben denjenigen, die die EU kritiklos hochjubeln, gibt es zwei Antworten darauf: Die einen hoffen darauf, die EU reformieren zu können, die anderen wollen zum nationalen Wohlfahrtsstaat zurück. Der zweite Vorschlag ist nicht nur angesichts der nur international zu beantwortenden Klimakrise offensichtlich unnütz.

Dabei ist ein „Europäismus“ als Antwort auf die Enge des Nationalstaats gerade in Deutschland nicht weniger nationalistisch. Denn die Europäische Union steht unter der Führung Deutschlands und dient dem deutschen Kapital als Vehikel zur Durchsetzung seiner Interessen.

Eine besonders unklare Position nimmt etwa die Partei Die Linke ein. Sie trifft in ihrem Wahlkampf zur Europawahl keine klare Aussage zum Charakter der EU mehr, sondern schummelt sich mit den Forderungen nach einem „sozialen Europa“ und einer „anderen Europäischen Union“ um eine klare Haltung.

Dabei müssen wir uns nur das tatsächliche Programm der EU gegen den Klimawandel anschauen, um diese Halbheiten als solche zu erkennen. In ihrer „Umweltpolitik“ setzt die EU auf den Emissionshandel. Das bedeutet, dass sich Konzerne Lizenzen kaufen können, mit denen sie CO2 ausstoßen dürfen. Geholfen hat das nichts. Als Bündnis kapitalistischer Staaten wird die EU nichts tun, was die wirtschaftliche Freiheit ihrer Bourgeoisien einschränkt. Das aber ist unbedingt notwendig.

Für ein internationales Notprogramm gegen die Klimakrise

Wir brauchen ein Notfallprogramm, das zu Lasten der Konzerne geht – nicht auf Kosten der Arbeiter*innenklasse. Es ist völlig utopisch, den Konsum in einer Welt zu regulieren, die vollkommen plan- und rücksichtslos produziert.

Die zentralen Sektoren der Wirtschaft, besonders aber die Energiewirtschaft, müssen dem Profitstreben der Eigentümer*innen entzogen werden. Das heißt, sie müssen vergesellschaftet und unter Kontrolle der Beschäftigten und Verbraucher*innen gestellt werden. Nur so ist es möglich, demokratisch eine Wirtschaft zu planen, die auf sozialen, wissenschaftlichen und ökologischen Grundlagen beruht. Die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien kann so zügig durchgeführt werden, während alle Arbeiter*innen weiter beschäftigt werden können.

Wir brauchen einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr, damit die Menschen nicht mehr auf das Auto angewiesen sind. Um ein ausreichendes Angebot des öffentlichen Nahverkehrs sicherzustellen, braucht es massive Investitionen in diesen Sektor. Der gesamte Transportsektor einschließlich der Automobilkonzerne muss verstaatlicht und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden, um einen Strukturwandel im Interesse der Mehrheit vollziehen zu können.

Der Unterschied zwischen diesen Forderungen und den Illusionen in CO2-Steuer und EU ist nicht, dass die einen utopisch und die anderen praktisch umsetzbar sind. Utopisch ist vielmehr zu glauben, dass eine CO2-Steuer genügen würde, um die Klimakatastrophe zu verhindern. Utopisch ist es auch, irgendwelche Hoffnungen in die neoliberale EU zu setzen.

Der zentrale Unterschied ist, dass eine CO2-Steuer von oben, von den Regierungen und Konzernen durchgesetzt werden kann – im angeblichen Interesse aller, während in Wahrheit Milliardenprofite geschützt werden. Die einzig tatsächlich fortschrittliche Antwort, die einzige Antwort im Interesse der überwältigenden Mehrheit der Menschheit aber kann nur gegeben werden durch die Zusammenführung der Kämpfe der Unterdrückten und Ausgebeuteten gegen die Regierungen und Konzerne – und auch gegen die EU.

Das Ziel dieser Kämpfe kann nicht weniger sein als eine demokratische und auf die Schonung von Klima und Umwelt ausgerichtete Planwirtschaft. Das Ziel ist nichts weniger als der Sozialismus. Sozialismus für uns allerdings hat nichts mit den Sirenengesängen der Jusos zu tun, bei denen „demokratischer Sozialismus“ eine Chiffre für eben die Sozialdemokratie ist. Sondern es ist die Kontrolle über die gesellschaftliche Produktion – und die Ausübung von Macht – durch die Arbeiter*innenklasse. Dafür notwendig ist eine unabhängige politische Organisierung dieser Klasse, nicht ein weiterer Wahlzettel für eine weitere bürgerliche Regierung.

Mehr Artikel in Ausgabe 4 der Zeitung der marxistischen jugend münchen, Kontakt: majumuc@gmail.com

1

 

Mehr zum Thema