Erst Lula inhaftiert – jetzt macht Bolsonaro Richter Moro zum Superminister

02.11.2018, Lesezeit 6 Min.
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FILE PHOTO: Brazilian federal judge Sergio Moro waits to cast his vote in Curitiba, Brazil October 7, 2018. REUTERS/Rodolfo Buhrer/File Photo

Falls es noch an Beweisen für die Manipulation in Brasilien durch die Judikative mangelte: Nun wird Richter Sergio Moro die Führung eines neuen Superministeriums unter Bolsonaro innehaben.

Sergio Moro ist Bundesrichter und zuständiger Ermittlungsrichter im „Lava-Jato“-Prozess, der sich vor allem auf hochrangige PT-Politiker*innen konzentriert. Im Zuge dieses Prozesses wurde die ehemalige Präsidentin Dilma Rousseff abgesetzt und Lula inhaftiert und damit der institutionelle Putsch der Rechten in Brasilien ermöglicht. Besonders mit der Gefangennahme von Lula, mit der die Kandidatur des populären PT-Kandidaten verhindert wurde, ebnete Moro dem zukünftigen Präsidenten Bolsonaro den Weg zur Präsidentschaft – wäre Lula doch der einzige wirkliche Konkurrent gewesen. Deswegen hat Bolsonaro Moro nun als neuen Justizminister ernannt. Der Wahlsieger bezeichnete dies als „Belohnung“ für den Richter, den er im Kampf gegen die Korruption als „Soldaten ohne Angst vor dem Tod“ lobte.

Aber nicht nur das: Auch die Befugnisse des Justizministeriums sollen auf die Bereiche der öffentlichen Sicherheit, der Rechnungsprüfung sowie der Kontrolle über die Finanztätigkeiten und der Korruptionsbekämpfung ausgeweitet werden. Eine Art Superministerium. Weit entfernt von der demagogischen Anti-Korruptionspropaganda der Rechten gegen die PT geht es hier vor allem um die Vollendung des Bündnisses zwischen den Ultrarechten und dem gerichtlichen Bonapartismus, das mit dem institutionellen Putsch begann. Das Ziel ist die Vertiefung der Angriffe und der Verfolgung der Organisationen der Arbeiter*innenklasse und der Linken in Brasilien.

Bolsonaro und Moro sind zwei Flügel des gerichtlichen Bonapartismus

Die Justiz spielte also eine entscheidende Rolle seit dem institutionellen Putsch und für den Wahlkampf von Bolsonaro. Eine Anklage gegen den ehemaligen Minister von Lula, Antonio Palloci von vor Jahren, wurde rund eine Woche vor den Wahlen von Moro veröffentlicht, um weiter Stimmung gegen die PT zu machen.

Diese Einmischung der Justiz in die Politik passiert aber nicht unabhängig vom US-Imperialismus. Durchgesickerte Dokumente des US-Außenministeriums auf Wikileaks belegen die Existenz von Plänen für Gerichte unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung, die das Ziel haben, sich direkt in die Politik lateinamerikanischer Staaten einzumischen. In den gleichen Dokumenten erscheint auch der Name Sergio Moro, der sich an einem Ausbildungsprogramm des US-Außenministeriums gegen Geldwäsche beteiligte.

Bolsonaro, der jahrzehntelang als Abgeordneter der extremen Rechten im Schatten stand und für die nationale Politik unwichtig war, nutzte den Freiraum durch den Einfluss der Justiz und der großen Medien, die die PT zu Vogelscheuche der Korruption machten. Denn obwohl Sergio Moro die PSDB (Partei der brasilianischen Sozialdemokratie) vor Anschuldigungen bewahren konnte, und sie sich damit als Verfechterin der Ethik ausgeben konnte, war die Partei des ehemaligen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso zu verschlissen und zu sehr mit einem verfaulten und abgelehnten Regime verbunden. So konnte Bolsonaro aus dem Schatten treten und sich als „radikaler Ausweg“ gegen das Regime inszenieren.

Das Großkapital, die Medien und die Justiz verschwenden keine Zeit, um ihren Kompass auf diesen „neuen Helden“ umzustellen. Sie ergriffen alle notwendigen Maßnahmen, um Bolsonaro innerhalb ihres Programms zu „domestizieren“, um die Arbeiter*innen anzugreifen und den Imperialismus zu begünstigen. Obwohl in dem heiklen Spiel der Kräfte, in dem sich Brasilien bewegt, niemand mit Sicherheit vorhersagen kann, welche Auswirkungen das letztlich auf sie haben wird. Paulo Guedes, der zukünftige Wirtschaftsminister von Bolsonaro, war dafür verantwortlich, ihm das neoliberale Profil zu geben und die Reform der Renten und Privatisierungen zu seinem wichtigsten Arbeitspferd zu machen.

Neben der entscheidenden Rolle der Justiz rückte auch das Militär, unter dem Bolsonaro allmählich Einfluss gewann, sprunghaft vor und wurde zur „Hüterin“ des verfaulten, brasilianischen Regimes. Verschiedene Äußerungen des Militärs, darunter Drohungen von Generälen gegen die Justiz, falls sie Lula nicht verurteilen, erhielten Zustimmung von Ministern, die nun Teil des Kabinetts von Bolsonaro werden – ganz abgesehen von der Stellung, den Bolsonaros Stellvertreter, der pensionierte General Hamilton Mourão, in der Exekutive einnehmen wird.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass Augusto Heleno, der General, dem Bolsonaro das Verteidigungsministerium designierte, diesen Mittwoch sagte, dass es eine Ehre wäre, Moro im Kabinett zu haben, und dass er sehr hoffte, dass er die Einladung annehmen würde. Neben den oben erwähnten Ausweitung der Befugnisse für das Justizministerium, ist die vielleicht wichtigste Änderung die Unterstellung der Bundespolizei, der bewaffnete Arm der Operation „Lava-Jato“, unter Moros Ministerium. Auf diese Wiese wird die Ehe zwischen den beiden Flügeln des gerichtlichen Bonapartismus vollzogen, der offen unter der Vormundschaft des Militärs in die brasilianische Politik eingreift. dies ist das gleiche Bündnis, das in den letzten Zügen des Wahlkampfs gefestigt wurde und nun alle Hebel der geschwächten brasilianischen Ordnung in die Hand nehmen wird.

Brasilien ist hierbei exemplarisch für einen voranschreitenden Mechanismus, der sich in mehreren Ländern der Region auf unterschiedliche Weise wiederholt, wobei die Judikative innerhalb der politischen Systeme an Bedeutung gewinnt. Kampagnen gegen die in allen kapitalistischen Staaten beheimateten Korruptionsnetzwerke dienen als Deckmantel für den Vormarsch des gerichtlichen Bonapartismus. Dieser wird fälschlicherweise auch von Teilen der Linken begrüßt, die sich von der Idee des „Lava-Jato bis zum Ende“ täuschen lassen, um der kapitalistischen Korruption ein unmögliches Ende zu setzen.

Die gegenwärtige Situation in Brasilien zeigt damit nicht nur, wo die Demagogie der Ehrlichkeit und der Korruptionsbekämpfung endet, sondern auch wie die Operationen des gerichtlichen Bonapartismus von der linken Seite gedeckt werden können, um das politische Regime zu schützen und die demokratischen Grundrechte der Arbeiter*innen, ihrer Organisationen und der Linken selbst einzuschränken.

Weit davon entfernt, „der kapitalistischen Korruption ein Ende zu setzen“, befindet sich die Vereinigung der extremen Rechten und der Justiz in Brasilien heute in den Flitterwochen. Ihr Hauptziel besteht darin, die Reformen und Angriffe zu gewährleisten, die Temer nicht in die Tat umsetzen konnte: die Privatisierung staatlicher Unternehmen und vor allem die Rentenreform.

Dieser Artikel erschien zuerst auf La Izquierda Diario.

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