Die Aktualität der Permanenten Revolution

18.05.2012, Lesezeit 3 Min.
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Im Rahmen des diesjährigen Liebknecht-Luxemburg-Lenin-Weekends veranstaltete RIO eine Schulung über die Theorie der Permanenten Revolution, eine der theoretischen Hauptvermächtnisse Leo Trotzkis. In der Diskussion wurde deutlich, warum es gerade heutzutage wichtig ist, sich mit dieser Theorie zu befassen. Nicht nur wird die Kritik sowohl am Stalinismus wie auch an der damaligen Sozialdemokratie deutlich, sondern auch für revolutionäre Prozesse in der heutigen Welt bietet die Theorie der Permanenten Revolution fundamentale Einsichten, um eine Perspektive aus dem Elend der Massen aufzuzeigen.

Die Unmöglichkeit der bürgerlichen Demokratie, ihre eigenen Versprechen von Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit einzuhalten, wurden an verschiedenen geschichtlichen Beispielen wie auch an der Gegenwart der BRD illustriert. Vor allem in halbkolonialen Ländern, in denen die Produktivkräfte nicht so weit entwickelt sind wie in den entwickelten kapitalistischen Zentren, wird dies deutlich. So wie Russland vor der Revolution noch weitestgehend ein Agrarland war, sind es heute sogenannte „Schwellen“- oder „Entwicklungsländer“. Die einheimischen, sich entwickelnden Bourgeoisien dieser Länder sind selbst zu schwach, um sich gegenüber der imperialistischen Bourgeoisie zu behaupten. Durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von den imperialistischen Staaten sind die herrschenden Klassen in den Halbkolonien nicht fähig, die Aufgaben der bürgerlichen Revolution durchzuführen. Eine wirkliche Revolution, die demokratische Rechte verwirklicht, z.B. in Ägypten, ist unter solchen Bedingungen nur durch eine sozialistische Revolution möglich, die die einheimische wie vor allem die imperialistische Bourgeoisie entmachtet und die Produktionsmittel vergesellschaftet.

Auch die oppositionelle Haltung Trotzkis gegenüber des stalinistischen Konzeptes des „Sozialismus in einem Land“ wird in den Kernaussagen deutlich, wobei er auf die Notwendigkeit einer revolutionären Außenpolitik der Sowjetunion und letztlich einer Weltrevolution aufmerksam macht. Denn die Revolution kann erst vollendet werden, wenn die Bedingungen zum Absterben des Staates gegeben sind. Damit wird eine sozialistische Revolution auf weltweiter Ebene notwendig. Deshalb ist der revolutionäre Internationalismus, wie Trotzki ihn propagierte, nicht nur eine moralische Aufgabe, sondern eine unabdingbare Notwendigkeit.

Bei der Schulung konnten nicht zuletzt auch Missverständnisse aufgeklärt werden, die öfter auftauchen, wenn von der „Permanenten Revolution“ gesprochen wird. So ist nicht die Permanenz als endlose Reihe von Aufständen gemeint – vielmehr ist es eine Gegenthese zur „Etappentheorie“, wie sie von der Sozialdemokratie und später vom Stalinismus vertreten wurde. Nach dieser Etappentheorie ist die Voraussetzung für eine sozialistische Revolution eine überreif entwickelte, kapitalistische Gesellschaft. Weniger entwickelte Länder sollten hiernach zunächst einmal eine Revolution unter Führung der Bourgeoisie durchlaufen. Der Theorie der Permanenten Revolution zufolge kann aber in einer Epoche, die von einer imperialistischen Dominanz weniger Länder geprägt ist, nur eine Revolution unter Führung der ArbeiterInnenklasse auch die Ziele einer demokratischen Revolution durchsetzen. Vor dieser Aufgabe stehen seit Januar 2011 auch die Massen in Ägypten, deren Bourgeoisie offensichtlich keine Demokratie schaffen kann. „Permanent“ heißt damit also: von bürgerlich-demokratischen zu proletarisch-sozialistischen Aufgaben übergehend – genauso wie von nationaler zu internationaler Ebene dringend.

In der Theorie der Permanenten Revolution kommt die wechselseitige Dynamik zwischen revolutionären Prozessen in den Zentren und in der Peripherie zum Ausdruck. Damit findet sie ihre Synthese im Wiederaufgreifen des Marxschen Aufrufes: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

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