Der kommende Aufstand in Hamburg

19.04.2017, Lesezeit 6 Min.
1

Am 7./8. Juli treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G20 in Hamburg. Auf beiden Seiten der Barrikade laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Zwischen Demonstrationsverboten und Hafenblockaden: Welche Bedeutung haben die Proteste für die Arbeiter*innen und Unterdrückten?

Der Gipfel der sogenannten G20, der 20 wirtschaftlich wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, findet in diesem Jahr in der Hafenmetropole Hamburg statt.

Bei diesem einzigartigen Treffen versammeln sich einige der größten Massenmörder*innen der Welt. Unter den unwillkommenen Gästen finden sich Donald Trump, Recep Tayyip Erdoğan, Wladimir Putin, der*die künftige französische Staatspräsident*in, Angela Merkel, aber auch reaktionäre Staatschefs aus den halbkolonialen Ländern wie Brasilien (mit dem Putschisten Michel Temer) und Argentinien (mit dem korrupten Kapitalisten Mauricio Macri).

Sie diskutieren dort über die Risiken der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik in der Ära Trump, über ihre Politik in den Kriegs- und Krisenregionen im Nahen Osten und Afrika, und über die „Vertiefung der Partnerschaft“ mit dem afrikanischen Kontinent, also im Klartext über die Vertiefung der Ausbeutung und über Profite für imperialistisches Kapital.

Der Veranstaltungsort Hamburg ist aus zwei Gründen besonders:

Der Hamburger Hafen ist der drittgrößte Europas, ein eminent wichtiger Umschlagplatz für den exportorientierten deutschen Imperialismus. Fast 92 Millionen Tonnen betrug der Containerumschlag letztes Jahr, die wichtigsten Handelspartner sind China, Russland, Singapur und die USA. Es verwundert nicht, dass der Hafen als Symbol des kapitalistischen Handels angesehen wird. Ein Schlüsselsektor, der alleine in Hamburg über 150.000 Menschen beschäftigt.

Und inmitten dieser Stadt mit einer langen revolutionären Geschichte sowie einem reichlichen Erfahrungsschatz mit Protesten gegen den Staat (es sei an den Kampf um die Rote Flora erinnert) können wir auch aufzeigen, dass die reaktionäre Zweisamkeit zwischen Merkel und Erdoğan gegen die Geflüchteten und das kurdische Volk gesprengt werden muss. Oder dass die arbeiter*innenfeindliche Wirtschaftspolitik der Austerität ein Ende finden muss.

Dass sich in Hamburg die wichtigsten Staats- und Regierungschef*innen der Welt die Klinke in die Hand geben, bietet nicht nur die Möglichkeit, verschiedene Protestformen wie z.B. die der kurdischen Bewegung zu vereinen, sondern auch die Notwendigkeit, aktive Solidarität mit den kämpfenden Massen in den jeweiligen Ländern auszuüben. In Hamburg können wir mit unserem Protesten zeigen, dass die Anti-Trump-Bewegung oder der Generalstreik in Argentinien ein weites Echo bei uns finden.

Wenn die 20 größten Industrie- und Schwellenländer beim Gipfel vertreten sind, wird es deshalb nicht nur darauf ankommen, massenhaften Widerstand gegen ihre Politik auszudrücken, sondern auch die Verbindung zu den Sektoren zu suchen, die dem Gipfel ob ihrer objektiven Stellung am wirksamsten schaden können: Beschäftigte des Flughafens, des Güterverkehrs oder auch des Hamburger Hafens. Es ist richtig, dass so viele Aktivist*innen wie möglich zu den Protesten mobilisiert werden müssen. Doch der Aktivismus und die Formen des Protestes müssen verbunden werden mit den Forderungen der Arbeiter*innenklasse. Doch wie ist das konkret möglich?

Die Bedeutung unserer Klasse

Eine Blockade des Hafens, wie ihn NoG20-Aktivist*innen aktuell planen, wird nur funktionieren, wenn diejenigen mit eingebunden werden, die täglich für das reibungslose Ablaufen der Mechanismen verantwortlich sind: die Hafenarbeiter*innen. Obwohl sie von der Bürokratie und weiten Teilen der Linken im Stich gelassen werden bei ihrem Kampf um ihre Arbeitsplätze, hätten sie mit einem Streik die beste Möglichkeit, den Hafen lahmzulegen. Ein Zeichen gegen den Kapitalismus beim G20-Gipfel zu setzen, kann nichts anderes bedeuten, als diejenigen zu adressieren, die jeden Tag von ihren kapitalistischen Patron*innen ausgebeutet werden. Es kann nichts anderes als die Solidarität mit den Arbeiter*innen bei Blohm und Voss bedeuten, wo 300 von 900 Arbeitsplätzen gestrichen werden sollen. In diesem Zuge ist es von außerordentlicher Bedeutung, die Gewerkschaft anzusprechen und die Basis der größten Massenorganisationen unserer Klasse zu mobilisieren. Dass das funktionieren kann, zeigte die Teilnahme von Amazon-Arbeiter*innen bei den Blockupy-Protesten in Frankfurt 2015.

Der Kampf um die Arbeitsplätze wird nur erfolgreich ausgefochten werden, wenn es einen Streik gibt – genauso wie eine erfolgreiche “Sabotage” nur wirksam mit einem Streik erreicht werden. Es sind die Arbeiter*innen, die in beiden Fällen die Macht über den Ablauf und den Produktionsprozess haben. Ein Streik kann im Gegensatz zur Sabotage von außen viel wirkungsvoller die gewünschten Forderungen der NoG20-Aktivist*innen durchsetzen. Gleichzeitig wird ein solcher nur stattfinden, wenn die Forderungen der Arbeiter*innen aufgenommen und unterstützt werden. Von Nichts wird nichts kommen, es braucht schon die initiativ-offensive Verbindung zwischen den beiden Sektoren, die aufeinander angewiesen sind!

Das G20-Treffen dient nicht nur zur besseren Aufteilung der halbkolonialen Länder unter den imperialistischen Raubtieren (an vorderster Stelle die USA, Deutschland, Frankreich, Japan im Verbund mit China), sondern auch zur gegenseitigen Absicherung gegen die Kämpfe der Arbeiter*innen und Unterdrückten im jeweiligen Lande.

Besonders Frankreich und die USA wurden mit großen Mobilisierungen erschüttert, aber auch in Deutschland rüstet sich das Kapital gegen kommende Kämpfe der Arbeiter*innen. Das große Polizeiaufgebot mit 14.000 Einsatzkräften ist eine Vorbereitung gegen Massenproteste. Auch wenn das geplante Demonstrationsverbot in der Innenstadt vorerst gekippt wurde, war schon der Vorschlag eines solchen Verbots ein Vorgeschmack darauf, wie weit das Regime gehen könnte, um demokratische Rechte außer Kraft zu setzen. Schon jetzt wird sich die Umgebung um die Messehallen (in direkter Nachbarschaft zum traditionell linken Viertel der Sternschanze) in eine groteske Festung verwandeln. Die Entscheidung des Hamburger Bürgermeisters, Olaf Scholz (SPD), das Treffen der G20 nach Hamburg zu holen, ist also eine direkte Provokation und gleichzeitig ein Roulette-Spiel eines ambitionierten Speichelleckers der Bourgeoisie, der sich für höhere Aufgaben empfehlen will.

Schon der OSZE-Gipfel im Dezember 2016 sorgte für eine nicht geringe Einschränkung für die Bewohner*innen der Stadt. Ganze Straßen wurden abgesperrt und speziell gegen Demonstrierende ein einschüchternd großes Polizeiaufgebot aufgefahren. Dieses Treffen konnte reibungslos ablaufen, doch zum G20-Gipfel werden 100.000 Menschen erwartet …

Um die Proteste so wirkmächtig wie möglich zu gestalten, ist eine aktive Politik der Selbstorganisierung notwendig. Angefangen mit Basiskomitees an den Schulen, Universitäten und Betrieben kann so eine produktive Auseinandersetzung mit dem Großevent stattfinden. Dieser Gipfel betrifft und polarisiert jeden in der Stadt. Die Entscheidungen, die auf diesem Gipfel gefällt werden, werden Auswirkungen auf die ganze Welt haben – ebenso aber auch die Antwort, die wir den Herrschenden in den heißen Tagen im Juli geben werden.

Mehr zum Thema