Delhi is burning

26.02.2020, Lesezeit 6 Min.
Gastbeitrag

Seit einigen Tagen steht Delhi buchstäblich in Flammen. Susheela Mahendran berichtet von den Ereignissen, der anti-muslimischen Politik, die ihnen zu Grunde liegt und dem Kampf gegen diese.

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File:Locals in New Delhi protest against CAA CAB NRC.jpg“ by Sanjeev Yadav, DiplomatTesterMan is licensed under CC BY-SA 4.0

Am Sonntag, den 23. Februar 2020 führte der BJP Führer Kapil Misra eine Razzia gegen Anti-CAA (Citizenship Amendment Act) Proteste in Jafrabad, im Nordosten Delhis. Er warnte Demonstrant*innen davor, ihre friedvollen Sit-InsShaheen Baghs– im nordöstlichen Jafrabad und Maujpur, die von Frauen initiiert wurden, zu beenden. Am selben Tag wurden Prostestierende von CAA-Unterstützer*innen attackiert. Am Montag 24. Februar 2020 brach in Delhi vermehrt Gewalt aus. Es tauchten zahlreiche Videos und Fotos von brutalen Gewaltakten in Jafrabad, Maujpur, Chandbagh und anderen Teilen Delhis auf. Die Polizei benutze Tränengas und Handgranaten, doch schafften es nicht, Demonstrant*innen unter Kontrolle zu bringen. Fahrzeuge und Geschäfte wurden in Brand gesteckt und es wurde gegen Verordnungen der Polizei rebelliert. Sunil Kumar, medizinischer Leiter des Guru-Teg-Bahadur-Krankenhauses berichtete gegenüber AlJazeera am 25. Februar 2020 von Todesopfern „Ich kann bestätigen, dass 11 Menschen bei der Gewalt gestorben sind, darunter ein Polizist, der gestern gestorben ist.“

Am Dienstag, 25. Februar blieben die Gewalttätigkeiten nahezu gleich. Schulen und Metro-Stationen wurden geschlossen, Journalist*innen, die diese Unruhen dokumentierten, wurden von Mobs attackiert. Nidhi Razdan schreibt dazu bei Twitter: „Zwei meiner Kollegen Arvind Gunasekar und Saurabh Shukla wurden gerade in Delhi von einem Mob schwer geschlagen, sie hörten erst auf, sie zu schlagen, als sie erkannten, dass sie „unser Volk – Hindus“ sind. Absolut verabscheuungswürdig“.
Aus den muslimisch besiedelten Gebieten wie Karawal Nagar, Maujpur, Bhajanpura, Vijay Park und Yamuna Vihar wurde vermehrt Gewalttätigkeiten gemeldet. Asim Ali schreibt bei The Wire, dass Indien sich schon in einer de-facto Hindu Rashtra, also einem nationalistischen Hindu-Staat, befindet, ohne dass der konstitutionelle Rahmen oder nationale Symboliken verändert werden müssten. Ali schreibt: „Wenn Sie immer noch davon überzeugt sind, dass ein mehrheitlicher Staat (majoritarian state) unter einer säkularen Verfassung undenkbar ist, dann lassen Sie uns einen Blick auf die jüngste Bilanz unseres Verfassungsschutzes werfen. Das Staatsbürgerschaftsgesetz, das allen Flüchtlingen mit Ausnahme der Muslime das Recht auf die Staatsbürgerschaft einräumt, gilt noch nicht als verfassungswidrig. Auch die Gefangenenlager in Assam, in denen unverhältnismäßig viele Muslime untergebracht sind, sind angeblich nicht verfassungswidrig. Tatsächlich werden sie vom Obersten Gerichtshof überwacht, nicht weniger. Man könnte sich vorstellen, dass, wie Innenminister Amit Shah versprochen hat, wenn die Regierungspartei das Nationale Bürgerregister im ganzen Land anwenden und im ganzen Land Gefangenenlager bauen würde, es auch nicht gegen die Verfassung verstoßen würde.“

Währenddessen befindet sich Donald Trump seit Montag auf einer zweitägigen Indienreise und führte versöhnende Gespräche mit Premierminister Narendra Modi. Es ging darum, wirtschaftliche Beziehungen mit Indien zu verbessern, und bestehende Spannungen zu beseitigen, da Indien für die USA im Wirtschaftskrieg gegen China eine zentrale Rolle spielt. Es kam allerdings zu keinen größeren Vereinbarungen über Handel und Sicherheit. Modi kommentiert den Besuch: „Der Besuch von Präsident Trump eröffnet ein neues Kapitel in unseren Beziehungen – ein Kapitel, das den Fortschritt und den Wohlstand der Menschen in Amerika und Indien dokumentieren wird. […] Die ganze Welt weiß, was Präsident Trump getan hat, um die Träume Amerikas zu erfüllen.“ Trump unterstützt Modi in seiner wirkungsvollen anti-muslimischen Rhetorik und sagt Washington und Neu-Delhi seien „vereint in unserer eisernen Entschlossenheit, unsere Bürger vor der Bedrohung durch den radikal-islamischen Terrorismus zu schützen“. Elizabeth Puranam von AlJazeera berichtete kritisch von Ahmedabad Gujarat: „Er lobte Indien, die Inder und PM Modi, angefangen von Indiens alten spirituellen Traditionen und Bollywood bis hin zu Indiens größten Cricketspielern, und erhielt dafür großen Beifall von der Menge.
[…] Interessant ist jedoch, dass der vielleicht größte Jubel von den über 100.000 Menschen kam, als er über eine enge Zusammenarbeit mit Pakistan im Kampf gegen den so genannten Terrorismus sprach. Das gibt Ihnen eine Vorstellung davon, was diese Menge hören wollte. Er hat sicherlich das Richtige gesagt.“

Kein Wort über das NRC (National Register of Citizens) im indischen Bundesstaat Assam und dem CAA, welches im letztes Jahr am 12. Dezember 2019 verabschiedet wurde und nun seit 2 Monaten durchgängig massenhafte Proteste und gewaltsame Ausschreitungen ganz Indien ausgelöst hatte. Dieses Gesetz ist eine Änderung des Gesetzes zur Staatsangehörigkeit von 1955 und gewährt allen verfolgten religiösen Minderheiten wie Hindus, Sikhs, Christen, Buddhisten, Parisis und Jains aus den Nachbarstaaten Afghanistan, Pakistan und Bangladesch Staatsbürger*innenschaft. Der diskriminierende Charakter des Gesetzes zeigt sich im Ausschluss von Muslim*innen, Tamil*innen aus Sri Lanka, Ahmadiyyas und Schia aus Pakistan und Bangladesch sowie Hazaras aus Afghanistan und Rohingyas aus Myanmar. Am 8. Januar 2020 kam es zu einem nationalen Generalstreik in Indien überwiegend gegen CAA, NRC und ebenso die Aufhebung des Artikels 370 des indischen Bundesstaates Jammu und Kaschmir am 5. August 2019. Außerdem gab es zahlreiche Arbeiter*innenproteste für bessere Arbeitsbedingungen und Frauenrechten und vor allem Student*innenproteste. Besonders Student*innen sind an der Massenbewegung beteiligt und wurden von der Polizei vor allem an den Universitäten in Delhi, besonders an der Jamia Millia Islamia University (JMI) brutal verletzt.

Die momentane Situation in Delhi und die seit zwei Monaten andauernden Proteste und Ausschreitungen mit der Polizei zeigen, dass die Anti-CAA-, Anti-NRC und Pro-Kaschmir Demonstrant*innen trotz Gewalttätigkeiten des Staates nicht aufgeben werden, bis die Regierung ihren Forderungen nachkommen wird. Demonstrant*innen in Indien von der Arbeiter*innenbasis haben die Gelegenheit und Möglichkeit tatsächlich die aktuellen hindufaschistischen Gegebenheiten des Staates zu ändern.

 

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