Berlins Schulen verfallen und der Senat schaut zu

19.04.2023, Lesezeit 5 Min.
1
Streik der GEW für kleinere Klassen im März. Bild: Maxi Schulz (KGK)

An Berliner Schulen bröckelt der Putz, Schüler:innen müssen wegen Schimmel zuhause bleiben und Wasser tropft von der Decke. Während der vorherige Senat Gelder kürzte, verkündete die Groko großspurig, die "Schulbauoffensive" zu intensivieren – eine leere Versprechung.

Berlin wird seit 1989 von der SPD regiert, seit über 21 Jahren führt sie die Koalition im Abgeordnetenhaus an. 16 Jahre lang war auch die Partei DIE LINKE an Berliner Landesregierungen beteiligt. Sehenden Auges verschärfte ein Senat nach dem anderen die Bildungskrise. Die GEW warnte bereits 2004 vor dem bevorstehenden Lehrkräftemangel. Zum Schuljahr 2005/2006 stellte Berlin nur 120 neue Lehrer:innen ein. 400 Stellen im Referendariat wurden gekürzt, massenhaft klagten damals junge Kolleg:innen vor Gericht.

Ende August letzten Jahres war an die Öffentlichkeit gelangt, dass die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken planten, eine Milliarde Euro in der sogenannten Schulbauoffensive zu kürzen. Jene hatten sie selbst im Haushalt verankert. Seitens der Senatsfinanzverwaltung hieß es, für die 177 Schulsanierung und Neubaumaßnahmen sei kein Geld da, weshalb 133 von ihnen nicht stattfinden könnten. Protest von Eltern blieb trotz akut maroder Schulen außer in Einzelfällen vorerst erfolglos.

Angesichts der Wahlwiederholung und der Proteste von Kampagnen wie „Schule muss anders“, entstand ein neuer Druck auf den Senat, weshalb dieser einen Nachtragshaushalt für Schulbau und Sanierung in Höhe von insgesamt 300 Millionen Euro beschloss. An Dreistigkeit nicht zu überbieten, versuchte sich der Senat mit der immer noch massiven Kürzung, als „Bildungssenat“ zu inszenieren. Richtiger wäre die Bezeichnung „Kürzungssenat“.

Marode Schulen haben in Berlin Tradition. Besonders auffällig dabei ist, das diese Schulen meistens Schulen sind die von Kindern aus ärmeren und Arbeiter:innenfamilien besucht werden. Ein besonders krasses Beispiel dafür ist die Clay-Schule in Südneukölln. 1975 wurde sie eröffnet, 1989 musste die Schule nach Asbestfund und fehlgeschlagener Sanierung aus dem Gebäude ausziehen. Neun Monate waren die Schüler:innen dann auf acht Standorte verteilt, die Lehrer:innen machten „Unterricht aus dem Kofferraum“. Dann wurde eine Container-Schule errichtet, ohne Turnhalle. Aber dies sei ja „nicht schlimm“, weil die Schüler:innen ja nur fünf Jahre, höchstens zehn dort bleiben sollten. Es wurden daraus nun schon mehr als 30 Jahre Unterricht im Container!

In der neuen Berliner Regierung wird aller Voraussicht nach die CDU für Bildung und Finanzen zuständig sein, also die Partei, welche maßgeblich versuchte, überall in Deutschland Studiengebühren einzuführen. Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags wurde bereits betont, dass man sich „dem Gesetz der Zahlen verpflichtet“ und nicht „Ideologie über Wirtschaftlichkeit“ stellen werde. Zum Thema Schulbauoffensive findet sich dennoch ein relativ langer Abschnitt im Koalitionsvertrag, darin heißt es: „Wir werden die Berliner Schulbauoffensive (BSO) für alle Schularten mit Sanierungs- und Neubaumaßnahmen fortsetzen und beschleunigen und dafür zusätzliche Mittel bereitstellen.“ Ähnlich hieß es vor zwei Jahren bei Rot-Rot-Grün: „Die Koalition strebt eine Beschleunigung der Schulbauoffensive bei den Großsanierungen an. Um das Ziel eines ausgewogenen Schulnetzes zu erreichen, wird eine gesamtstädtische Planung für weiterführende Schulen erstellt. Zusätzliche Bau- sowie Finanzierungskapazitäten werden geprüft.“

Wie viel Geld letztendlich für den Schulbau bereitgestellt wird, wird der Haushaltsplan zeigen. Eine wirkliche Steigerung ist nicht zu erwarten, denn die Prioritäten der neuen Koalition liegen anderswo – etwa bei der Hochrüstung der Polizei. Hunderte neue Polizist:innen um die Polizei noch „präsenter“ zu machen, Bodycams, Taser, fünftägiger Präventivgewahrsam und polizeiliche Videoüberwachung des öffentlichen Raums: All das ist beschlossene Sache und wird eine Menge Geld kosten. Wir können also eher von einer „Schulverfallsoffensive“ ausgehen.

Schule im Kapitalismus

Der Schulbau ist aber nicht nur eine Frage von Verteilung und Prioritäten, die Funktionsweise des Bildungswesens ist auch eine Frage der Wirtschaftsordnung und des daraus folgenden Gesellschaftssystems. Schulen machen im Gegensatz zu Auto- oder Rüstungsindustrie keine Gewinne, sie haben nicht wie fossile Konzerne eine starke Lobby hinter sich, die Subventionen und Investitionen beschert, von denen die Schulen nur träumen könnten.

Ein gutes Bildungswesen ist innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Wirtschaft nicht möglich, wie nicht zuletzt linke Beteiligungen an der Regierung zeigen. Letztlich ist die Verteilung abhängig von der Produktionsweise und den Eigentumsverhältnissen, wie Marx bereits in der Kritik am Gothaer Programm schrieb: „Sind die sachlichen Produktionsbedingungen genossenschaftliches Eigentum der Arbeiter selbst, so ergibt sich ebenso eine von der heutigen verschiedene Verteilung der Konsumtionsmittel“. Daher gilt es nicht nur Investitionen gegeneinander abzuwägen, sondern vor allem eine sozialistische Ordnung der Wirtschafts- und Eigentumsverhältnisse anzustreben.

In Berlin müssen dafür vor allem die privaten Wohnungskonzerne und Bauunternehmen enteignet werden, damit die Schüler:innen nicht in maroden Schulen lernen und in überteuerten, oft viel zu kleinen und heruntergekommenen Wohnungen leben müssen. Genauso muss die Planung des Schulbaus transparent und unter demokratischer Kontrolle von den Beschäftigten, Eltern und Schüler:innen geschehen. In diesem Sinne sollten auch Schüler:innen, die Beschäftigten und die Eltern die Schulen verwalten, denn sie wissen im Gegensatz zu Giffey, Wegner und Co., worauf es wirklich ankommt! Die Berliner Lehrer:innen zeigen mit ihrem Streik für kleinere Klassen, der sich seit Monaten zuspitzt, dass sie bereit sind für Verbesserungen in eine Auseinandersetzung zu treten. Der Kampf für einen „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ sollte auch die Forderungen für eine echte Schulbauoffensive beinhalten, denn kaputte Schulen sind genau wie zu große Klassen eine gesundheitliche Belastung.

Mehr zum Thema