Bundesarbeitsgericht erlaubt Privilegien für Gewerkschaften

04.05.2015, Lesezeit 4 Min.
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DEUTSCHLAND: Was auf den ersten Blick als positives Signal gesehen wird und sogar von linken GewerkschafterInnen unterstützt wird, ist ein weiterer Angriff auf die Einheit der ArbeiterInnenklasse von der Justiz, der Gewerkschaftsbürokratie und dem Kapital.

// DEUTSCHLAND: Was auf den ersten Blick als positives Signal gesehen wird und sogar von linken GewerkschafterInnen unterstützt wird, ist ein weiterer Angriff auf die Einheit der ArbeiterInnenklasse von der Justiz, der Gewerkschaftsbürokratie und dem Kapital. //

Am 15. April wurde eine wichtige Entscheidung vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) getroffen. Es ging um die Frage, ob von Gewerkschaften herausgehandelte Privilegien für die gesamte Belegschaft gelten müssen, oder den gewerkschaftlich nicht Organisierten vorenthalten werden können. Im konkreten Klagefall ging es um die Massenentlassungen bei Nokia Siemens Networks in München Anfang 2012. Bei der Gründung einer Auffanggesellschaft schloss die IG Metall einen Ergänzungstarifvertrag ab, der höhere Abfindungen von 10.000 Euro und zehn Prozent mehr Lohn (80% des vorherigen statt nur 70) im neuen Unternehmen vorsah. Dieser galt jedoch nur für diejenigen, die bis zum 23. März um 12:00 Uhr IG Metall-Mitglieder waren.

Dagegen hatten rund Hundert Betroffene geklagt und die Privilegien des Ergänzungstarifvertrages auch für sie geltend gemacht. Das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass die Bevorteilung der Gewerkschaftsmitglieder legal ist und „keine Anspruchsgrundlage“ für die Betroffenen vorliegt, da sie explizit aus der Vereinbarung zwischen der IG-Metall und dem Unternehmen ausgeschlossen wurden.

Dies scheint etwas Gutes für die Gewerkschaften und damit für die organisierte ArbeiterInnenbewegung zu sein. Schließlich wird damit ihrer Kampfkraft Rechnung getragen und Anreize geschaffen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Doch das Ganze hat einen gewaltigen Hacken.

Spaltung der ArbeiterInnen

Denn was dieses Urteil tatsächlich verfestigt ist die Macht der Gewerkschaftsführungen, die ArbeiterInnenklasse zu spalten. Das sind gute Nachrichten für die Unternehmen und die Bürokratie, nicht für die ArbeiterInnen, unter denen gerade die prekär Beschäftigten dadurch angegriffen werden.

In dem konkreten Beispiel einigte sich die IG-Metall, die durch ihre hohen Organisierungszahlen eine enorme Kraft besitzt, mit dem Unternehmen auf Entschädigungen für einen Teil der ArbeiterInnen gegenüber von Umstrukturierung und einer Lohnsenkung für alle ArbeiterInnen. Diese Methode, anstatt für die Erhaltung der Arbeitsplätze und des Lohns zu kämpfen, Entschädigungen und faule Kompromisse auszuhandeln, ist besonders in den Kernsektoren der Industrie Gang und Gebe.

Diese Praxis verschafft den Gewerkschaftsführungen Legitimität, und zwar genau in den für sie relevanten Sektoren. Denn die Gewerkschaftsbürokratie hat kein Interesse, die prekärsten Schichten zu organisieren, die unter Leiharbeit, Kurzarbeit und schlechten Löhnen zu leiden haben.

Die ArbeiterInnenklasse ist eine

Doch die organisierten KollegInnen müssen immer dafür kämpfen, dass ihre zu Recht erkämpften Privilegien für alle ArbeiterInnen gelten. Nur so können diese stärkeren Teile der ArbeiterInnenklasse die Unterstützung von und die Einheit mit den unterdrückten Schichten herstellen. Diese Einheit ist strategisch wichtig, da Prekarisierung von einem Teil der ArbeiterInnen immer auch einen Angriff auf die Kernbelegschaft darstellt. Ein emblematisches Beispiel davon ist Amazon, dessen Weigerung, einen Tarifvertrag einzuführen, Schule macht. So hat die Deutsche Post AG den Tarifvertrag gebrochen und will mit der Gründung eines Sub-Unternehmens Tausende Stellen streichen und „flexibilisieren“.

Dies gilt für die geflüchteten KollegInnen, die oft unter noch schwierigeren Verhältnissen der Illegalität angestellt sind und gar keine Rechte genießen. Genauso betrifft es auch die arbeitenden Frauen, die immer noch unter einem erheblichen Lohnunterschied zu ihren männlichen KollegInnen zu leiden haben. So wie diese prekärsten Sektoren die Unterstützung der gesamten ArbeiterInnenklasse benötigen, können ihre kämpferischen Erfahrungen zu höherer Kampfbereitschaft in den Kernschichten beitragen. Denn gerade sie bewegen sich: die Geflüchteten, die jahrelang für grundlegende Rechte wie Bewegungsfreiheit und Arbeitsrecht kämpften, und die weiblichen KollegInnen, die 2013 den Einzelhandelsstreik und aktuell im Sozial- und Erziehungsbereich für 10 Prozent mehr Lohn auf die Straße gehen.

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