Zum Equal Pay Day: Kampf für Gleichberechtigung statt heuchlerischer Symbolpolitik

18.03.2019, Lesezeit 5 Min.
1

Anlässlich des heutigen Equal Pay Day machen mehrere Aktionen auf den Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern aufmerksam, der in Deutschland 21 Prozent beträgt. Wirtschaftsminister Altmaier profiliert sich heuchlerisch als Feminist. Das angebliche Musterunternehmen BVG verteilt vergünstigte Tickets für Frauen.

Der Kampf gegen Frauenunterdrückung erlebt aktuell wieder einen Aufwind: Die Demonstrationen am internationalen Frauenkampftag am 8. März waren in Deutschland in diesem Jahr so groß wie lange nicht mehr. Der Frauen*streik, der in Deutschland das erste Mal seit 1994 wieder stattfand, machte auf die Missstände und Unterdrückung aufmerksam, die Frauen alltäglich erfahren. Die Empörung über die rein kosmetische Reform am §219a StGB, der Informationen über Abtreibung illegalisiert, war laut zu hören.

Am heutigen bundesweiten Equal Pay Day wird auf einen zentralen Unterdrückungsmechanismus gegen Frauen aufmerksam gemacht: der Lohnunterschied zu Männern, bei dem Deutschland mit 21% nach Estland und der Tschechischen Republik in Europa Spitzenreiter ist. Diese Zahl beschreibt die Differenz zwischen durchschnittlichen Bruttostunden-Verdiensten von Männern und Frauen.

Dieser Lohnunterschied kommt auf verschiedenste Weise zustande. Während
die Lohndifferenz für vergleichbare Tätigkeiten selbst schon sechs Prozent beträgt, kommen noch viele weitere Faktoren hinzu: Durch Teilzeitbeschäftigung und Outsourcing wird großflächig verhindert, dass Arbeiter*innen das gleiche Geld für gleiche Arbeit erhalten, wobei Frauen in diesen Formen der Beschäftigung überrepräsentiert sind.

Berufe, in denen mehrheitlich Frauen arbeiten, wie im Pflege- oder Bildungssektor, werden sehr schlecht entlohnt. Potenziell Schwangeren wird der berufliche Aufstieg erschwert, und durch unzureichende staatlich organisierte Kinderbetreuung werden Frauen in Teilzeitbeschäftigung getrieben, aus der sie kaum wieder herauskommen. Besonders bemerkenswert dabei ist, dass die Lohnlücke von 21% sich auf die durchschnittlichen Stundenlöhne bezieht; die tatsächliche durchschnittliche Bruttolohn-Lücke am Ende des Monats liegt noch um Einiges höher. Am Ende steht eine Rentenlücke zwischen Männern und Frauen von fast 50% und damit Altersarmut von Frauen.

Diese Ungerechtigkeiten sind keine Neuigkeit. Im Gegenteil: Inzwischen ist gesellschaftlich weithin anerkannt, dass diese Lohnlücke – die für das Kapital höchst profitabel ist – ein Problem darstellt. So dringend notwendig der Kampf gegen Lohnungleichheit und gegen andere Formen der Prekarisierung, die mehrheitlich Frauen (und unter ihnen wiederum mehrheitlich Migrantinnen) treffen, deshalb heute ist, so sehr versuchen sich alle möglichen Leute, darunter Spitzenpolitiker*innen der Regierung, zum Equal Pay Day zu profilieren.

Mit dabei ist Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales.

Wie unfassbar heuchlerisch ist es eigentlich, das genau das Ministerium, welches einen Mindestlohn verabschiedet hat, der Altersarmut festschreibt, welches Outsourcing und Prekarisierung vorantreibt, sich nun als feministisch profiliert?

Noch absurder war die Äußerung von Peter Altmaier, CDU-Politiker und Wirtschaftsminister, der im SPIEGEL stolz ausrief: „Ich bin Feminist.“ Er wolle sich für die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen einsetzen, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart sei. Doch selbst der konservative SPIEGEL hält das für „zurückhaltend“. Ich halte es für schlichtweg skandalös. Die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen hat sich in den vergangenen 25 Jahren praktisch nicht verändert. Die Regierung hat also rein gar nichts getan.

1

Der Gender Pay Gap, bei dem wie erwähnt das Durchschnittseinkommen als Vergleich dient, betrifft mehrheitlich Arbeiterinnen, die nicht in Führungspositionen sind, sondern sich neben der unbezahlten Hausarbeit, die sie mehrheitlich machen, noch mit prekären Jobs über Wasser halten müssen.

Eine konkrete Aktion zum Equal Pay Day kommt vom Berliner Nahverkehrsunternehmen BVG. Am heutigen Tag gibt es für Frauen eine Vergünstigung von 21% beim Ticketkauf. Vorstandsvorsitzende Sigrid Nikutta ist Trägerin des Berliner Frauenpreises von 2017. Die BVG gibt sich zudem als ein familienfreundliches Unternehmen, deren Angestellte Arbeit und Familie unter einen Hut bringen könnten. Die Realität sieht jedoch anders aus: Sezer, Busfahrerin und Frauenbeauftrage in der BVG meint hierzu, dass es für alleinerziehende Frauen extrem schwierig sei, die nötigen Schichten zu bekommen. Nikutta gebe sich als „die größte Feministin“, habe jedoch von der Realität der Arbeiterinnen keinen Schimmer. Ich könnte meine Mutter anrufen und ihr sagen: „Hey Mama, ich weiß ja, du hast ein Leben lang prekär gearbeitet und sehr viel ertragen müssen, aber guck mal, in Berlin dürftest du heute billiger fahren.“

Es ist zwar zweifellos eine nette Aktion, dass Frauen vergünstigt fahren dürfen, und dass so viele auf den Lohnunterschied zu Männern aufmerksam gemacht werden. Jedoch gleicht an einem Tag mal ein paar Cent – oder sogar Euro – weniger zu zahlen, wohl kaum eine lebenslange Benachteiligung im Arbeitsleben, unbezahlte Hausarbeit, Alltagssexismus und sexualisierte Gewalt aus. Vor allem nicht für die Arbeiterinnen bei der BVG.

Genauso unwirksam ist es, einmal im Jahr mal einen Twitterpost rauszuhauen, während man als Politiker einer Kriegs- und Abschiebepartei Migrantinnen und anderen Frauen nur Verachtung schenkt.

Anstelle von durchsichtiger Symbolpolitik ist es deshalb notwendig, die Wurzel dieser Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Die sozialistische Frauengruppierung Brot und Rosen fordert deshalb unter anderem in ihrem internationalen Manifest:

Deshalb kämpfen wir für ein Ende prekärer Arbeit! Unbefristete Festanstellungen aller Arbeiter*innen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, bei gleichen Bedingungen und gleichen Rechten! Gleiche Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten! Aufteilung der Arbeitsstunden zwischen Beschäftigten und Erwerbslosen bei vollem Lohn! Wir fordern die Schaffung von Frauenkommissionen an allen Arbeitsplätzen und in allen Gewerkschaften. Schluss mit der Diskriminierung!

Mehr zum Thema