#ZeroCovid und die Frage nach offenen Grenzen

22.01.2021, Lesezeit 3 Min.
1
Orso / Shutterstock.com

Die Linke und die Grenzen, here we are, again. Nur diesmal mit umgedrehten Vorzeichen. Denn gerade diejenigen, die sich im Herbst der Migration 2015 nicht mit Ruhm bekleckert haben, rufen nun angesichts der Pandemie nach offenen Grenzen. Ziemlich heuchlerisch, finden wir.

ZeroCovid erhitzt die Gemüter und löst – endlich mal wieder – eine kontroverse Debatte aus, die nicht nur innerhalb der Linken geführt wird. Eine gute Gelegenheit um die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Initiative für einen Wirtschaftslockdown erntet sowohl Zustimmung als auch Kritik. Einer der wichtigsten Kritikpunkte ist die Frage der Grenzen.

Aber gerade die Kritiker:innen von ZeroCovid, wie Alexander Demirovic, Thomas Siebert und Mario Neumann, sind gleichzeitig Unterstützer:innen einer rot-rot-grünen Regierung. Sie behaupten dass ZeroCovid nur mit Grenzschließungen möglich wäre. Das gerade sie das Argument der offenen Grenzen gegen ZeroCovid ins Feld führen, ist pure Heuchelei – unterstützen sie doch eine Regierung, die tagtäglich für Abschiebungen verantwortlich ist. Auch Sahra Wagenknecht argumentiert gegen einen Wirtschaftlockdown. Dabei war sie es die sich 2015 gegen das “linke Mantra” der offenen Grenzen aussprach.

Das Argument ist zudem scheinheilig, wenn die Grenzen im Sinne des Profits weiterhin offen bleiben, während die Geflüchteten in Lagern an den EU-Außengrenzen unter katastrophalen Bedingungen sitzen bleiben – etwa in Bosnien. Bei nächtlichen Minusgraden müssen sie in Zelten ausharren – so zählt die von der Pandemie ausgehende Gefahr zu den kleineren Übeln in ihrem Alltag. Von offenen Grenzen profitieren lediglich der Warenverkehr und die Produktionsketten.

Natürlich befürworten wir auch während der Pandemie die Aufnahme von Geflüchteten. Aber wir sind dagegen die Grenzen im Sinne des Profits weiterhin offen zu halten. Manche Linke scheinen sich eine Grenze wie eine Schranke vorzustellen, die man nach Belieben öffnen oder schließen kann: Entweder alle dürfen passieren, oder nichts und niemand. Dem ist aber nicht so. Offenbar macht es einen gewaltigen Unterschied wer und zu welchem Zweck die Grenze übertreten möchte.

Während Geflüchtete an den EU-Außengrenzen bei sibirischer Kälte ausharren müssen, bleiben die Grenzen für den freien Warenverkehr geöffnet. So kam es während der ersten Corona-Welle zu einer skurrilen Situation: In der Stadt Waren in Mecklenburg-Vorpommern demonstrierte die AfD für offene Grenzen – kein Witz! Anlass war eine Kundgebung der Hotel- und Gaststättenbesitzer:innen, die durch die die zurückgegangenen Besucherzahlen Umsatzeinbußen hinnehmen mussten, seit die Landesregierung in Schwerin die Grenzen für Tourist:innen schloss.

So zeigt sich, warum ausgerechnet die Unterstützer:innen einer rot-rot-grünen Regierung mit dem Ruf nach offenen Grenzen sich gegen Zero Covid und die Forderung nach einem Wirtschaftslockdown stellen. Sie bereiten sich darauf vor mit linken Phrasen, im Sinne der Kapitalist:innen, Verantwortung für eine bürgerliche Regierung zu übernehmen. In Wahrheit plädieren sie damit nur für die Aufrechterhaltung des freien Warenverkehrs „zum Schutz der Wirtschaft“, also zum Schutz der Profite der Kapitalist:innen. Ihre Argumente gegen Zero Covid sind nichts als Verrat an linken Idealen, die sie nur umso stärker in die Höhe halten, um sich selbst nicht die Blöße zu geben.

Mehr zum Thema