Wieso ich als antizionistische Jüdin für das Stupa der FU kandidiere

12.01.2024, Lesezeit 8 Min.
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Bild: KGK

Meine Erfahrungen als antizionistische Jüdin an der FU und warum ich auf der Liste von Waffen der Kritik für das Stupa kandidiere. (english version below)

Als antizionistische jüdische Studentin an der FU habe ich letztlich sowohl Wut als auch Verwirrung über die offene Weigerung einer „akademischen Institution“, sich mit einem andauernden Völkermord angemessen auseinanderzusetzen, erfahren. Während ich dankbar bin, dass einige Kommiliton:innen um mich herum das Engagement für ein freies Palästina teilen, wird diese Position letztlich durch das – offen gesagt – faule Etikett des Antisemitismus, das so gerne gegen uns verwendet wird, zum Schweigen gebracht. Die erste E-Mail des Präsidenten der FU nach dem 7. Oktober war äußerst unbefriedigend. Während die Verwaltung vielleicht versucht, sich „neutral“ zu verhalten, indem sie in ihren Worten beide Seiten bespielt, ist es in ihren Handlungen klar, dass die FU auf der Seite Israels steht. Darüber kann kein rhetorisches Gefasel hinwegtäuschen. Als ich hörte, dass die FU beschloss, gegen Studierende, die an einer Sitzblockade an der Universität teilgenommen hatten, Anklage zu erheben, war ich verblüfft. Leider war ich damals nicht in Berlin und konnte nicht daran teilnehmen, aber die Videos von den Verhaftungen haben sich bei mir eingebrannt. Historisch gesehen sind solche friedlichen Demonstrationen notwendig, wenn man auf ein Problem aufmerksam machen will. Es ist eine legitime Form des Protests, die es seit Jahrzehnten gibt, warum also sollte die Universität mit solcher Brutalität reagieren?

Aktionen wie diese machen mir Angst, meine Stimme zu erheben. Ich finde es lächerlich, dass dies der Fall ist, wo wir uns doch nur gegen Apartheid und Völkermord sprechen. In gewisser Weise fühle ich mich privilegiert, als jüdische Studentin zu diesem Thema sprechen zu können, denn der Vorwurf des Antisemitismus wird offensichtlich nicht so leicht fallen. Es bricht mir das Herz für meine Freunde auf dem Campus, die nicht den gleichen „Schutz“ haben – wenn man das so nennen kann -, auch Studierende, die wie ich nach Deutschland gekommen sind, um zu studieren, und sich aufgrund der Haltung zu Palästina letztlich von diesem Land entfremdet fühlen. Das Schwierige daran ist, dass es nicht nur eine Entfremdung von Deutschland ist, sondern auch von der Institution, die uns hierher gebracht hat. Das ist meine ultimative Enttäuschung über die FU, dass sie nicht bereit ist, sich zu engagieren und darauf erpicht ist, unsere Stimmen zu diesem Thema zu unterdrücken. Abschließend möchte ich noch sagen, dass die Behauptung der FU, sie schütze mit ihren Maßnahmen die jüdischen Studierenden auf dem Campus, meiner Meinung nach einfach unwahr ist. Ich bin als jüdische Person in Deutschland in keiner Weise durch die andauernde Besetzung und Ermordung palästinensischer Menschen geschützt und ich lehne jede deutsche Institution ab, die behauptet, Israel „in meinem Namen“ zu unterstützen. Wenn die Uni wirklich einen Dialog mit den jüdischen Stimmen auf dem Campus führen wollte, warum unterdrückt sie dann die jüdischen Studierenden, die an palästinensischen Demonstrationen auf dem Campus teilgenommen haben? Warum gibt man einem jüdischen Studierende wie mir weiterhin das Gefühl, dass ich aus Angst vor langfristigen akademischen Konsequenzen nichts zu diesem Thema sagen kann?

Ich kandidiere für das Studierendenparlament auf der Liste von Waffen der Kritik, weil ich nicht nur mit ihrer Sichtweise zum Thema Palästina übereinstimme, sondern auch wegen der Art und Weise, wie sie ihren größeren politischen Rahmen auf dem Campus gestalten. Ich glaube, dass Politik und Bildung eng miteinander verwoben sind. Die Forderung nach einer demokratischeren Universität und ASta muss mit der Einsicht einhergehen, dass die Probleme, mit denen die Studierenden auf dem Campus konfrontiert sind, ein Vorgeschmack und ein Spiegelbild der Probleme sind, die der Kapitalismus in der Gesellschaft als Ganzes hervorbringt. Ich unterstütze voll und ganz die Forderungen von WdK nach gerechten Löhnen für die Beschäftigten auf dem Campus und für eine Zivilklausel gegen militärische Forschung und Aktien von Rüstungsunternehmen. Ich schätze es, dass WdK die größeren Probleme erkennt und sie auf die Ebene dessen zurückbringt, was von einer Studierendentenschaft auf dem Campus erreicht werden kann, während sie gleichzeitig dafür eintritt, dass dies durch einen zunehmend demokratischeren Prozess geschieht.

English version

As an anti-Zionist Jewish student at FU, I’ve ultimately experienced both anger and confusion at the outright refusal by an “academic institution” to properly engage with an ongoing genocide. While I am grateful that a few classmates around me share in the commitment to the support of a free Palestine, this position is ultimately silenced by the – frankly – lazy label of antisemitism so readily deployed against us. The initial email from FU’s president after October 7th was deeply unsatisfying. While the administration may be trying to do what they see as “neutral” in playing both sides in its words, it is clear in its actions that the FU is on the side of Israel. No rhetorical mincing of words can hide that. When I heard that the FU was choosing to press charges against students who participated in a sit-in at the university I was astounded. Unfortunately I was not in Berlin at the time so couldn’t participate, but videos of the arrests are burned in my mind. Historically such peaceful demonstrations are necessary when trying to bring attention to an issue. It is a legitimate form of protest that has existed for decades, so why would the university respond with such brutality?

Actions such as these make me fearful to speak out. It is ludicrous to me that this is the case when what we are all speaking out against is apartheid and genocide. In some way I feel privileged to be able to speak on this issue as a Jewish student, because claims of anti-semitism will obviously not land as easily. My heart breaks for my friends on campus who don’t have this same “protection” – if you can call it that -, other students who like myself came to Germany to study and ultimately feel alienated from this country due to our stance on Palestine. What is difficult is that it’s not only an alienation from Germany, but from the very institution that brought us here. That is my ultimate disappointment with the FU, that it is unwilling to engage and eager to suppress our voices on this matter. As a last word on this, I believe that FU’s claims that its actions are protecting Jewish students on campus are simply untrue. I am in no way as a Jewish person in Germany protected by the ongoing occupation and murder of Palestinian people, and I reject any German institution claiming to support Israel “on my behalf.” If the university really wanted to be in dialogue with Jewish voices on campus, why repress the Jewish students who have been present at Palestinian demonstrations on campus? Why continue to make a Jewish student like myself feel like I can’t say anything on the topic for fear of long-term academic repercussions?

I am running for the student parliament on the list of Waffen der Kritik because I am in agreement not only with their view on the issue of Palestine, but because of the way they focus their larger political framework on campus. I believe that politics and education are deeply intertwined. Calls for a more democratic University and ASta must also be paired with an understanding that the problems which students face on campus are a preview and reflection of the problems that capitalism breeds in society as a whole. I am in full support of WdK’s call for fair wages for those on campus and I am in favor of a civil clause against military research and shares in arms companies. I appreciate that WdK recognizes the larger issues going on and brings them back onto the level of what can be achieved by a student body on campus, all while advocating for this to be done through an increasingly more democratic process.

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