Wie weiter nach dem Palästina-Kongress?

26.04.2024, Lesezeit 15 Min.
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Demonstration gegen das Verbot des Palästina-Kongresses. Foto: Majd (Instagram: @djamsiam)

Nach der beispiellosen Repression gegen den Palästina-Kongress vom 12.-14. April in Berlin ist es nötig, intensiv über die zukünftigen Perspektiven der Bewegung zu diskutieren. Ein Debattenbeitrag.

Vom 12. bis zum 14. April hätte in Berlin der Palästina-Kongress stattfinden sollen, auf dem hunderte pro-palästinensische Aktivist:innen aus verschiedenen Ländern zusammmengekommen wären und es um die Geschichte Palästinas, die deutsche Mitschuld am Genozid in Gaza und Perspektiven für die Bewegung gehen sollte. Doch der deutsche Staat reagierte mit massiver Repression und verbot den Kongress kurzfristig. Schon in den Wochen zuvor hatte es eine mediale Hetzkampagne, Hausdurchsuchungen und Kontosperrungen bei den Organisator:innen sowie Androhung eines Verbots gegeben. Am ersten Tag des Kongresses ließ die mit 2500 Einsatzkräften angerückte Polizei aus fadenscheinigen Gründen nur 250 Personen in das Kongressgebäude, darunter etliche bürgerliche Journalist:innen und Polizist:innen, so dass die Mehrheit der Teilnehmer:innen draußen bleiben musste. Nach einigen Stunden entschieden sich die Organisator:innen, den Kongress trotz der deutlich geringeren Teilnehmer:innenzahl zu beginnen, worauf die Polizei wenig später das Gebäude stürmte, den Strom ausschaltete und die Veranstaltung gewaltsam auflöste. Es folgte ein offizielles Verbot auch für die kommenden Tage. 

Der vorgeschobene Grund ist, dass Personen mit politischem Betätigungsverbot auf dem Kongress redeten und von ihnen Aufrufe zur Gewalt und antisemitische Äußerungen zu erwarten wären. Von diesem Verbot betroffen sind der palästinensische Historiker Salman Abu Sitta und der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis. Gegen den Chirurgen und Rektor der University of Glasgow, Ghassan Abu-Sittah, der auf dem Kongress von seinem Einsatz als Arzt in Gaza berichten sollte, wurde ein Einreiseverbot verhängt. Während der deutsche Staat die gezielte Ermordung von zehntausenden unschuldigen Menschen in Gaza unterstützt, verhängt er Einreisesperren gegen diejenigen, die sich für ein Ende der Massaker einsetzen  – und das unter dem Vorwand der Verhinderung von Gewaltverherrlichung. Dass die Gründe vorgeschoben sind, zeigt sich dadurch, dass es bis heute laut der Frankfurter Rundschau keine eindeutige Stellungnahme des Bundesinnenministeriums zu den Maßnahmen gibt.

Die Polizeigewalt endete jedoch nicht mit der Auflösung des Kongresses, sondern ging  am Folgetag weiter. Auf der kämpferischen Demo gegen das Verbot nahm die Polizei mehrere Personen fest, auf dem Protestcamp für Palästina vor dem Bundestag prügelte sie auf friedliche Protestierende ein, kesselte sie zeitweise und führte willkürliche Festnahmen durch. In den Folgetagen sprach die Polizei sogar Verbote aus, Arabisch, Irisch oder sogar Hebräisch zu sprechen – alles unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Antisemitismus. Während dieser Artikel geschrieben wird, wird das Protestcamp gewaltsam von der Polizei geräumt. 

Die Palästinabewegung wird seit jeher und insbesondere in den letzten Monaten vom Staatsapparat unterdrückt und schikaniert. Das Verbot des Kongresses stellt jedoch eine neue Stufe der staatlichen Repression dar. Es ist ein fundamentaler Einschnitt der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und auch die Einreise- und Betätigungsverbote sind ein Skandal. 

Der deutsche Staat hat wieder einmal bewiesen, dass er dazu bereit ist, demokratische Rechte mit Füßen zu treten, wenn es darum geht, Widerstand gegen seine imperialistischen Interessen mundtot zu machen. Er selbst befindet sich in einer schwierigen Situation, da die Unterstützung in der Bevölkerung für seine pro-genozidale Politik immer weiter schrumpft. Daher versucht der Staat, mit Repression und Diffamierung von palästinasolidarischen Stimmen Abhilfe zu schaffen. Die öffentliche Skandalisierung des Verbots ist also notwendig, wir dürfen aber dabei nicht stehenbleiben. Ebenso ist es ein gravierender Fehler, die Sichtbarkeit des repressiven Vorgehens des Deutschen Staates ohne Weiteres als erfolgreiche Anklage in der Weltöffentlichkeit anzusehen. Denn es stimmt zwar, dass der deutsche Staat – mal wieder – seine Maske fallen lassen hat. Aber zugleich hat er erfolgreich verhindert, dass hunderte Aktivist:innen sich demokratisch und kontrovers über die Strategie im Kampf gegen Genozid und Militarismus und für die Befreiung Palästinas austauschen können.

Doch das ist dringend notwendig: Es braucht intensive Diskussionen über die zukünftigen Perspektiven der Bewegung. Wie besiegen wir die staatliche Repression und schaffen es aus der Defensive in die Offensive? Welche Strategie und welche Organisierungsform ist in der Lage, nicht nur den Genozid zu stoppen, sondern Palästina und alle unterdrückten Nationen vollständig zu befreien? 

Der Kongress wäre ein Ort gewesen, auf dem diese Debatten hätten angestoßen werden können. Aufgrund des Verbots konnten diese leider nur begrenzt stattfinden. Ein Plenum aller Kongressteilnehmer:innen, indem über die Ergebnisse des Kongresses und die weiteren Perspektiven der Bewegung diskutiert werden konnte, ist nicht zustande gekommen. Wir denken auch, dass die Organisator:innen nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um nach dem Verbot Alternativen für diesen Austausch zu schaffen. Bei allem Verständnis über die Unübersichtlichkeit und die Sorge vor der Repression, muss selbstkritisch erkannt werden, dass Verhandlungen mit der Polizei unter Berufung des privaten Hausrechts ein ungünstiges Kräfteverhältnis schaffen. Stattdessen wäre und wird es in nächster Zukunft notwendig sein, seine politische und materielle Kraft darin zu sehen, wo die Bewegung am stärksten ist. So wäre es etwa möglich gewesen, das für den Saal geplante Programm teilweise auf die angemeldete Demonstration vor dem Gebäude zu verlagern und die Anwesenden in die weiteren Entscheidungen mehr einzubeziehen. Historische Beispiele wie die Sit-In-Bewegung hätten dafür taktische Vorbilder liefern können, worin die Austragung des Kongresses auf die Straße hätte verlegt werden können. 

Erfolg: Vernetzung unter Arbeiter:innen und Studierenden

Am erfolgreichsten waren bei diesem Anlauf die Vernetzungstreffen von Studierenden und Gewerkschafter:innen, die für den Kongress angereist waren und die trotz der Repression unter schwierigen Umständen durchgeführt wurden. 

Auf der Gewerkschafter:innenvernetzung berichteten italienische Hafenarbeiter, die in der unabhängigen Gewerkschaft C.A.L.P. organisiert sind, von ihren Blockadeaktionen von Schiffen, die Waffen nach Israel liefern sollten. Sie vernetzten sich mit Hafenarbeiter:innen aus verschiedenen italienischen Hafenstädten wie Genua, Neapel und Livorno und konnten so verhindern, dass Waffen aus Italien weiter geliefert werden. Außerdem organisierten sie zwei landesweite Demonstrationen in Rom und Mailand, wo Zehntausende sich beteiligten.

Auch Genoss:innen der Gruppe Gesundheit4Palestine, welche aus palästina-solidarischen Arbeiter:innen im Gesundheitssektor besteht, nahmen teil und berichteten von den Versuchen, die pro-zionistische Gewerkschaftsführung zu konfrontieren. Auf dem Treffen wurde darüber diskutiert, dass international sich Gewerkschaftsverbände für einen Waffenstillstand ausgesprochen haben, Gewerkschaften in einigen Ländern für den Streik und die Blockade von Waffenlieferungen aufrufen, aber die deutsche Gewerkschaftsführung keinen Schritt in diese Richtung geht. Sie steht hinter der deutschen Regierung und verliert kein Wort über den Genozid in Gaza. Der Aufbau einer gewerkschaftlichen Opposition gegen den Genozid in Gaza und dessen Billigung durch die gewerkschaftlichen Bürokratien ist eine der zentralen Aufgaben der Palästinasolidarität in Deutschland. Um auch deutsche Arbeiter:innen für den Kampf gegen den zionistischen und militaristischen Kurs der Regierung mit ins Boot zu holen, muss die Palästina-Bewegung auch soziale Forderungen mit aufgreifen. Schließlich ist die Aufrüstung Deutschlands und der Export von Waffen für den Genozid in Palästina nicht im Interesse von deutschen Arbeiter:innen: Das Geld, welches in die Aufrüstung und die Waffenproduktion investiert wird, fehlt bei der Kindergrundsicherung, der Rente und den Ausgaben für Soziales. Das Vernetzungstreffen war ein wichtiger Schritt in diese Richtung, denn es wurden auch kommende gemeinsame Aktionen wie eine Intervention auf der 1. Mai-Demo geplant.

In den vergangenen Monaten haben sich zahlreiche Palästinakomitees an zahlreichen europäischen Universitäten Städten gegründet. Die am 13. und 14. April stattgefundenen Vernetzungstreffen boten die Gelegenheit, sich erstmals in einem breiten Rahmen über die Erfahrungen auszutauschen und vor allem über die zukünftige Ausrichtung der Palästinasolidarität an den Universitäten zu diskutieren. Für diese anfängliche Vernetzung  halten wir es für notwendig, eine vereinte öffentliche Kampagne aufzubauen, die sich gegen die pro-zionistische Ausrichtung der Universitätsleitungen stellt. Diese muss aber vor allem auch die Brücke zu Fragen des erstarkenden Militarismus und autoritären Maßnahmen wie der Verschärfung des Hochschulgesetzes in Berlin schlagen, laut dem Studierende wegen politischem Aktivismus exmatrikuliert werden und damit im schlimmsten Fall sogar ihren Aufenthaltsstatus verlieren können. Dafür ist es zentral, die Vernetzungstreffen so breit und offen wie möglich zu organisieren, damit möglichst viele Aktivist:innen teilnehmen und die Bewegung an ihre Universitäten tragen können. Dort braucht es Vollversammlungen gegen Genozid, Militarismus und die Einschränkung demokratischer Rechte. Eine solche Ausrichtung kann nicht nur ermöglichen, breitere Teile der Studierenden in den antiimperialistischen Kampf miteinzubeziehen, sondern vor allem auch eine Brücke zu denjenigen lohnabhängigen Sektoren zu schlagen, die unter den sich daraus ergebenden Kürzungen leiden werden, unter anderem unsere Dozierenden. Ein Vorbild für den gemeinsamen Kampf von Studierenden und Arbeiter:innen ist die Palästinabewegung an US-amerikanischen Universitäten, bei der sich zahlreiche Uni-Beschäftigte dem Protest der Studierenden angeschlossen haben und versuchen, diese vor Repressionen zu schützen.

Wir sehen zudem die undemokratische Struktur der Universitäten als ein großes Problem an, anhand dessen ideologische Werkzeuge, wie die IHRA-Definition, und die kriegstaugliche Rüstungsforschung durch bürgerliche Cliquen in den Hochschulleitungen beschlossen werden.Unsere Anklage gegen diese imperialistischen Instrumente darf aber auch nicht dabei stehen bleiben, sondern muss mit der Perspektive einer Universität unter der Kontrolle von demokratischen Organen der Studierenden und Beschäftigten kombiniert werden, durch die wahrhaft die wissenschaftliche Freiheit für zivile Zwecke gewährleistet werden kann. 

Derzeit sehen wir in den USA die Avantgarde dieses Kampfes, wo vor allem die Repression gegen die Protestcamps an der Columbia University und weiteren Universitäten im ganzen Land im Fokus liegt. Es ist ersichtlich, dass in allen imperialistischen Nationen die neu aufkommende Antikriegsbewegung an den Universitäten für die Herrschenden ein Dorn im Auge ist. Wir wollen deshalb mit diesen Perspektiven zum Aufbau einer kraftvollen antiimperialistischen Studierendenbewegung beitragen, welche an der Seite der Arbeiter:innen gegen die Unterstützung des Genozids, die Aufrüstung und die wachsenden Angriffe auf unsere demokratischen Rechte kämpft. 

Die sektoralen Vernetzungen konnten somit den Stein ins Rollen bringen, allerdings sehen wir in der Planung des Kongresses einen schweren Fehler für die Aufstellung einer gemeinsamen Orientierung aller Teilnehmer:innen:  Auf der ursprünglichen Tagesordnung des Kongresses war nicht eingeplant, eine ausführliche Diskussion über die Abschlussresolution und das Einbringen von Änderungsanträgen zu ermöglichen, was einer demokratischen Logik der Bewegung entgegensteht. 

Anklagen, unser letztes Mittel?

Der gesamte Kongress sowie die schließlich aufgrund des Verbots online ausgetragene Abschlussveranstaltung unter dem Namen „Tribunal“ waren davon geprägt, das internationale Recht als letztes Mittel im Kampf gegen den laufenden Genozid am palästinensichen Volk zu sehen. So wichtig das vorläufige Urteil des Internationalen Gerichtshofs, welches Anzeichen des Völkermords in Gaza erklärte, auch sein mag, so klar zeigt es auch die Grenzen des internationalen Rechts in der bürgerlichen Gesellschaft. Der Fokus auf diesen Urteil und auf die Anklage Nicaraguas gegen die Bundesregierung dienen letztlich nicht dazu, der palästinasolidarischen Bewegung eine Perspektive anzubieten, sondern bestärken vielmehr eine Illusion. Das internationale Recht ist nicht in der Lage, den Genozid in Gaza zu stoppen, geschweige denn für eine Befreiung Palästinas zu sorgen. Das wird daran deutlich, dass das vorläufige Urteil des Internationalen Gerichtshofs, welches den israelischen Staat aufforderte, alle genozidalen Handlungen zu unterlassen, von der israelischen Regierung konsequent ignoriert wird. Auch die 103 Verurteilungen zwischen 2006 und 2023 gegen Israel durch den UN-Menschenrechtsrat haben in keiner Weise zu einer Mäßigung seiner brutalen kolonialen Praktiken geführt. Ohne eine materielle Gewalt, die es durchsetzt, bleibt das Recht nichts als leere Worte. So eine Gewalt existiert im Falle des internationalen Rechts nicht, denn die Organe der Vereinten Nationen verfügen über keine Machtmittel und häufig auch keine Bereitschaft, imperialistische Regierungen zur Umsetzung der völkerrechtlichen Grundsätze zu zwingen. 

Die Regierungen der imperialistischen Staaten wie die USA, Deutschland und Frankreich sind aufgrund ihrer ökonomischen und militärischen Vormachtstellung in der Lage, die Weltordnung zu dominieren und Kontrolle über die wichtigsten internationalen Institutionen wie den UN-Sicherheitsrat auszuüben. Ob das Recht zum Tragen kommt, hängt davon ab, ob es sich mit den Interessen der Imperialist:innen deckt. Das wird etwa dadurch deutlich, dass Russland als Rivale des europäischen und US-amerikanischen Imperialismus im Zuge seines völkerrechtswidrigen Überfalls auf die Ukraine mit Sanktionen überhäuft wurde, die völkerrechtswidrigen NATO-Kriege in Jugoslawien und Irak aber keine solche Konsequenzen nach sich zogen. 

Weder ein Erfolg von Nicaraguas Klage gegen Deutschland noch ein weiter reichendes Urteil des IGH werden dazu führen, dass sie ihre Unterstützung für Israels Genozid und Kolonialismus einstellen. Dies würde ihren materiellen Interessen widersprechen, denn der israelische Staat erfüllt für sie eine überaus wichtige Funktion. Er dient als Bollwerk gegen rivalisierende Staaten wie den Iran, stellt einen Stützpunkt für NATO-Kriege wie in Irak, Syrien und Libyen dar und soll den Zugriff des imperialistischen Kapitals auf die großen Ölreserven und wichtigen Handelsrouten in der Region garantieren. 

Doch selbst angenommen, der Druck durch die Bewegung und die “internationale Gemeinschaft” würde ausreichen, um eine vollständige Umsetzung der völkerrechtlichen Konventionen zu erzwingen, würde das für die Palästinenser:innen und die Bevölkerungen aller kolonialer und halbkolonialer Länder keine Freiheit bedeuten. Dass Nationalstaaten Kriege führen, wird vom Völkerrecht als gegeben hingenommen, es legt lediglich Regeln dafür fest, wie etwa die Vermeidung von zivilen Opfern. Die Unterwerfung und Ausplünderung der abhängigen Länder durch die Imperialist:innen kann im Rahmen des Völkerrechts überhaupt nicht adressiert werden. 

Im Falle von Palästina und Israel sieht es eine Zwei-Staaten-Lösung vor. Das kann jedoch keine erstrebenswerte Vision sein, denn die bisherigen Teilungspläne bedeuten stes eine Benachteiligung der Palästinenser:innen: Das Fortbestehen eines souveränen zionistischen Staates widerspricht dem Rückkehrrecht der Millionen von vertriebenen Palästinenser:innen. In dieser Konstellation wäre ein formal eigenständiger palästinensischer Staat ökonomisch schwach und stünde weiterhin in einem Abhängigkeitsverhältnis zum zionistischen Staat Israel. Unsere Perspektive besteht daher nicht in der humaneren Regulierung von Krieg und Unterdrückung, sondern der Beseitigung seiner Ursachen. Das bedeutet ein geeintes, multi-ethnisches Palästina im Rahmen einer sozialistischen Konföderation des Nahen Ostens.

Diese Vision gerät in Konflikt mit einer weiteren zentralen Achse des Tribunals, dem positiven Bezug auf die Regierungen des sogenannten Globalen Südens. Die Analyse, dass sich die Trennung zwischen „dem Globalen Norden“ und „dem Globalen Süden“ immer weiter verschärfe, ist von geringem Nutzen. Es ist zwar wahr, dass die imperialistischen Staaten der NATO am stärksten die Verteidigung Israels vorantreiben und sich einige nicht-westliche Staaten oberflächlich zur Solidarität mit Palästina bekennen. Allerdings tun wir uns keinen Gefallen dabei, Akteure wie die Regierungen Ramaphosa oder Ortega als Verbündete zu sehen. Denn auch die Gesellschaften des “Globalen Südens” sind nicht monolithisch, sondern in Klassen gespalten. Ihre Regierungen vertreten nicht die ausgebeuteten und unterdrückten Massen, sondern die lokalen Bourgeoisien, die mit imperialistischen Mächten kollaborieren und die eigene Bevölkerung ausbeuten und unterdrücken, um ihre materiellen Priviligien zu sichern. Es mag zwar sein, dass diese aus eigenen strategischen Erwägungen dem israelischen Staat feindselig gegenüberstehen, aber einer tatsächlichen Befreiung stehen sie dennoch im Weg. Diese kann nur durch eine internationale Revolution der Arbeiter:innenklasse im Bündnis mit den armen und unterdrückten Massen, die sich gegen den Imperialismus, aber auch die eigenen herrschenden Klassen richtet, geschehen.

Statt uns auf das bürgerliche Recht der Imperialist:innen oder auf korrupte Regierungschefs des „Globalen Südens“, die ihre eigene Bevölkerung unterdrücken, zu verlassen, braucht die Bewegung also vor allem eins: eine klassenkämpferische Perspektive. 

Unser letztes Mittel ist Klassenkampf

Die Arbeiter:innenklasse ist die einzige Kraft, die tatsächlich in der Lage ist, den Genozid zu beenden und den Imperialismus zu zerschlagen. Ihre Arbeitskraft ist die Voraussetzung für die Produktion und den Transport von Waffen und für die gesamte Ökonomie. Durch ihre Mobilisierung und politischen Kampf kann dem imperialistischen Weltsystem die ökonomische Grundlage, auf der Genozid und Kolonialismus aufbauen, entzogen werden. 

Die Arbeiter:innen in Syrien und Irak könnten der Ressourcenplünderung multinationaler Konzerne, wie etwa Ölextraktion, ein Ende setzen und so die Vormachtstellung der Imperialist:innen in der Region brechen. Die regionalen Solidaritätsbewegungen mit Palästina im Nahen Osten müssten ihre eigenen kapitalistischen und korrupten Regierungen konfrontieren, um den Menschen in Palästina zu helfen. Nicht die Haschemiten, Al-Sisis und Erdoğans, sondern die Arbeiter:innen und Ausgebeuteten der benachbarten Länder sind die Verbündeten des palästinensischen Volkes. Durch Massendemonstrationen, Generalstreiks und Blockaden können die Arbeiter:innenklasse und Werktätigen der Region die imperialistische Weltwirtschaft lahmlegen. 

Doch auch die Arbeiter:innen in den imperialistischen Zentren müssen für den Kampf für ein freies Palästina gewonnen werden. Während die massive Unterstützung Israels durch die imperialistischen herrschenden Klassen notwendig für die Kolonisierung Palästinas ist, kann die Arbeiter:innenbewegung ihnen die ökonomische und politische Macht entreißen und so ein wichtiger Faktor in der Befreiung vom Kolonialismus sein. Für diese Perspektive braucht es Versammlungen in allen Betrieben und einen Kampf gegen die Bürokratien der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, welche als Agent der besitzenden Klasse fungieren und so den internationalistischen Kampf der Arbeiter:innen verhindern. Das politische Streikrecht und die Rückeroberung der Gewerkschaften sind also für die Palästinabewegung wichtige Aufgaben. Die Aufhebung der von der Bürokratie durchgesetzten Trennung von ökonomischen und politischen Forderungen ermöglicht auch die Einbeziehung breiter Sektoren der Jugend und Unterdrückten in den gemeinsamen Kampf gegen Militarismus und Kapitalismus. 

Anstatt auf bürgerliche Institutionen wie das Völkerrecht und kapitalistische Regierungen setzen wir auf die Selbstorganisierung in den Betrieben, Universitäten, Schulen und Nachbarschaften und eine aus ihr hervorgehende antiimperialistische Massenbewegung für die Befreiung Palästinas. Durch den gemeinsamen Kampf der Arbeiter:innenklasse mit den unterdrückten und armen Massen und der Jugend ist es möglich, ein neues System zu errichten, das keine Ausbeutung, Kriege und Unterdrückung kennt. 

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