Wie kann der Kampf gegen Macrons Rentenreform gewonnen werden?

23.01.2023, Lesezeit 20 Min.
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shutterstock.com/Alexandros Michailidis

An diesem Donnerstag war der erste branchenübergreifende Streik -und Protesttag gegen die geplante Reform der Regierung mit massiven Mobilisierungen. Es entsteht eine Dynamik, die den politischen Charakter der Bewegung widerspiegelt und den Aufbau eines politischen Generalstreiks gegen Macron möglich macht.

Macron sieht sich zum ersten Mal so massivem Widerstand ausgesetzt

Der erste auffällige Aspekt des 19. Januar ist natürlich die Größe der Mobilisierung. Mehr als zwei Millionen Demonstrant:innen in ganz Frankreich, 400.000 in Paris, mehr als 100.000 in Marseille, 50.000 in Nantes und Toulouse: Die Zahlen schlagen die Rekorde vergangener Mobilisierungen. Vor allem verzeichnen viele Städte einen historisch hohen Zulauf zu Demonstrationen, was die Tiefe der Mobilisierung zeigt, mit 20.000 Demonstrant:innen in Nizza oder Perpignan, 15.000 in Avignon, 13.000 in Metz oder 10.000 in Angoulême.

Der Macronismus war bis dahin mit weniger großen, aber radikalen Bewegungen konfrontiert gewesen. Ein Beispiel dafür ist die Gelbwestenbewegung, die auf dem Höhepunkt der Mobilisierung mehrere Hunderttausend Menschen in Frankreich mobilisierte und dabei die gewerkschaftliche Routine überwand, aber auch der Rentenstreik im Winter 2019/2020, dessen Beginn an der Basis von den Streikenden der RATP (Pariser Verkehrsbetriebe) erzwungen wurde. Im weiteren Sinne zeichnete sich der 2016 eröffnete neue Zyklus des Klassenkampfes durch eine geringere Massivität und stärkere Ausschreitungen aus, was die Schwächung des Einflusses der Gewerkschaftsapparate auf die Mobilisierungen verdeutlichte.

Diesmal sieht sich Emmanuel Macron jedoch mit einer echten Massenbewegung aller Schichten des Proletariats konfrontiert, die sich auf nationaler Ebene ausbreitet. Eine Mobilisierung, deren Zahlen mit einigen Demonstrationen im Jahr 1995 oder 2010, also im vorherigen Zyklus des Klassenkampfes, vergleichbar sind. Eine Bewegung, die derzeit noch von einer gewerkschaftsübergreifenden Organisation unter der Hegemonie der CFDT (französischer Gewerkschaftsbund) kontrolliert wird, deren soziale Zusammensetzung sich jedoch im Übrigen von derjenigen unterscheidet, die bei vergleichbaren, in den Medien erwähnten Demonstrationen vorherrschte.

Zwar wurden die Hochburgen des öffentlichen Dienstes an diesem Donnerstag stark mobilisiert, wobei die Zahlen bei der SNCF (französische Eisenbahn), der RATP, im Bildungswesen oder im öffentlichen Dienst im Allgemeinen etwas niedriger als am 5. Dezember 2019 und auf der Seite der Energiewirtschaft etwas höher waren. [1] Während die Zahlen für die Privatwirtschaft schwieriger zu schätzen sind, deuten jedoch die Diskrepanz zwischen einer Streikquote in den Hochburgen, die etwas niedriger ist als 2019, und Massendemonstrationen insbesondere in den mittelgroßen Städten sowie zahlreiche Berichte auf eine nicht zu vernachlässigende Mobilisierung in der Privatwirtschaft hin.

Eine der Hochburgen der Mobilisierung waren die Raffinerien, wo an verschiedenen Orten in Frankreich zahlreiche Standorte in allen Schichten zu 100 Prozent bestreikt wurden. Ebenso war die Demonstration in Le Havre (Standort der Petrochemie und Raffinerien) massiv, während in Toulouse in der Luftfahrtindustrie, sowohl bei Airbus als auch bei Zulieferern, neue Stärken zum Ausdruck kamen. In einem Sektor der Privatwirtschaft, der während der vorherigen Welle des Klassenkampfes von geringer Bedeutung war und in den letzten Jahren rund um die Kämpfe gegen Schließungen und für die Löhne wieder relevant wurde. Auf der Seite von PSA (französischer Automobilkonzern) erklärte Vincent Duse von der CGT PSA: „In Mulhouse meldet die CGT 500 Streikende, während am Standort SevelNord 400 Beschäftigte mobilisiert wurden, was für ein Datum der branchenübergreifenden Mobilisierung fast noch nie vorgekommen ist,“ während auch zahlreiche Beschäftigte anderer Unternehmen in den Demonstrationen gesichtet werden konnten: Solvay oder Renault Trucks in Lyon, SKF in Valenciennes usw. Die meisten von ihnen waren in den Demonstrationen vertreten.

Eine Konstellation, deren Analyse in den kommenden Tagen noch präzisiert werden muss, die aber die subjektiven Veränderungen zum Ausdruck bringt, die die Arbeiter:innenklasse in den letzten Jahren rund um die Mobilisierungen angenommen hat, bei denen sich nacheinander verschiedene Sektoren unserer Klasse mobilisiert haben. Es ist eine explosive Situation für die Regierung.

Eine politische Mobilisierung, die das Leiden der Arbeitswelt zeigt

Zu Beginn des Herbstes hatte Emmanuel Macron beschlossen, die Rentenreform bereits im Winter einzuleiten, um das Risiko zu vermeiden, dass eine Verschlechterung der Lage ein zweites Mal die Durchführung dieser für ihn zentralen Reform verhindert. Diese zielt sowohl darauf ab, seine Glaubwürdigkeit als Reformer gegenüber der Bourgeoisie zu verteidigen, indem er einen französischen „Rückstand“ aufholt, der mit den Kämpfen zusammenhängt, die jeden Versuch einer Rentenreform begleitet haben, als auch einen wichtigen Teil der öffentlichen Ausgaben anzugreifen, um Signale über die Vertrauenswürdigkeit in Puncto Schulden zu senden.

Nun kommt diese Offensive gegen die Arbeitswelt, die der gesamten Bevölkerung klar vor Augen führt, dass sie darauf abzielt, uns dazu zu bringen, „mehr zu arbeiten“, um ein belangloses Defizit auszugleichen, in einer Situation erheblicher Spannungen im Land zustande. In den letzten anderthalb Jahren haben die Pandemie und dann der Krieg in der Ukraine zu einem Preisanstieg geführt, der die wirtschaftliche Lage vieler Arbeitnehmer:innen verschlechtert hat und gleichzeitig in vielen Betrieben nie da gewesene Lohnproteste angeheizt.

Gleichzeitig führte die Coronakrise in weiten Teilen der Arbeitswelt zu einem subjektiven Wandel. In den Betrieben äußerte sich dieser in neuartigen Lohnstreiks in vielen Bereichen, die durch die Forderung nach Anerkennung für die Arbeit in der Pandemie und später durch die Inflation angeheizt wurden. Im öffentlichen Dienst koppelten sich diese Effekte mit der Wut über den Verfall von Krankenhäusern, Schulen oder der Verkehrsinfrastruktur. Aber auch im Rahmen von Stellenabbau.

Schließlich kommt die Reform zu einem Zeitpunkt, an dem die Regierung durch die politische Krise und die Perspektivlosigkeit des Macronismus zutiefst geschwächt ist. Die Parlamentswahlen haben in der Tat einen Wendepunkt in der politischen Krise herbeigeführt, indem sie der Exekutive zum ersten Mal nur eine relative Mehrheit verschafft haben, die nun „gezwungen“ ist, mit der Rechten zusammenzuarbeiten, aber auch mit einer Mehrheit, die durch die Aussicht auf Macrons Nachfolge am Ende der nächsten Fünfjahresperiode weniger unterwürfig geworden ist. Und das zu einer Zeit, in der Macrons Popularitätswerte auf einem Tiefpunkt angelangt sind und seine Figur in weiten Teilen der Bevölkerung weiterhin auf Ablehnung stößt.

In einem solchen Kontext dient die Rentenreform als Katalysator für alle Fragen, die das französische Proletariat tief bewegen. Nicht nur gegen die Regierung und ihre Reform, sondern auch für die Löhne, gegen die Verschlechterung der öffentlichen Dienstleistungen, gegen ein zunehmend autoritäres politisches Regime usw. Der Inhalt der Mobilisierung vom 19. Januar erscheint daher viel politischer, als wie nur eine begrenzte Forderung, er geht weit über die Frage der Rentenreform hinaus, was auch die Massivität der Proteste erklärt.

Dies drückt beispielsweise Nicolas, ein nicht gewerkschaftlich organisierter Mechaniker bei Tisséo, im Gespräch mit RP aus: „Zwischen dem Anstieg der Treibstoffpreise, der Stromkosten und der Lebensmittelpreise kommen wir nicht mehr zurecht, weil die Löhne nicht mithalten können. Wir müssen das System ein für alle Mal lahm legen,“ Catherine, Krankenschwester in Neuilly-sur-Marne, die den Zusammenhang zwischen Renten, körperlicher Arbeit und fehlenden Mitteln hervorhebt: „Unser Beruf ist sehr anstrengend, wir sind den ganzen Tag auf den Beinen. Außerdem fehlt es uns an Mitteln und Personal,“ Sophie, eine Lehrerin, die „für die Renten, aber auch für bessere Löhne ab sofort“ mobilisiert wurde, oder Judith, eine von Mediapart interviewte Studentin, für die „es auch eine Frage der Demokratie ist. Eine Mehrheit der Franzosen ist gegen diese Reform (…) Wenn sie wieder mit einem 49-3 (Artikel in der Verfassung der eine Entscheidung durch den Regierungschef ohne wirkliche Mehrheiten möglich macht) durchkommt, was würde das über den Zustand unserer Demokratie aussagen?.“

Auch in Meinungsumfragen werden die überwältigende Ablehnung der Reform, aber auch tiefergehende Trends deutlich. So hat das liberale Institut Montaigne am 12. Januar eine Umfrage unter 5.000 Personen durchgeführt und festgestellt, dass nur 7 % der Erwerbstätigen die Reform unterstützen. Und schlussfolgert: „Wenn die Meinungen in Bezug auf das gesetzliche Mindestalter nicht hauptsächlich mit den individuellen Arbeitsbedingungen zusammenhängen, dann haben wir es mit einer kollektiven Dynamik zu tun, die weit über die einfache Rentenfrage hinausgeht und eine allgemeinere politische Krise widerspiegelt (Misstrauen gegenüber den Regierungen, allgemeines Gefühl der Ungerechtigkeit) (…).“

Eine Führung im Widerspruch mit der grundlegenden Dynamik

Die Tiefe der Wurzeln der Massenmobilisierung vom 19. Januar, in der sich die Wut, die das französische Proletariat antreibt, verdichtet, steht im Gegensatz zum Diskurs und der Haltung der derzeitigen Führung der Bewegung. Die durch Wut an der Basis gegen die Reform vereinte Gewerkschaftsfront, die seit 2010 so breit ist wie nie zuvor, will die Wut unter Kontrolle bringen und jegliches Ausschreiten aus den gelenkten Bahnen verhindern.

Noch vor der Mobilisierung am 19. Januar rief Laurent Escure, Vorsitzender der UNSA (besonders reformistische Gewerkschaft), letzte Woche dazu auf, dass „die Demo am 19. Januar dem Anlass entsprechend und klassisch“ sein solle. Laurent Berger erklärte seinerseits letzte Woche in Le Parisien: „Es muss in einem friedlichen Rahmen stattfinden. (…) Ich wünsche mir, dass man mit seinen Kindern zur Demonstration kommen kann. (…) Wir müssen einen klaren Diskurs führen: Die CFDT wird sich nicht von ihrer Basis überholen lassen.“ Für die Intersyndicale (Zusammenschluss wichtiger Gewerkschaften) muss die Bewegung gegen die Rentenreform mit Aktionstagen ohne Ausschreitungen aufrechterhalten werden.

Wie die Regierung ist sich auch die Gewerkschaftsführung bewusst, dass die Situation schnell explosiv werden kann. Als Laurent Berger von Le Parisien zu der Gefahr befragt wurde, dass „spontane Bewegungen vom Typ Gelbwesten …“ entstehen könnten, im Sinne nicht nur einer Bewegung außerhalb der Gewerkschaftsorganisationen, sondern auch einer Bewegung mit weitergehenden Forderungen, die auf das Regime als Ganzes abzielen, erklärte er beispielsweise: „Die Frage ist, ob es zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Funken geben wird, der einen tiefgreifenden sozialen Konflikt hervorruft. Die Renten können das sein. Aber die CFDT war noch nie ein Freund von Allerweltsparolen. Wenn wir wollen, dass die Regierung uns beim gesetzlichen Rentenalter zuhört, müssen wir an dieser Forderung festhalten.“

Es ist eine strikt appellierende auf eine Forderung beschränkte Logik innerhalb der vom Regime gesetzten Grenzen, die dem politischen Charakter der Mobilisierung und den Möglichkeiten, die sie gegen Macron eröffnen kann, zuwiderläuft, indem sie zutiefst politische Fragen über die kapitalistische Gesellschaft und die Lebens- und Arbeitsbedingungen, die sie der Mehrheit der Bevölkerung auferlegt nicht aufwirft. Diese Ausrichtung, die das Potenzial der Forderungen, die die Millionen am 19. Januar mobilisierten Menschen bewegen, einschränken will, geht Hand in Hand mit der von der Intersyndicale angenommenen Strategie, die sich am Donnerstag in der Ankündigung eines neuen Datums 11 Tage später, dem 31. Januar, verkörpert hat, ohne einen präzisen Plan für dessen Aufbau und eine Perspektive für seine Verlängerung. Diese Wahl verankert die Hegemonie der CFDT in der aktuellen Führung der Bewegung und die klare Annahme der „Druckstrategie“.

Diese setzt auf die Möglichkeit, durch einige Tage massiver Einzelmobilisierungen die Widersprüche innerhalb des gegnerischen Lagers aufzubrechen, um die Reform zurückzuziehen, während die macronistische Mehrheit bereits erste Anzeichen von Spaltungen zeigt und die Rechte nicht ganz für die Idee gewonnen ist, die Reform jetzt durchzuführen. Dennoch ist es eine gefährliche Wette, unsere Renten auf die parlamentarischen Manöver und die wahltaktischen Ambitionen dieser klassenfeindlichen Parteien zu setzen.

Während der Staat und die Bourgeoisie nicht nachgeben werden, wenn sie nicht befürchten müssen, alles zu verlieren, verhindert diese riskante Logik den Aufbau eines Kräfteverhältnisses durch Streiks welches die einzige Garantie ist, um in den kommenden Wochen wirklich Einfluss auf die Regierung zu nehmen. In den Jahren 2010 und 2016 führte die gleiche „Druckstrategie“ trotz der großen Entschlossenheit der Beschäftigten zu einer Niederlage. In jüngerer Zeit hat der Streik der Total-Raffineriearbeiter:innen gezeigt, wie die Regierung bereit war, alle Hebel in Bewegung zu setzen, insbesondere die bonapartistischsten, um nicht zu riskieren, eine Chance auf Veränderungen für die gesamte Arbeitswelt zu eröffnen.

Eine andere Strategie, um die Energie und Kreativität der Massenbewegung zu entwickeln; Den Streik den Streikenden!

Gegen die „Druckstrategie“ der Gewerkschatfsbürokratie, die auf der Sorge um die Einhaltung der von der Regierung auferlegten Regeln, aber auch auf der Befürchtung beruht, dass die Bewegung ihrer derzeitigen Führung entgleiten könnte, kann nur gewonnen werden, wenn gegenüber der Regierung eine immense Kraft entfaltet wird. Die Methode zur Schaffung eines Kräfteverhältnisses ist bekannt: Aufbau eines breiten, verlängerbaren Streiks, der alle Sektoren unserer Klasse mobilisiert, von den strategisch wichtigsten bis zu den prekärsten, um ein Programm herum, das sich nicht nur auf die Rücknahme der Reform beschränkt, sondern auch versucht, gute Renten, die Anpassung der Löhne an die Inflation und Lohnerhöhungen für alle zu erzwingen.

Diese Perspektive stößt jedoch an die zentrale Grenze der Aktion vom 19. Januar, die von einer schwachen Selbstorganisation mit wenigen Generalversammlungen und Streikposten geprägt war. Der Grund liegt in der Politik der nationalen und lokalen Gewerkschaftsführungen, die nicht systematisch zu Vollversammlungen aufrufen, auch nicht auf Seiten der Eisenbahner:innen, der Lehrer:innen oder in Le Havre, wo dies einst die Regel war. Auf diesem Gebiet voranzukommen, ist eine zentrale Aufgabe der Bewegung, insbesondere für die Sektoren, die zu Aktionen und Terminen aufrufen, die es ermöglichen, das von der Intersyndicale vorgegebene Tempo zu beschleunigen.

Einige Sektoren beginnen in der Tat die Frage eines verlängerbaren Streiks zu stellen. Dies ist der Fall bei den Raffinerien, die bereits letzte Woche einen Plan zum Aufbau einer solchen Strategie angekündigt haben, die es ermöglichen, ab dem 6. Februar einen verlängerbaren Streik auszurufen. Diese Perspektive hat verschiedene Sektoren inspiriert, wie den Energiesektor, aber auch das Bildungswesen, wo kleinere Gewerkschaften ab dem 31. Januar zu einem verlängerbaren Streik aufrufen. Damit eine solche Perspektive jedoch Wirklichkeit wird und nicht die Masse der Radikalität geopfert wird, muss sie sich auf eine tiefgreifende Arbeit an der Basis stützen und nicht nur auf Termine oder voluntaristische Aufrufe.

In den kommenden Tagen wird es entscheidend sein, die Selbstorganisation in und zwischen den Betrieben durch die Organisation von Betriebsversammlungen und branchenübergreifenden Betriebsversammlungen zu entwickeln. Diese müssen ein Ort der Diskussion über die Bewegung und ihre Forderungen sein, um zu versuchen, die Gesamtheit der Forderungen des Proletariats um ein Programm herum auszudrücken, das über die Rücknahme der Reform hinausgeht.

Sie können auch als Impulsgeber für eine Politik der Arbeiter:innen-Avantgarde dienen, nicht nur der am stärksten mobilisierten Sektoren, sondern auch derjenigen, die in den letzten fünf Jahren die fortschrittlichsten Kampferfahrungen gemacht haben, um die prekärsten oder am wenigsten an harte Konflikte gewöhnten Sektoren mitzureißen. Outgesourcte Arbeiter:innen, Leiharbeiter:innen, Arbeiter:innnen in Unternehmen ohne Kampftradition: Die Elektriker:innen, Gasarbeiter:innen, Raffinerie Beschäftigten, Busfahrer:innen, Eisenbahner:innen und Lehrer:innen müssen auf sie zugehen, mit demselben Willen, sie zu mobilisieren, wie die Beschäftigten der RATP und der SNCF, die zwei Monate lang das Datum des 5. Dezembers ab Ende September 2019 vorbereitet haben.

Die Rolle der Jugend in einer solchen Perspektive

In dieser Perspektive kann die Jugend an der Seite der Arbeiter:innenbewegung eine entscheidende Rolle spielen. Historisch gesehen hat die Studentenbewegung eine grundlegende Rolle dabei gespielt, die Routinen der Gewerkschaften zu durchbrechen, die Forderungen der Bewegungen und die Bestrebungen der Arbeiter:innen auszuweiten, aber auch das Kräfteverhältnis gegenüber den Regierungen zu verbessern.

Im Gegensatz zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat die Studentenbewegung, die besonders stark von der Pandemie betroffen war, seit 2018 eine gewisse Flaute erlebt. Diese hat sich jedoch immer wieder neu formiert, und in den kommenden Tagen könnte die Dynamik an den Oberschulen und Universitäten ein immenser Faktor für eine Veränderung der Situation sein, indem sie dazu beiträgt, den politischen Charakter der Dynamik, die am Donnerstag begann, zu stärken und offener zum Ausdruck zu bringen.

Dies setzt jedoch voraus, dass die Intervention der Jugend, der Studierenden und Schüler:innen, mit ihren Methoden, ihrer Radikalität, ihrer Massivität und ihren Forderungen erfolgt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Demonstration an diesem Samstag, zu der die Jugendaktivist:innen der France Insoumise mit Unterstützung der beiden Teile der NPA aufgerufen haben und die künstlich als Jugenddemonstration dargestellt wurde, ein echtes Gegenbeispiel.

Anstatt zu versuchen, von der Kraft der Jugend und ihrer Spontaneität zu profitieren, macht diese aus diesem Sektor ein symbolisches Schaufenster im Dienste einer PR-Aktion der politischen Linken. In Unabhängigkeit von diesen Manövern muss die Jugend, die bei dem Marsch am Samstag weitgehend abwesend war, an der Seite der Arbeiter:innenbewegung in den Kampf eintreten.

Für einen politischen Generalstreik gegen Macron und seine Welt

Die Gestaltung einer Massenbewegung dieser Art setzt eine Subjektivität voraus, die sich radikal von der unterscheidet, die die Gewerkschaftsbürokratien derzeit einzuflößen versuchen. Nicht pausieren, um „die Kräfte zwischen zwei Demos zu sparen“, sondern sich darauf vorbereiten, die gesamte Energie und Kraft unserer Klasse freizusetzen. Nicht die Forderungen begrenzen, um von Macron gehört zu werden, sondern sie ausweiten, um möglichst viel Wut zu bündeln und die Regierung in Angst und Schrecken zu versetzen. Nicht eine Reihe von Terminen von oben aufzwingen, sondern den Arbeiterinnen und Arbeitern die Macht geben, über die Bewegung und ihr Tempo zu entscheiden!

Diese Logik ist auch der Logik der CGT radikal entgegengesetzt, die in einem Kommuniqué zu zahlreichen Aktionen aufruft – „ohne zu warten, neue Initiativen ab dem 23. Januar aufbauen: Kundgebungen, öffentliche Debatten, Versammlungen, Fackelzüge und vieles mehr,“ um die Änderung des Datums zu bewirken, da der bisherige Aufruf zu einem Datum ist, das von vielen Arbeiter:innen als weit entfernt wahrgenommen wird. Dies ist eine Haltung, die keine strategische Linie für den Aufbau des Kräfteverhältnisses vorgibt, unter dem Vorwand, es den lokalen Gewerkschaftsverbänden zu überlassen, ihre eigenen Aktionen durchzuführen.

Um zu versuchen, das Potential der Bewegung zu entfalten, bedarf es einer aktiven Politik, deren Ziel es ist, die von den Gewerkschaftsbürokratien geförderte Passivität zu durchbrechen und die Selbstorganisation an der Basis zu entwickeln. Das nach dem Streik vom 19. Januar wiedergewonnene Vertrauen in unsere Kräfte kann in diesem Sinne ein Grundpfeiler sein, um die Dynamik radikal zu verändern und einen politischen Generalstreik gegen die Regierung und die Großunternehmen aufzubauen, dessen Reichweite und Ziele weit über den einfachen Kampf um die Renten hinausgehen und es ermöglichen können, das allgemeine Kräfteverhältnis zugunsten der Ausgebeuteten und Unterdrückten umzukehren. Während Macron die Reform zur „Mutter aller Schlachten“ machen will, ist ein solches Ziel zu setzen die einzige Möglichkeit, der Situation und ihrem Potential gerecht zu werden.

Dieser Artikel erschien zunächst bei Révolution Permanente

Fußnoten
[1.] Im nationalen Bildungswesen streikten in der Sekundarstufe am Donnerstag 65% gegenüber 75% im Vergleich zum 5. Dezember 2019, und 70% gegenüber 65% in der Grundschule. Bei der SNCF landesweit 46% gegenüber 55% am 5. Dezember, mit 77% gegenüber 85% bei den Lokführer:innen, 48% gegenüber 57% bei den Weichensteller:innen und 51% gegenüber 73% bei den Kontrolleur:innen. Im öffentlichen Dienst waren es nach Angaben des Staates 29,5 % gegenüber 32 % und auf Seiten des öffentlichen Dienstes im Krankenhaus 19,6 % gegenüber 15,9 %. Im Energiesektor lag die Zahl der Beschäftigten bei EDF am Donnerstag bei 44,5 % gegenüber 41,4 % vor drei Jahren (nach Angaben des Staates).

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