Werden Trotzkist*innen aus Linksjugend-Solid ausgeschlossen?

27.03.2018, Lesezeit 6 Min.
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Ein Antrag für den Bundeskongress der Jugendorganisation der Linkspartei fordert den Ausschluss der Sozialistischen Alternative (SAV). Das ist ein Angriff von rechten Kräften auf die linke Opposition im Jugendverband.

Vom 13.-15. April tagt der 11. Bundeskongress von Linksjugend-Solid, der Jugendorganisation der Linkspartei, in Erfurt. Der Antrag S4 für diesen Kongress fordert: „Wer die Befreiung fordert, darf seine Mitglieder nicht unfrei machen.“

Was soll das heißen? Die Antragsteller*innen wollen die Satzung des Jugendverbandes ergänzen: „Eine Mitgliedschaft in der linksjugend [’solid] ist mit einer Mitgliedschaft in der Sozialistischen Alternative (SAV) nicht vereinbar.“

Als Begründung folgt ein langer Angriff auf die SAV, die innerhalb des Bundesarbeitskreises Revolutionäre Linke (BAK RL) arbeitet. Es heißt, die SAV würde „die Souveränität des Verbandes unterlaufen“, „junge Genoss*innen manipulieren“ und „Arbeit torpedieren“. Das erinnert an die unsägliche (und fast identische) Kampagne aus dem Jahr 2009: „Raus aus der SAV“. Die trotzkistische SAV wird wie eine religiöse Sekte dargestellt, deren Mitglieder zu „befreien“ seien. Bereits „befreite“ Ex-Mitglieder kommen interessanterweise jedoch nicht zu Wort.

Auffällig an diesem Antrag – über 2.000 Wörter lang – ist, dass politische Fragen überhaupt nicht vorkommen. Kein Wort über die Positionen der SAV. Und das, obwohl die Positionen innerhalb der Linksjugend-Solid sehr weit auseinander liegen.

Was ist Linksjugend-Solid?

Linksjugend-Solid ist ein Jugendverband mit 10.000 Mitgliedern auf dem Papier. In der Praxis sind es, vorsichtig ausgedrückt, etwas weniger. Regional ist Linksjugend-Solid sehr unterschiedlich aufgestellt: In Nordrhein-Westfalen scheint der Jugendverband sehr aktiv zu sein – in anderen Bundesländern ist er praktisch nicht sichtbar. Von außen betrachtet können wir sagen, dass die Linksjugend-Solid dort am aktivsten ist, wo die SAV mitwirkt.

Die Gründung dieses Verbandes im Jahr 2007 war ein bürokratischer Albtraum. Es wurde viel um Gelder und Posten gestritten, aber kaum um Politik. Seit der Verbandsgründung vor zehn Jahren liegt die Führung bei Menschen, die über die Linkspartei eine Karriere im deutschen Staatsapparat anstreben. Ganze Landesverbände unterstützen imperialistische Kriege (und bezeichnen sich paradoxerweise als „antideutsch“).

Der Ausschluss-Antrag kommt aus den ostdeutschen Bundesländern, wo die Linkspartei an Landesregierungen beteiligt ist. In Thüringen, Berlin oder Brandenburg haben wir es mit dem Jugendverband einer Partei zu tun, die jeden Tag in der Regierung für Niedriglöhne, Abschiebungen und Privatisierungen mitverantwortlich ist. In diesen Landesverbänden übt die Führung von Linksjugend-Solid keinerlei Kritik an der Regierungspolitik der Mutterpartei. Stattdessen greifen sie… die SAV an. Diese trotzkistische Organisation, die zur internationalen Strömung „Committee for a Workers‘ International“ gehört, spricht sich gegen imperialistische Kriegseinsätze und Regierungsbeteiligungen der Linkspartei aus.

Das ist der wahre Hintergrund dieses Antrags.

Der Antrag selbst

Aber der Antrag selbst verschleiert jede politische Diskussion. Stattdessen wird suggeriert, die SAV wäre im Grunde eine profitorientierte Firma:

Der Führung selbst geht es darum, neue zahlende Mitglieder zu gewinnen und Materialien zu verkaufen, um ihren Apparat zu finanzieren. So gibt es Berichte von ehemaligen SAV Mitgliedern, die beschreiben, dass ein enormer Druck auf Individuen ausgeübt wird, um genügend Material der SAV zu verkaufen.

Dieser Vorwurf ist nicht ohne Ironie – kommt er doch von Nachwuchspolitiker*innen, die auf gut bezahlte Posten im deutschen Staatsapparat hoffen. Mitglieder des deutschen Bundestags bekommen über 10.000 Euro im Monat – Linkspartei-Führungsfiguren wie Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht sind regelrechte Millionär*innen, mit Chauffeur*innen und Villas in der Toskana. Auch wenn wir keinen Einblick in die Finanzen der SAV haben, so können wir bestätigen, dass ihre hauptamtlichen Funktionär*innen ein eher bescheidenes Leben führen.

Die SAV ist in der Tat in erster Linie durch ihre Mitglieder finanziert, im Gegensatz zur Linksjugend-Solid, die ihre Gelder in erster Linie vom deutschen Staat bekommen. Bezeichnend, dass die Antragsteller*innen die Nutzung von nicht-staatlichen Geldquellen so empörend finden. Ihre Vorstellung von „Sozialismus“ und von „Freiheit“ wollen sie innerhalb des bestehenden kapitalistischen Staates umsetzen – durch möglichst gut bezahlte Posten.

Und ist es schlimm, dass sich SAV-Mitglieder bei der SAV und im BAK RL organisieren, um ihre Positionen auch durchzusetzen? Sind ihre Kritiker*innen nicht in rechtsreformistischen Pressure-Groups wie „forum demokratischer Sozialismus“ (fds) oder pro-israelischen Lobbyvereinen (BAK Shalom) organisiert?

Antworten auf den Antrag

Dass dieser Satzungsantrag die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit bekommt, ist unwahrscheinlich. Trotzdem läuft jetzt eine breite Kampagne gegen den Ausschlussversuch. 45 SAV-Mitglieder in Solid haben ein Antwortschreiben veröffentlicht. Der Landesverband Rheinland-Pfalz sammelt weitere Unterschriften.

Wir als Klasse Gegen Klasse solidarisieren uns mit der Kampagne gegen diesen Ausschlussversuch. Wir sind keine Mitglieder der Linkspartei oder von Linksjugend-Solid. Wir sind stattdessen der Meinung, dass es keine gute Idee ist, wenn Revolutionär*innen langfristig reformistische Organisationen aufbauen. Wir denken, dass die SAV-Genoss*innen gemeinsam mit anderen Kräften versuchen sollten, einen großen unabhängigen revolutionär-sozialistischen Jugendverband aufzubauen, mit der Perspektive einer revolutionären Arbeiter*innenpartei.

Doch selbstverständlich sind wir hier uneingeschränkt solidarisch und verteidigen das Recht der SAV-Genoss*innen, sich in der Linkspartei und ihrem Jugendverband zu organisieren. Und wenn ein Ausschluss-Antrag nicht schon fragwürdig genug wäre, macht uns auch folgendes stutzig: Zu Zeiten des Aufstiegs von Jens Spahn und Alexander Gauland und Björn Höcke beschäftigt sich die Führung von Linksjugend-Solid in erster Linie damit, linke Mitglieder aus ihrem eigenen Verband auszuschließen?

Wir brauchen eine breite Mobilisierung gegen die rassistische und arbeiter*innenfeindliche Agenda der neuen Regierung! Wir müssen eine breite Front von Arbeiter*innen, Jugendlichen, Frauen, LGBTI* und Migrant*innen aufbauen, um die kommenden Angriffe zurückzuschlagen. Diese Kampagne der Linksjugend-Solid-Führung gegen die SAV ist die sinnloseste Ablenkung, die wir uns vorstellen können.

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