Wer soll Kaiser’s-Tengelmann übernehmen? Na, die Arbeiter*innen – wer sonst?

07.10.2016, Lesezeit 5 Min.
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Die wirkliche Lösung, auf dieses Problem, ist für einige, aber nur für sehr wenige, nicht angenehm – Franz-Josef Degenhardt

Am Donnerstag kam eine Spitzenrunde zusammen: Frank Bsirske und Stefanie Nutzenberger vom Bundesvorstand von der Gewerkschaft ver.di; Markus Mosa, Chef von Edeka; Alain Caparros von Rewe; Karl-Erivan Haub, der Milliarden und die Unternehmensgruppe Tengelmann von seinem Vater erbte; und Franz-Friedrich Müller von Markant.

Vieles steht auf dem Spiel: Es geht um die Supermarktkette Kaiser’s-Tengelmann mit ihren 15.281 Beschäftigten. Vom runden Tisch wurde lediglich bekannt, dass die Frist für die Zerschlagung des Konzerns bis zum 17. Oktober verlängert wird.

Der Kaiser’s-Konzern kränkelt. Ursprünglich wollte Edeka alle Filialen übernehmen. Dieser Plan wurde vom Kartellamt blockiert. Dann hat Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) doch eine Sondererlaubnis erteilt. Doch dagegen klagten Konkurrent*innen.
Scheinbar endlos geht es hin und her, zwischen Bürokrat*innen und Kapitalist*innen.

Im Unklaren bleiben die Beschäftigten. Teilweise arbeiten sie seit Jahrzehnten fürs Unternehmen. Allein in Berlin kamen 2.500 von ihnen am Donnerstag zu einer Betriebsversammlung – aber auch hier bekamen sie keine Infos darüber, was in den nächsten Tagen und Wochen mit ihren Arbeitsplätzen geschehen soll.

Niemand bestreitet, dass die Supermärkte sinnvolle Arbeit machen. Lebensmittel braucht nun mal jeder Mensch. Die Frage ist jedoch, ob ein*e Kapitalist*in glaubt, aus dem Konzern in seiner bisherigen Form Profit schlagen zu können – und zwar ohne die Profite von anderen Kapitalist*innen durch eine Monopolstellung zu gefährden (darüber wacht nämlich das Kartellamt und die Justiz).

Zur Zeit sieht es schwierig aus. Kaiser’s-Tengelmann muss sich gegen Konkurrent*innen behaupten, die weniger Lohnkosten haben, weil sie schlechtere Löhne zahlen. Eine Übernahme durch Edeka würde bedeuten, dass jede Filiale in Scheinselbstständigkeit gedrängt würde, was für die Beschäftigten Lohnsenkungen und noch mehr Unsicherheit bedeuten würde.

Die Spitze von ver.di, zusammen mit vielen Betriebsräten, will „das Unternehmen als ganzes erhalten“ – d.h. eine*n Kapitalist*in finden, der den kompletten Konzern übernimmt, um weiterhin auf den Rücken der Beschäftigten Gewinn zu machen. Doch das sieht schwierig aus. Den Bürokrat*innen von ver.di fällt nichts anderes als, als an ein vermeintliches „Gemeinwohl“ zu plädieren – als würden kapitalistische Konzerne für die Allgemeinheit wirtschaften und nicht für ihre eigenen Profite.

Berlins Arbeitssenatorin Dilek Kolat sagte:

Es kann nicht sein, dass wirtschaftliche Einzelinteressen und juristische Streitigkeiten auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. [… Im Artikel 14 des Grundgesetzes heißt es:] Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Es liegt in der Hand der Verantwortlichen sich dieser Verantwortung zu stellen.

Wir könnten die tausenden entlassenen Beschäftigten von Schlecker fragen, ob dieser Satz ihnen half.

Dabei ist die Lösung recht naheliegend. Wer hält Kaiser’s Tag für Tag am Laufen? Sind es die Kapitalist*innen, die ihre Milliarden hin- und herschieben? Oder sind es nicht vielmehr Beschäftigte, die jeden Morgen die Filialen aufmachen und jeden Abend schließen? Eine Lösung, die jeden Arbeitsplatz garantieren könnte, wäre: Die Übernahme von Kaiser’s-Tengelmann durch die Beschäftigten.

Wie Franz-Josef Degenhardt sang:

Die wirkliche Lösung, auf dieses Problem, ist für einige, aber nur für sehr wenige, nicht angenehm.

Denn eine solche Enteignung wäre unangenehm für eine Handvoll Kapitalist*innen – aber angenehm für 15.000 Arbeiter*innen. Ist das denn so einfach? So ein riesiger Supermarktkonzern braucht tagtäglich große Kredite. Deswegen müssten die Beschäftigten dafür kämpfen, dass der Staat die Verantwortung für die Supermärkte übernimmt – während sich die Beschäftigten um die Verwaltung kümmern.

Denn in einem Supermarkt, der unter Kontrolle der Arbeiter*innen stünde, müsste man sich nicht mehr um Profit scheren. Es würde reichen, genug Geld einzunehmen, damit die Beschäftigten ihre Löhne bekommen können. Dann könnte man Preise senken. Man könnte aufhören, Bauern*Bäuerinnen mit Dumpingpreisen in den Ruin zu treiben. Man könnte sich darauf konzentrieren, die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen.

Deswegen brauchen wir eine Verstaatlichung von Kaiser’s-Tengelman unter Kontrolle der Beschäftigten. Erst dann würde der Konzern tatsächlich dem Allgemeinwohl dienen.

Freilich würde das nur in vollem Umfang funktionieren, wenn man darauf zielen würde, auch Hersteller von Lebensmitteln sowie die Banken zu vergesellschaften. Aber die Sozialisierung von Kaiser’s-Tengelman wäre ein erster Schritt, um die dringenden Sorgen von 15.000 Arbeiter*innen zu lösen.

Die Arbeiter*innen der Keramikfabrik Zanon in Argentinien konnten eine Schließung ihrer Fabrik und Massenentlassungen verhindern, in dem sie die Anlage besetzten und unter eigener Verwaltung weiter produzierten. Seit 15 Jahren halten sie diese Besetzung aufrecht und besorgen ihren Lebensunterhalt, während sie andere Belegschaften im Kampf unterstützen.

ver.di ist aktuell eine Gewerkschaft, deren Führungspersonal hinter verschlossenen Türen mit Vorständen diskutiert und die Profite der Konzerne sichern will. Wir brauchen eine Gewerkschaft, die mit einer kämpferischen Perspektive die Interessen der Arbeiter*innen vertritt, ohne Rücksicht auf die Gewinne von Milliardären. Wir brauchen eine Gewerkschaft, die folgende Zeilen von Bertolt Brecht zu Herzen nimmt:

In Erwägung, es will euch nicht glücken
uns zu schaffen einen guten Lohn
übernehmen wir jetzt selber die Fabriken
in Erwägung, ohne euch reicht’s für uns schon.

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