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„Wer mich wählt, stimmt gegen Rot-Rot-Grün“ – Interview mit Sarah Moayeri

08.09.2016, Lesezeit 5 Min.
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Neuköllner Kandidat*innen der Linkspartei lehnen die Politik ihres Landesverbands ab. Nach den Wahlen am 18. September wollen sie keine Rot-Rot-Grüne Koalition. Ein Interview mit Sarah Moayeri (20), Studentin an der Freien Universität Berlin und Direktkandidatin der Linkspartei für den Wahlkreis Neukölln 1. Sie ist aktiv in der Linksjugend-Solid Kreuzkölln und in der SAV.

Wie läuft der Wahlkampf in Neukölln 1? Wie reagieren die Menschen auf eure Kampagne?

Der Hauptslogan unserer Kampagne ist „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“. Das trifft die Stimmung der Leute auf der Straße, die unter einer Politik im Interesse der Banken und Konzerne leiden müssen.

Wir kriegen viel positive Rückmeldung. Die Leute wollen am Infotisch schon vorbeilaufen, weil sie es satt haben, in der Wahlkampfzeit mit Parteienwerbung bombardiert zu werden. Doch dann sehen sie unser Faltblatt, drehen sich um und nehmen doch eins mit.

Die Linkspartei in Berlin hat keinen besonders guten Ruf. Sie war 2001-11 an der Regierung und privatisierte alles, was nicht niet- und nagelfest war. Werdet ihr beim Wahlkampf mit dieser Geschichte konfrontiert? Oder ist das vergessen?

Natürlich werden wir damit konfrontiert. Die Leute vergessen keine 100.000 privatisierten Wohnungen oder den Abbau von 35.000 Stellen im öffentlichen Dienst, das alles hatte ja dramatische Auswirkungen auf die Lebenssituation der Menschen.

Viele Berliner*innen werden die LINKE aber trotzdem wählen, weil sie, insbesondere in Neukölln, als Teil von sozialen Bewegungen und Streiks Vertrauen wiedergewinnen konnte. Und weil eine Stimme für die LINKE – auch in Berlin – am ehesten als Stimme gegen Sozialabbau, Krieg, Rassismus und Hartz IV gesehen wird.

Wir diskutieren mit den Leuten darüber und machen dabei deutlich, dass wir die Politik unter Rot-Rot falsch fanden, dass diese Erfahrung gezeigt hat, dass eine Politik im Interesse der Bevölkerung mit  SPD und Grüne nicht zu machen ist. Wir zeigen Alternativen auf: Selbst aktiv werden und mit uns gemeinsam – innerhalb und außerhalb der Partei – für höhere Löhne, niedrigere Mieten und bessere Verhältnisse kämpfen.

Entscheidende Errungenschaften in der Stadt wurden nicht im Parlament beschlossen, sondern erkämpft: Der bundesweit erste Tarifvertrag für mehr Personal im Krankenhaus an der Charité, Verbesserungen im Bereich der sozialen Wohnraumversorgung durch den Mietenvolksentscheid, die Offenhaltung des Tempelhofer Feldes…

Die Linkspartei Berlin unter Klaus Lederer möchte um buchstäblich jeden Preis Teil einer rot-rot-grünen Koalition werden. Du dagegen schreibst auf deinem Wahlflyer, dass du gegen rot-rot-grün bist. Wie passt das zusammen?

Die Leute, die mich wählen, wählen eben nicht Rot-Rot-Grün, sondern eine Stimme von Bewegungen und sozialen Kämpfen. Mit einer erneuten Regierungsbeteiligung mit SPD und Grünen würde die LINKE keine fundamentalen Verbesserungen in der Stadt durchsetzen können und sich damit als Verwalterin des Kapitalismus noch unglaubwürdiger machen. Deshalb kämpfen wir innerhalb der Partei gegen diesen Kurs.

Stattdessen stehen wir für eine LINKE, die auf der Straße, Seite an Seite mit den Beschäftigten in den Krankenhäusern, mit Schüler*innen, mit Mieter*innen etc. steht und auch das Parlament dafür nutzt, diese Kämpfe voranzutreiben.

Der Neuköllner Bezirksverband gilt als links und oppositionell. Das ist wohl der Grund, weshalb ihr nicht auf der Landesliste seid – dort findet man nur die „handverlesenen Jasager*innen“ von Lederer. Habt ihr eine Chance, über Direktmandate ins Abgeordnetenhaus zu kommen?

Das ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Es hängt von vielen Faktoren ab: Werden die Grünen an Unterstützung verlieren, nachdem zuletzt wieder eine Parteispende an sie von einem Finanzhai in Höhe von 270.000 Euro veröffentlicht wurde? Werden nach dem schockierenden Wahlergebnis der AfD in Mecklenburg-Vorpommern mehr Leute zur Wahl gehen, um ein Zeichen gegen sie zu setzen? Letztlich hängt es natürlich auch von unseren Aktivitäten in den Kiezen ab.

Die Linkspartei in Berlin ist sehr stark in die staatliche Verwaltung eingebunden. Siehst du eine Chance, den Charakter der Linkspartei zu ändern?

Der Charakter der Linkspartei ist widersprüchlich, das gilt auch bundesweit. Die LINKE ist weiterhin die einzige im Bundestag vertretene Partei, die konsequent gegen TTIP, Militäreinsätze der Bundeswehr, Rüstungsexporte und Kriege steht. Sie ist die einzige Partei, die den Ansatzpunkt einer Interessenvertretung für Lohnabhängige, Erwerbslose und Jugendliche gegen die Interessen des Kapitals darstellt.

Es gibt in der Partei und im Jugendverband einige Genoss*innen, die antikapitalistische, sozialistische und auch revolutionäre Positionen vertreten, für eine bewegungsorientierte Partei stehen. Diese Kräfte gilt es weiterhin zu bündeln und die innerparteiliche Opposition gegen Anbiederung an SPD und Grüne aufzubauen – besonders wenn es in Berlin zu Rot-Rot-Grün kommt.

* Anmerkung: Die Redaktion von Klasse Gegen Klasse ruft dazu auf, am 18. September ungültig zu wählen. Wir freuen uns trotzdem, die Stimmen von linken Aktivist*innen in der Linkspartei veröffentlichen zu können.

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